Klinischer Stellenwert der Myokardperfusionsszintigraphie und der First-Pass Radionuklidventrikulographie für die Diagnostik der Transplantatvaskulopathie bei Patienten nach orthotoper Herztransplantation

Klinischer Stellenwert der Myokardperfusionsszintigraphie und der First-Pass Radionuklidventrikulographie für die Diagnostik der Transplantatvaskulopathie bei Patienten nach orthotoper Herztransplantation

Beschreibung

vor 22 Jahren
Das Langzeitüberleben für Patienten nach Herztransplantation wird
wesentlich durch die sogenannte Transplantatvaskulopathie (TVP)
limitiert. Die Pathogenese dieser oftmals rapide fortschreitenden
Gefäßerkrankung ist multifaktoriell, neben klassischen
Risikofaktoren der koronaren Herzerkrankung (KHE) sind insbesondere
immunologische Faktoren ausschlaggebend. Die Diagnostik der TVP
gestaltet sich insofern schwierig, als die Patienten wegen der
Denervierung des Herzens im Rahmen des chirurgischen Eingriffes
meist keine typischen pektanginösen Beschwerden als Vorboten
kardialer Ereignisse verspüren. Erstmanifestationen der Erkrankung
sind oft fatal und zeigen sich als kardiale Dekompensation,
Myokardinfarkt oder gar als plötzlicher Herztod. Da mit der
perkutanen transluminalen Koronarangioplastie, der koronaren
Bypass-OP oder der Retransplantation therapeutische Optionen
vorhanden sind, ist die Diagnostik der TVP genauso unverzichtbarer
Bestandteil in der Nachsorge herztransplantierter Patienten wie die
Risikoabschätzung für betroffene Patienten, kardiale Ereignisse zu
entwickeln. Als unverzichtbarer diagnostischer Standard wird in
vielen Zentren die jährlich oder halbjährlich durchgeführte
selektive Koronarangiographie angesehen. In den letzten Jahren
wurden jedoch mehr und mehr nicht-invasive Methoden wie
Dobutaminstreßechokardiographie, Myokard-Perfusions-Szintigraphie
(MPS) oder First-Pass Radionuklidventrikulographie (FP-RNV) in den
TVP-Screeningalgorythmus integriert. Studien, die bisher den
Stellenwert der MPS in der Nachsorge herztransplantierter Patienten
untersucht haben, taten dies, indem sie die MPS mit der
Koronarangiographie verglichen, was als zumindest problematisch
anzusehen ist, wenn man bedenkt, daß dieses invasive Verfahren
selbst Limitationen insbesondere in der Diagnostik komplexer
mikroangiopathischer und intramuraler Gefäßveränderungen, die das
Krankheitsbild der TVP hervorrufen kann, aufweist. Unbefriedigende
Ergebnisse für die diagnostische Treffischerheit der MPS waren die
Folge, weitere Gründe für das schlechte Abschneiden der MPS in der
TVP-Diagnostik waren in den variablen Studienprotokollen dieser
Arbeiten zu finden. Die Art der Myokardbelastung, ein
entscheidender methodischer Faktor um eine hämodynamisch relevante
Koronarstenose mit der MPS identifizieren zu können, oder die Wahl
des Radiopharmakons sind als suboptimal einzustufen, neuere
technische Möglichkeiten wie die patientenspezifische
Schwächungskorrektur wurden nicht zur Beurteilung der
Myokardszintigramme herangezogen. Ziel der vorliegenden Arbeit war
es, Myokard-Perfusions-SPECT und First-Pass
Radionuklidventrikulographie einerseits mit den Ergebnissen der
Koronarangiographie zu vergleichen, andererseits deren Potenz in
der Prädiktion kardialer Ereignisse während eines typischen
Nachsorgeintervalls von 12 Monaten zu testen. Dafür stand ein
Patientenkollektiv zur Verfügung, das sich aus 77 Patienten (60
Männer und 17 Frauen), zum Zeitpunkt der Untersuchung im Mittel 53
± 11,4 Jahre alt, zusammensetzte. Der Untersuchungszeitpunkt betrug
durchschnittlich 7,4 ± 3,5 Jahre nach HTX, im Beobachtungszeitraum
von 34 Monaten traten insgesamt 16 kardiale Ereignisse, definiert
als Tod kardialer Ursache, Myokardinfarkt, kardiale Dekompensation
und Intervention, bei 10 Patienten auf. Die
Myokard-Perfusions-Szintigraphie mit Dobutamin als Belastungsagens
zeigte bei rein visueller Auswertung im Hinblick auf das Eintreten
eines kardialen Ereignisses eine Sensitivität von 90% und einen
negativ prädiktiven Wert von 98%. Unter Zuhilfenahme
semiquantitativ-visueller Parameter konnte bei gleicher
Sensitivität die Spezifität von 72% auf 84% gesteigert werden. Hier
erwies sich der sogenannte Summed Stress Score (SSS), welcher die
Schwere und das Ausmaß von Perfusionsdefekten der einzelnen
Myokardsegmente unter Belastung repräsentiert, in der ROC-Analyse
als besonders nützlich. Als geeigneter Schwellenwert zur Selektion
von Patienten, die gefährdet waren, in den folgenden 12 Monaten ein
kardiales Ereignis zu entwickeln, konnte mittels ROC-Analyse ein
SSS ≥ 4 ermittelt werden. Dieser Wert liegt in der gleichen
Größenordnung wie der von Hachamovitch et al. an einem großen
Kollektiv von KHE-Patienten bestimmten SSS ≥ 5. Eine Korrelation
von patientenspezifischen Parametern wie Alter der Patienten und
