Die Mediatorfunktion von Bradykinin und Platelet-Activating Factor bei der globalen zerebralen Ischämie

Die Mediatorfunktion von Bradykinin und Platelet-Activating Factor bei der globalen zerebralen Ischämie

Beschreibung

vor 21 Jahren
In der vorliegenden Arbeit sollten Störungen der zerebralen
Mikrozirkulation insbesondere im Hinblick auf die Aktivierung von
Leukozyten-Endothelinteraktionen nach der globalen zerebralen
Ischämie untersucht werden. Darüber hinaus sollte die Rolle der
beiden Mediatoren Platelet-activating factor und Bradykinin bei der
Aktivierung der Leukozyten-Endothelinteraktionen aufgeklärt werden.
Es sollte dabei auch der Einfluss der Mikrozirkulationsstörungen
und der beiden Mediatoren Platelet-activating factor und Bradykinin
auf das neurologische Defizit und den ischämischen Hirnschaden
berücksichtigt werden. Mit untersucht wurde das therapeutische
Potenzial von PAF- und Bradykinin-Rezeptorantagonisten in Hinblick
auf die zerebrale Ischämie. Die globale zerebrale Ischämie mit
einer Dauer von 15 Minuten wurde an 153 mongolischen
Wüstenrennmäusen (Gerbil) durch Verschluss beider Aa. carotides
communes induziert. Vor und bis zu drei Stunden nach der Ischämie
wurden Aufnahmen der oberflächlichen kortikalen Mikrozirkulation
mit der intravitalen Epifluoreszenz-mikroskopie durch ein
transdurales Schädelfenster angefertigt. Die Tiere atmeten spontan
in Halothan-Maskennarkose, der arterielle Blutdruck wurde
kontinuierlich überwacht und die Körpertemperatur mit einer
Heizplatte bei 37,0 ̊C gehalten. Mit dem Fluoreszenzfarbstoff
FITC-Dextran (MG 150 000) wurden die Gefäße kontrastiert, Rhodamin
6 G diente zur in vivo Anfärbung von Leukozyten. Die Analyse der
intravital-mikroskopischen Bilder erfolgte off-line mit einem
Computer-unterstützten Bildverarbeitungssystem. Als Parameter
wurden die Leukozyten-Endothelinteraktionen, die Durchmesser von
Arteriolen und Venolen und die funktionelle Kapillardichte
quantitativ beurteilt. Zusätzlich konnte die zerebrale
mikrovaskuläre Perfusion durch Messung der arterio-venösen
Transitzeit bestimmt werden. Während einer Beobachtungszeit von
vier Tagen wurde täglich das neurologische Defizit mit einem
Neuroscore und danach histomorphologisch der ischämische
Hirnschaden erfasst. Der PAF-Rezeptorantagonist WEB 2170 wurde in
zwei verschiedenen Dosierungen, 2 und 20 mg/kg KG, 15 Minuten vor
Induktion der Ischämie intravenös injiziert. Der Bradykinin
B1-Rezeptorantagonist B 9858, der B2-Rezeptorantagonist CP 0597 und
der kombinierte B1/B2-Rezeptorantagonist B 9430 wurden jeweils als
Bolus von 18 μg/kg KG 15 Minuten vor der Ischämie i.v. injiziert,
gefolgt von einer kontinuierlichen subkutanen Infusion mittels
osmotischer Minipumpe in einer Dosierung von 300 ng/kg/min bis zum
Ende des Versuchs am Tag vier nach der Ischämie. Aus den
Ergebnissen der vorliegenden Arbeit können folgende Schlüsse
gezogen werden: Die postischämische Hypoperfusion, die für die
Reperfusion nach der globalen zerebralen Ischämie charakteristisch
ist, ist weder Folge einer arteriolären Vasokonstriktion noch Folge
des Verschlusses von Kapillaren. Nach dem Ende der Okklusion beider
Aa. carotides communes ist die Perfusion der kortikalen Kapillaren
weitgehend erhalten, das “no-reflow”-Phänomen tritt nach der
globalen zerebralen Ischämie mit einer Dauer von 15 Minuten nicht
auf. Das Rollen von Leukozyten wurde durch den PAF-Antagonisten
nicht beeinflusst. Die Applikation von WEB 2170 mit einer Dosis von
20 mg/kg KG verminderte selektiv die feste Adhärenz von Leukozyten
am venolären Endothel in der frühen Reperfusionsphase nach der
globalen zerebralen Ischämie. Die Vasomotorik und die zerebrale
Durchblutung sind weder unter physiologischen Bedingungen noch
während der Reperfusion nach der globalen Ischämie durch den
Mediator PAF reguliert. Das neurologische Defizit nach der Therapie
mit dem PAF-Antagonisten entspricht dem der Kontrolltiere. Auch der
Untergang selektiv vulnerabler Nervenzellen konnte durch die
Therapie nicht vermindert werden. Bradykinin vermittelt sowohl das
Rollen als auch die feste Adhärenz von Leukozyten am Gefäßendothel.
Die selektive Blockade des B1- oder des B2-Rezeptors reduzierte die
Leukozyten-Endothelinteraktionen im gleichen Ausmaß. Die
kombinierte Blockade beider Bradykininrezeptoren hatte keinen
zusätzlichen hemmenden Effekt. Bei Antagonisierung des B2-Rezeptors
war der Durchmesser pialer Arteriolen während der frühen
Reperfusionsphase um bis zu 27 % reduziert. Daraus lässt sich
schließen, dass die Aktivierung des B2-Rezeptors durch Bradykinin
nach der globalen Ischämie zur arteriolären Vasodilatation führt.
Die Mortalität der Tiere war bei der selektiven Blockade des
B1-Rezeptors und bei der kombinierten Blockade beider Rezeptoren
signifikant erhöht. Dies deutet darauf hin, dass die Aktivierung
des Bradykinin B1-Rezeptors in der Reperfusionsphase nach der
globalen Ischämie neuroprotektiv wirkt. Die zugrunde liegenden
Mechanismen sind noch weitgehend unklar, eine Erklärung kann
derzeit nicht angeboten werden. Die Entzündungsreaktion nach der
globalen zerebralen Ischämie bei der mongolischen Wüstenrennmaus
trägt nicht zur Entwicklung des sekundären Hirnschadens bei, ein
Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der
Leukozyten-Endothelinteraktionen und dem neurologischen Defizit
oder der Überlebensdauer liegt nicht vor. Die Hemmung der
postischämischen Entzündungsreaktion nach der globalen zerebralen
Ischämie (z.B. nach kardiopulmonaler Reanimation) beim Menschen
erscheint daher wenig sinnvoll. Beide in den Experimenten
untersuchten Mediatoren, PAF und Bradykinin, tragen zur Aktivierung
der Leukozyten-Endothelinteraktionen bei. Die Antagonisierung
beider Mediatoren hat eine teilweise Reduzierung, allerdings nicht
eine vollständige Hemmung der Leukozyten-Endothelinteraktionen zur
Folge. Weiterführende Untersuchungen an dem von uns verwendeten
Modell, z.B. mit der Antagonisierung weiterer Mediatoren
(Endothelin, Cytokine) oder der Blockade von Adhäsionsmolekülen
(Selektine, Integrine), sollten die Aufklärung des Wechselspiels
der zahlreichen potenziellen Mechanismen der Aktivierung von
Leukozyten nach der globalen zerebralen Ischämie möglich machen.
Darüber hinaus ist der Vergleich der dargestellten Daten mit
Ergebnissen aus Experimenten mit einer fokalen, länger andauernden
Ischämie wichtig, um die Kenntnisse über die postischämischen
Störungen der Mikrozirkulation erweitern zu können. Erst die
vollständige Klärung der komplexen und multifaktoriellen
pathophysiologischen Prozesse, die bei der zerebralen Ischämie
ablaufen, wird eine effektive Therapie des ischämischen
Hirnschadens möglich machen.

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