Analyse und Modellierung vestibulärer Information in den tiefen Kleinhirnkernen

Analyse und Modellierung vestibulärer Information in den tiefen Kleinhirnkernen

Beschreibung

vor 22 Jahren
Das Ziel dieser Studie ist es, die Rolle des Kleinhirns bei der
Verarbeitung vestibul ärer Signale besser zu verstehen.
Entsprechend wurden in dem Experiment, auf welchem diese Arbeit
aufbaut, Einzelzellableitungen rein vestibulärer Neurone im
rostralen Nucleus fastigii von Affen (Macaca mulatta) durchgeführt.
Die Affen wurden in einer Schaukelvorrichtung bei verschiedenen
Frequenzen (0.06 - 1.4 Hz) und Orientierungen in vertikalen Ebenen
einer sinusförmig vestibulären, passiven Stimulation unterzogen.
Innerhalb einer Messung wurde hierbei die Stimulusfrequenz konstant
gehalten, während die Stimulusorientierung langsam um 180 Grad
gedreht wurde. In einem ersten Schritt wurden die 195 Messungen aus
28 Neuronen systemtheoretisch vorverarbeitet. Hierzu wurde
hergeleitet, wie das Antwortsignal einer Messung bei dem gegebenen
Stimulus unter der Annahme linearer spatio-temporaler Konvergenz,
d.h. Konvergenz peripherer vestibulärer Afferenzen mit
unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Eigenschaften, aussehen
sollte. Mit der so erhaltenen Gleichung wurden die gemessenen
neuronalen Entladungsraten gefittet. Es konnte dabei gezeigt
werden, dass sich ein Großteil der Messungen gut fitten lässt. Die
Neurone verhalten sich somit bei konstanter Stimulusfrequenz im
allgemeinen wie lineare STC-Neurone. In Übereinstimmung mit Siebold
et al. (1999) konnten dabei einige komplexe Eigenschaften der
Neurone beobachtet werden. In vielen Messungen gibt es keine
Stimulusorientierung, bei welcher der Gain verschwindet. Die
Phasendifferenz zwischen Entladungsrate und Stimulus ändert sich
hierbei langsam aber stetig mit der Stimulusorientierung. Bei
einigen Neuronen konnte auch eine starke Abhängigkeit der
Vorzugsorientierung von der Stimulusfrequenz beobachtet werden. Des
weiteren ist die Phase in Richtung der Vorzugsorientierung oft
stark frequenzabhängig. Darüber hinaus konnte mit dieser
Fitprozedur zum ersten Mal gezeigt werden, dass der FN vermutlich
einen Eingang aus dem Sakkulus erhält. Da der Sakkulus jedoch bei
den verwendeten kleinen Stimulusamplituden nur wenig stimuliert
wird, sollte dieses Ergebnis in zukünftigen Experimenten bei
größeren Stimulusamplituden überprüft werden. Im Folgenden wurden
10 Messungen bei den Frequenzen 0.06 Hz und 0.1 Hz mit einem
schlechten Signal-Rausch Verhältnis (geringer dynamischer Input,
wenig Stimulusperioden) herausgenommen, so dass sich die Gesamtzahl
der Messungen auf 185 reduzierte. Im nächsten Verarbeitungsschritt
konnte gezeigt werden, dass sich die neuronalen Entladungsraten von
22 der 28 Neurone durch eine lineare Summation der Signale aus den
Bogengängen und Otolithen fitten lassen. Die Qualität der Fits war
bei den meisten Neuronen nur dann gut, wenn von einem Bogengangs-
und zwei Otolitheneingängen, einem regulären und einem irregulären,
ausgegangen wurde. Die Verwendung von nur einem Otolitheneingang
führte im allgemeinen zu schlechten Fitergebnissen. Hierbei war es
egal, welcher Art der Otolitheneingang - regulär, irregulär oder
eine Mischung beider Typen - war. Die so berechneten
Vorzugsorientierungen der Eingänge zeigten im allgemeinen entweder
in etwa in die gleiche (Kanal- und reguläre Otolithenafferenz) oder
entgegengesetzte (irregul äre Otolithenafferenz) Richtung.
Hierdurch wurde eine mögliche Erklärung für das Zustandekommen der
obigen, bis dahin unverstandenen komplexen Eigenschaften gewonnen.
Unter der Annahme einer einfach gestalteten, zentralen, linearen
Nachverarbeitung konnten noch vier weitere Neurone gefittet werden.
Im Folgenden konnte eine relativ einfache systemtheoretische
Beschreibung der Neurone durch zwei senkrecht aufeinanderstehende
Transferfunktionen mit je fünf Parametern gefunden werden. 25 der
28 Neurone des FN können hierdurch im gesamten Frequenz- und
Orientierungsbereich als lineare STC-Neurone beschrieben werden. Im
letzten Teil der Arbeit konnte in einer Computersimulation gezeigt
werden, dass bereits eine lineare Summation der Signale aus den
Bogengängen und Otolithen genügt, um ein simuliertes
zweidimensionales Pendel aufrecht zu halten, d.h. seine subjektive
Vertikale zu bestimmen. Das sich im Gravitationsfeld befindliche
Pendel besitzt in seinem Kopf (oberes Ende) simulierte Bogengänge
und Otolithen. Diese geben ihre Signale direkt an simulierte
Muskeln an seinem unteren Ende weiter. Diese einfache Rückkopplung
genügt bereits, um dem simulierten Pendel im Gravitationsfeld die
aufrechte Haltung zu ermöglichen und Störungen in Form von äußeren
Kräften entgegenzuwirken.

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