Zeitpunkt nach Herztransplantation wurde nicht gefunden, wohl aber
signifikant höhere SSS-Werte bei weiblichen im Vergleich zu
männlichen Patienten (p=0,03). Weitere untersuchte Parameter wie
Summed Rest Score oder Summed Difference Score erbrachten keinen
diagnostischen Zugewinn. Sowohl die qualitative als auch die
semiquantitativ-visuelle Auswertemethode zeigten eine geringe
Interobserver-Variabilität mit Kappawerten von 0,66 respektive
0,74, so daß man von gut reproduzierbaren Ergebnissen auch
verschiedener Befunder ausgehen kann. Der Vergleich der
Myokard-Perfusions-Szintigraphie mit den Ergebnissen der
Koronarangiographie in der Detektion von epikardialen Gefäßstenosen
erbrachte für Koronarstenosen ≥ 50% eine Sensitivität von 82% und
eine Spezifität von 87%, für Koronarstenosen ≥ 75% eine
Sensitivität von 100% bei einer Spezifität von 78%. Neben der
Myokardperfusion ließ sich auch die linksventrikuläre
Ejektionsfraktion (LVEF), in der vorliegenden Arbeit bestimmt durch
die First-Pass Radionuklidventrikulographie, für wichtige
prognostische Aussagen hinsichtlich des Auftretens kardialer
Ereignisse heranziehen. Die Ergebnisse von 60 First-Pass
Radionuklidventrikulographien – eine Untersuchung pro Patient –
wurden mit den Ergebnissen der Koronarangiographie verglichen und
mit den kardialen Ereignissen (bei den 60 Patienten, die diese
Untersuchung erhielten, waren es nur vier) korreliert. Dabei zeigte
sich sowohl die Belastungs- als auch die Ruhe-Untersuchung bei
einem Schwellenwert für die LVEF von 55% mit jeweils 100% sehr
sensitiv, eine höhere Spezifität erreichte mit 93% jedoch die
Belastungsuntersuchung gegenüber der Ruhestudie mit 82%. Die
geringe Zahl an kardialen Ereignissen kann jedoch lediglich Trends
und keine statistisch validen Aussagen liefern. Auch im Vergleich
der First-Pass Radionuklidventrikulographie mit der
Koronarangiographie konnten sowohl für Koronarstenosen ≥ 50% als
auch ≥ 75% Maximalwerte für Belastungs- und Ruhe-LVEF von 100% für
die Sensitivität des Verfahrens gefunden werden. Die Spezifitäten
ergaben bei Belastung Werte von 63% und 56% in Ruhe sowie von 88%
und 78% bei Belastung. Aufgrund der besseren Spezifität sollte
daher der Bestimmung der LVEF unter Belastungsbedingungen der
Vorzug gegeben werden. Im Rahmen dieser Studie wurde auch die
Koronarangiographie auf ihr Potential bezüglich der Prädiktion
kardialer Ereignisse geprüft und erzielte bei einem Schwellenwert
für Koronarstenosen ≥ 50% mit MPS und FP-RNV vergleichbare Werte,
90% für die Sensitivität, 98% für die Spezifität sowie 98% für den
negativ prädiktiven Wert. Sowohl Myokard-Perfusions-Szintigraphie
als auch First-Pass Radionuklidventrikulographie erwiesen sich in
der vorliegenden Arbeit als geeignete Screeningverfahren, um
kardiale Komplikationen im Rahmen der TVP durch
präventiv-therapeutische Eingriffe zu vermeiden.
Semiquantitativ-visuelle Auswertemethoden zeigen sich gegenüber der
qualitativen Diagnostik bei gleicher Sensitivität spezifischer,
optional könnten semiquantitative, computergestützte
Auswertealgorhythmen in Zukunft für eine weitere Verbesserung der
Ergebnisse hilfreich sein. Dobutamin als Agens für die
Myokard-belastung scheint bei herztransplantierten Patienten der
ergometrischen oder anderen medikamentösen Belastungsformen
überlegen zu sein und zeigte eine geringe Komplikationsrate. Für
die Zukunft müssen Nachsorgeschemata herztransplantierter Patienten
gefunden werden, die zum einen ein hohes Maß an prognostischer
Sicherheit liefern, zum anderen aber auch – ohne Einbuße an
Qualität – als kostengünstig und wenig invasiv anzusehen sind. Die
Koronarangiographie und damit auch der intravaskuläre Ultraschall
zeigen sich hier aufgrund ihrer Invasivität und ihres begrenzt
möglichen Einsatzes bei den oftmals niereninsuffizienten
herztransplantierten Patienten nachteilig gegenüber nicht-invasiven
Verfahren wie Myokard-Perfusions-Szintigraphie, First-Pass
Radionuklidventrikulographie oder
Dobutamin-Stressechokardiographie. Ob moderne
Untersuchungsverfahren wie die EKG-getriggerte Myokard-SPECT,
welche sowohl Aussagen über die Myokardperfusion als auch zu LVEF
und Wandbewegung des linken Ventrikels liefern kann, oder die
funktionelle Kernspintomographie einen Beitrag leisten können, wird
sich in den nächsten Jehren erweisen. Welches Nachsorgekonzept an
den einzelnen Transplantationszentren letztlich angewandt wird, ist
von der jeweiligen Verfügbarkeit der Methoden abhängig. Die
prognostische Wertigkeit gerade auch der nicht-invasiven Verfahren
sollte jedoch in künftige Überlegungen einfließen, um den
herztransplantierten Patienten ein sicheres Nachsorgekonzept bei
möglichst hoher Lebensqualität bieten zu können.

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15
:
: