Licht- und elektronenmikroskopische Untersuchungen zur pränatalen Entwicklung des bovinen Nabelstrangs (Bos taurus)

Licht- und elektronenmikroskopische Untersuchungen zur pränatalen Entwicklung des bovinen Nabelstrangs (Bos taurus)

Beschreibung

vor 19 Jahren
In der vorliegenden Arbeit wurde die pränatale Entwicklung und
Morphologie des bovinen Nabelstrangs untersucht. Hierfür wurde die
Nabelschnur von Feten ab dem 2. Graviditätsmonat (SSL 2,5 cm) bis
zum geburtsreifen Kalb im 9. Monat (SSL 89 cm) verwendet. Neben
lichtmikroskopischen (routinehistologischen, immun- und
glykohistochemischen) Färbungen wurden elektronenmikroskopische
Techniken angewendet. Dabei besitzt die Nabelschnur des Rindes zu
jedem Gestationszeitpunkt zwei Nabelvenen, zwei Nabelarterien und
einen Urachus, die allesamt in der Wharton Sulze (WS) eingebettet
sind. Bis zu einer SSL von 26 cm können in der Nabelschnur des
Rindes das extraembryonale Nabelzölom und die Reste des
Dottersackganges beobachtet werden. Die Nabelschnur wird außen
ausschließlich vom Amnionepithel umgeben. Das Amnionepithel besteht
aus ein- und mehrschichtigen Bereichen. Bei den mehrschichtigen
Arealen handelt es sich meist um lokal begrenzte, glykogenreiche
Amnionepithelwarzen (Plaques), die der Oberfläche einen
zottenartigen Charakter verleihen. Ihre Anzahl steigt im Laufe der
Entwicklung an. Ab einer SSL von 42 cm (6. Monat) scheinen die nun
dicht stehenden Warzen zu fusionieren, so dass nun auch über
größere Strecken mehrschichtige Amnionepithelbereiche auftreten. Im
7. Trächtigkeitsmonat (SSL 53 cm) beginnt das Amnionepithel
stellenweise zu verhornen. Zahlreiche desmosomale Zellverbindungen
und Interdigitationen der Plasmamembranen der Amnionepithelzellen
sprechen für eine hohe mechanische Festigkeit des Amnionepithels.
Die zum Teil erheblich erweiterten Interzellularräume zwischen den
Epithelzellen sowie der hohe Mikrovillibesatz der apikalen
Zellschichten deuten auf Sekretions- und Resorptionsprozesse hin.
Im Gegensatz zu anderen Gefäßen besitzt die Nabelvene des Rindes
eine gut ausgebildete Lamina elastica interna, wohingegen sie in
der Nabelarterie fehlt. Die Muskelzellen der Nabelvene sind weit
voneinander durch Bindegewebe getrennt, wodurch die Diffusion und
der Transport von Nährstoffen erleichtert werden. Beide Gefäße
besitzen Vasa vasorum und bestehen während der ganzen fetalen
Entwicklung aus α-smooth-muscle-Aktin (αSMA) exprimierenden
Muskelzellen. Die bovinen Nabelgefäße sind nicht innerviert. Dies
wurde auch durch das Ergebnis der immunhistologischen Untersuchung
des S100 Proteins bestätigt. Die Ultrastruktur der Endothel- und
glatten Gefäßmuskelzellen der Nabelgefäße gibt Hinweise auf eine
hohe Proteinsyntheseleistung sowie auf einen regen Stofftransport
dieser Zellen. Die bovine WS wird von zahlreichen feinen
Blutgefäßen durchzogen. Sie wird im Laufe der fetalen Entwicklung
zell- und grundsubstanzärmer, jedoch faserreicher. Im Gegensatz zu
der makroskopisch einheitlich erscheinenden WS, stellt sie sich bei
mikroskopischer Betrachtung heterogen dar. Dabei lassen sich der
Bereich um den Urachus, die schwach ausgebildete Adventitia sowie
unter dem Amnionepithel befindliche WS-Bereiche von der restlichen
zentralen WS abgrenzen. Der Eindruck der Heterogenität entsteht
durch den unterschiedlichen Zellgehalt, durch die Ultrastruktur der
Zellen, durch das Verteilungsmuster der Intermediärfilamente und
des αSMA sowie durch das Lektinbindungsmuster und durch die
Reaktionen in der Alcianblau-Färbung. Besonders auffällig ist die
Entstehung einer breiten Schicht αSMA-exprimierender Muskelzellen
in der WS subepithelial unter dem Amnionepithel, wobei ein
sphinkterähnlicher Muskelring gebildet wird. Der Urachus weist
zunächst ein einschichtiges Epithel auf, das im Laufe der
Entwicklung jedoch mehrschichtig wird. Ab einer SSL von 26 cm (4.
Trächtigkeitsmonat) wird er von zirkulär angeordneten Muskelzellen
umgeben. Um das Vorkommen und die Verteilung bestimmter
Zuckergruppen in der bovinen Nabelschnur zu bestimmen, wurde das
Bindungsmuster verschiedener Lektine untersucht. Dabei konnte mit
Con A, WGA, ECA, GSA I, PNA und VVA eine deutliche, mit SBA, UEA I
und LTA jedoch nur eine schwache Reaktion hervorgerufen werden.
Weiterhin ließ sich eine altersabhängige Expression der
Intermediärfilamente Vimentin, Desmin und Pan-Cytokeratin (CK)
beobachten. Dabei konnte der Epithelzellmarker CK in einigen Zellen
der Nabelgefäßwand bis zum 2. Monat (6,5 cm SSL) und in einigen
WS-Zellen bis zum 4. Monat (26 cm SSL) nachgewiesen werden. In den
Gefäßmuskelzellen der bovinen Nabelgefäße werden im Laufe der
Entwicklung alle drei Intermediärfilamenttypen exprimiert, während
in den WS-Zellen, mit Ausnahme der glatten Muskelzellen des
Urachus, Desmin immunhistologisch nicht nachweisbar ist. Da die
bovinen Nabelgefäße nicht innerviert sind, muss der umbilikale
Blutfluss durch andere, nicht-nervale Faktoren reguliert werden.
Dabei sind unter anderem die Anordnung der Gefäßmuskelzellen sowie
die Kontraktionsfähigkeit der Nabelgefäße, die sich in der frühen
Expression von αSMA aller Gefäßmuskelzellen widerspiegelt, von
Bedeutung. Die in den bovinen Nabelgefäßen typische Verteilung der
elastischen Fasern spielt diesbezüglich ebenfalls eine wichtige
Rolle. Zusätzlich ist der umbilikale Blutfluss von der Struktur und
Konsistenz der WS abhängig. Die Zusammensetzung der WS wird dabei
entscheidend durch die die extrazelluläre Matrix produzierenden
WS-Fibrozyten beeinflusst. Eine aktive Beteiligung des
sphinkterähnlichen Muskelrings an der Regulation des Blutflusses
ist sehr wahrscheinlich. Einen weiteren Faktor der
Blutflussregulation stellen vasoaktive Substanzen dar, wobei die
Ultrastruktur der Endothel- und Gefäßmuskelzellen Hinweise auf eine
mögliche lokale Produktion dieser Substanzen in den Nabelgefäßen
gibt. Der Nachweis von bovinem Progesteron-Rezeptor (bPR) in den
Endothelzellen der Nabelgefäße aller untersuchten Feten lässt eine
Beteiligung von Progesteron an der umbilikalen Blutflussregulation
vermuten.

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