Rezension: Ghostpoet – Shedding Skin

Rezension: Ghostpoet – Shedding Skin

Mit „Shedding Skin“ entlässt der Rapper sein drittes Album in die Öffentlichkeit. Das Ergebnis ist gut und doch nicht befriedigend. Eine Rezension von Maresch Bär.
3 Minuten
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Campusradio Hannover: Laut. Leise. Läuft.

Beschreibung

vor 9 Jahren
Nach seinem Debütalbum konnte es für Ghostpoet nur noch bergab
gehen. Denn zumindest was Album-Titel angeht, legte der britische
Musiker die Messlatte mit „Peanut Butter Blues & Melancholy
Jam“ extrem hoch. Musikalisch hingegen – und darum geht’s ja
schließlich – kann von einer Talfahrt kaum die Rede sein. Ghostpoet
entwickelt sich konsequent weiter, ohne dabei wirklich zu
überraschen. Denn von sich selbst angelegten Genre-Fesseln fehlt
auch auf seinem inzwischen dritten Longplayer weiterhin jede Spur.
Vor vier Jahren trat Ghostpoet, bürgerlich Obaro Ejimiwe, mit
seinem ersten Album in Erscheinung und wurde noch im selben Jahr
für den begehrten Mercury Prize nominiert. Trotz seines
beachtlichen Erfolgs, der sich mit dem wohlwollend aufgenommenen
Nachfolger „Some Say I So I Say Light“ fortsetzte, blieb ihm der
Riesen-Hype erspart. Das gab dem Briten die Möglichkeit, mit einer
organischen Entwicklung an seinem einzigartige Stil zu feilen –
frei von Zwängen und überhöhten Erwartungen. Mit seiner ersten
Single-Veröffentlichung „Cash and Carry Me Home“ machte es einem
Ejimiwe noch verhältnismäßig leicht, von der Schublade „Hip Hop“
Gebrauch zu machen. Heute scheitert jeder Versuch, Ghostpoets Musik
irgendeinem Genre auch nur ansatzweise treffend zuzuordnen. Zu
vielfältig sind die Einflüsse aus Rap, Alternative Rock, Soul, Jazz
und Pop. Und zu einzigartig ist das, was letztlich daraus entsteht.
Auf „Shedding Skin“ erwartet den Hörer ein entschleunigter
Sprechgesang irgendwo zwischen Rap und Spoken Word, eingebettet in
düster-melancholische Klangkulissen. Im Gegensatz zu den
zurückliegenden Laptop-Produktionen wurde das dritte Werk komplett
mit Live-Band eingespielt. Was bleibt, ist die unverkennbare,
dahinmurmelnde Stimme, die von alltägliche Geschichten erzählt.
Ghostpoet emanzipiert sich dabei von seiner eigenen beschränkten
Perspektive, wenn er etwa auf dem Titeltrack in die Rolle eines
Obdachlosen schlüpft, die für Millionen von Individuen stehen
könnte. Was die Instrumentalisierung betrifft, fährt Obaro Ejimiwe
auf „Shedding Skin“ schwere Geschützen auf: Zu mechanischen Drums,
die für sich genommen schon ein Album wert wären, gesellen sich
Gitarren in einer schier endlosen Bandbreite – mal im Stile von
Ambient-Produktionen sanft, flächig und hallend, mal bis aufs
Äußerste verzerrt. Hier und da noch ein Synthie und dann kommt aus
dem Nichts eine Orgel dazu. Auf Albumlänge hinterlassen die
eintönige Stimme Ejimiwes und die teilweise abstrakten Arrangements
ein gewisses Unwohlsein, das den Hörer fragend zurücklässt. Die
einzelnen Songs sind dabei überraschend eingängig aber niemals
gefällig. „Getting older, sometimes wiser, could be happier, going
somewhere“ heißt es in der Twitter-Bio von Ghostpoet – neun Wörter,
die das zugrunde liegende Mindset seiner Kunst perfekt umschreiben.
Sie steht für eine Entwicklung, die aus der Unruhe, aus einem
Mangel heraus entsteht. Und auch wenn es jedem Schüler paradox
erscheinen mag: „Shedding Skin“ ist gut. Aber nicht befriedigend.

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