Spiegelbildliche Mitbewegungen bei Kindern und Jugendlichen mit infantiler Zerebralparese

Spiegelbildliche Mitbewegungen bei Kindern und Jugendlichen mit infantiler Zerebralparese

Beschreibung

vor 21 Jahren
Spiegelbildliche Mitbewegungen bei Kindern und Jugendlichen mit
infantiler Zerebralparese Spiegelbildliche Mitbewegungen sind
Mitbewegungen homologer Muskelgruppen der Gegenseite bei
einseitigen Willkürbewegungen, die sowohl bei gesunden Individuen,
als auch bei Patienten mit zerebralen Läsionen beobachtet werden.
Spiegelbewegungen gel-ten als Ausdruck von Reorganisationsprozessen
im Zentralnervensystem; über ihre Häufigkeit, Phänomenologie und
ihre Grundlagen ist aber immer noch wenig bekannt. Bei Patienten
mit infantiler Zerebralparese wurden spiegelbildliche Mitbewegungen
mehrfach berichtet. Zur Erklärung werden unter anderem eine durch
die Hirnläsion be-dingte Disinhibition vorbestehender ipsilateral
deszendierender Anteile der motorischen Bahnen diskutiert, ferner
das Aussprossen neuer Bahnen. In der vorliegenden Arbeit wurden 52
Patienten mit infantiler Zerebralparese (weiblich: 13; männlich:
39) im Alter von 6 bis 41 Jahren (davon 11 Patienten mit
Hemiparese, 37 Patienten mit bilateraler, seitenbetonter Schädigung
und 4 Patienten mit Zerebralparese ohne feinmotorisches Defizit)
sowohl klinisch als auch apparativ auf das Vorkommen und die
Phänomenologie von Spiegelbewegungen bei infantiler Zerebralparese
untersucht und mit den Befunden einer Kontrollgruppe verglichen.
Die klinische Prüfung bestand aus vier Aufgaben (sequenzielle
Fingeropposition, Finger schnipsen, Faust öffnen, Finger spreizen
gegen Widerstand); danach wurde apparativ, computergestützt die
maximale Frequenz der Kraftwechsel im Präzisionsgriff zwischen
Daumen und Zeigefinger simultan in beiden Händen aufgezeichnet,
wobei eine Hand willkürliche Kraftwechsel mit höchstmöglicher
Frequenz ausführen sollte, während die andere ruhig gehalten werden
sollte. In der klinischen Untersuchung variierte der
Ausprägungsgrad von Spiegelbewegungen zwischen vollständigem Fehlen
bis hin zur maximal möglichen Ausprägung. Die Spiegel-bewegungen
waren bei 40% der Patienten pathologisch, d.h. stärker ausgeprägt
als das von den altersentsprechenden gesunden Kontrollpersonen
erreichte Maximum. In der apparativen Untersuchung variierten die
Verhältnisse der Kräfte zwischen „Spie-gelhand" und willkürlich
bewegter Hand von Mittelwerten von 0,51% bis hin zu 207% zwischen
den einzelnen Patienten. Gemessen an den Höchstwerten der
altersentspre-chenden Kontrollpersonen war diese Aktivität bei 56%
der Patienten pathologisch. Klinisch traten Spiegelbewegungen eher
bei Willkürbewegung der betroffenen Hand auf, insbesondere bei
Hemiparese. In den experimentellen Untersuchungen fand sich
eben-falls eine ausgeprägte Seitendifferenz bei den Patienten mit
unilateraler Beeinträchtigung. Pathologische Spiegelaktivität fand
sich bei den Patienten mit Hemiparese tendenziell häufiger in der
gesunden Hand (also bei Willkürbewegung der betroffenen Hand), bei
den Patienten mit bilateraler Schädigung eher in der stärker
betroffenen Hand. Eine Korrelation mit dem Schweregrad des
neurologischen Befundes zeigte sich in der klinischen Untersuchung
nicht. In den apparativen Untersuchungen hingegen zeigte sich eine
deutliche Korrelation: pathologische Spiegelaktivität trat umso
häufiger auf, je aus-geprägter das feinmotorische Defizit war. Es
fand sich kein Hinweis für einen Einfluß der Seite der Läsion auf
das Auftreten und den Ausprägungsgrad von Spiegelbewegun-gen.
Zusammenfassend bestätigen die Ergebnisse, daß pathologische
Spiegelbewegungen bei Zerebralparese häufig sind. Eine regelhafte
Beziehung hinsichtlich ihres Ausprägungs-grades oder ihrer
Lokalisation (ipsi-/kontraläsional) war in dieser Untersuchung aber
nicht erkennbar. Zur Erklärung bei Hemiparese kommen insbesondere
die „Disinhibiti-onshypothese" und die „Hypothese der neuen
kortikospinalen Bahnen" in Frage, da sie das Auftreten von
Spiegelbewegungen in der gesunden Hand voraussagen. Eine
Ent-scheidung zwischen den unterschiedlichen
Erklärungsmöglichkeiten ist aber aufgrund des hier verfolgten rein
phänomenologischen Ansatzes nicht möglich. Zudem sind vermut-lich
je nach Zeitpunkt der Hirnschädigung unterschiedliche Mechanismen
für den ätiolo-gisch heterogenen Befund abnormer Spiegelbewegungen
verantwortlich.

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