Bedroht der Kampf um Gleichberechtigung die Meinungsfreiheit? – mit Chenoa North-Harder und René Pfister

Bedroht der Kampf um Gleichberechtigung die Meinungsfreiheit? – mit Chenoa North-Harder und René Pfister

45 Minuten

Beschreibung

vor 10 Monaten

Mit der deutschen Afro-Amerikanerin Chenoa North-Harder, die an
der Schauspielhochschule in Babelsberg studiert, und René
Pfister, USA-Korrespondent des SPIEGELs und Verfasser des
Bestsellers „Ein falsches Wort“ diskutiere ich, wie im Kampf
gegen Diskriminierung liberale Grundsätze verletzt werden
können.

Ihre eigene Diskriminierung erlebte North-Harder als
Identitätskrise: „Für mich war es vor allem in jungen Jahren sehr
schwer in Deutschland, weil ich nie dazugehört habe als Kind.(..)
Dass die Grundannahme von jedem, der mit mir redet, immer ist,
dass ich nicht Deutsche bin, ist einfach verletzend“.

Bedeutet Diskriminierung, dass die privilegierten alten weissen
Männer diese Diskriminierung gar nicht verstehen können und sich
deshalb gar nicht dazu äussern sollen und dürfen? North-Harder
hält das für Humbug, denn „durch eure Sichtweisen, könnte ich
versuchen zu verstehen, wie es dazu kommt, dass ich erlebe, was
ich erlebe (..). Das einzig Wichtige ist aber, dass man verstehen
muss, dass man diesen Schmerz nicht nachvollziehen kann, vor
allem den systematischen Schmerz, der sich über Generationen
zieht“.

Soll die  Gleichberechtigung verordnet werden, zB durch das
Gendern  in öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und
TV-Anstalten, in Zeitungen oder für staatliche Dokumente? 
„Wieso denn nicht?“, findet North-Harder, „Ist es so anstrengend
zu gendern und dadurch Menschen mit einzuschliessen, die sich
sonst ausgeschlossen fühlen und dadurch verletzt sind?“ - Pfister
ist zwar für die Nennung beider Geschlechter – „Lehrer und
Lehrerinnen“ - , aber gegen den Genderstern, weil die Leute es
nicht wollen und das Gendern eine politische Verortung sei und in
der Sprache einer akademischen Elite viele Leute ausschließe.
 

Was macht man mit der historisch belasteten Erbschaft, wie geht
man in Berlin mit der Mohrenstrasse um? Pfister findet, dass man
im öffentlichen Raum keine Namen mit klarer rassistischer
Konnotation behalten solle, wenn dazu unter den Betroffenen
Konsens bestehe.  Dagegen North-Harder: „Strassennamen
sollten auf gar keinen Fall geändert werden, das ist Teil der
Geschichte Deutschlands. (..) Es wäre schade, so eine Geschichte
einfach verschwinden zu lassen, wenn sie doch so viel darüber
aussagt, was passiert ist. Ich fände es viel interessanter, mit
einem Schild  zu sagen ‚Kuck mal, diese Strasse wurde so
benannt‘ oder ‚diese Statue wurde für einen Sklaventreiber
aufgestellt‘.“ 

Kulturelle Aneignung: Darf ein Weißer Othello spielen oder eine
afrikanische Frisur tragen? „Warum nicht?“, sagt North-Harder,
aber “wenn sich das zB in die Modebranche reinträgt, wenn ich
eine Vogue sehe und da ist jemand mit einer traditionellen
Haartracht oder Kleidung aus Ghana und diese Person ist aber
weiss, dann finde ich es problematisch.“

Das Kernargument seines Buches ist für Pfister, dass „nicht nur
in den USA sondern auch in Europa ungefähr die Hälfte der
Menschen sagen, sie können nicht mehr offen darüber reden, was
sie denken, nicht mehr offen ihre Meinung sagen.(..) Und was man
in Amerika über die letzten 15-20 Jahren erlebt hat, ist, dass
aus einer berechtigten Frustration darüber, dass
Gleichberechtigung nicht da ist, versucht wurde, den liberalen
Rechtsstaat und die Prinzipien der Meinungsfreiheit zumindest zu
hinterfragen.", und das sei gefährlich. "Und was wir im Moment in
Amerika sehen, ist, dass die Rechte damit beginnt, ihre
staatliche Macht dafür einzusetzen, um das, was sie auf der
anderen Seite für falsch hält, richtig zu bekämpfen“.

North-Harder: „Es gab schon immer Menschen, die Angst davor
hatten, ihre Meinung zu äussern und dass sie dann diskriminiert
wurden. Ich glaube, das Problem ist jetzt, dass die Menschen, die
das immer durften, ohne dafür belangt zu werden, (..) jetzt halt
erfahren, dass es diesen Umschwung gibt und dass jetzt diese
Menschen sich selbst in ihrer Meinungsäußerung bedroht fühlen.“

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