„Gazakrieg und Antisemitismus: Kann Solidarität nur einseitig sein, mit Israel oder mit palästinensischen Opfern?“ – mit Felix Klein und Jouanna Hassoun

„Gazakrieg und Antisemitismus: Kann Solidarität nur einseitig sein, mit Israel oder mit palästinensischen Opfern?“ – mit Felix Klein und Jouanna Hassoun

44 Minuten

Beschreibung

vor 5 Monaten

Jouanna Hassoun, Deutsch-Palästinenserin und Leiterin der
gemeinnützigen Vereins Transaidancy, konnte am 7.Oktober zuerst
„gar nicht verstehen, was genau passiert ist“. Sie ist in einem
palästinensischen Flüchtlingslager mit der persönlichen Erfahrung
von Krieg und Repression aufgewachsen. „Von daher weiss ich, was
es bedeutet Krieg zu erleben (..) und ich weiss, Gewalt und Hass
ist keine Lösung“. Auch Felix Klein, der
Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung, konnte die
Nachrichten „am Anfang gar nicht glauben. (..) Mit dem Nimbus der
Unbesiegbarkeit der israelischen Armee (..) kann das doch nicht
so katastrophal funktioniert haben“. Seither hätten die
antisemitischen Straftaten stark zugenommen; er sei erschüttert,
„dass jüdische Familien jetzt verunsichert sind und ihre Kinder
nicht in den Kindergarten schicken (..) und dass auf der anderen
Seite jetzt ein Generalverdacht auf Muslime und insbesondere auf
Palästinenser niederprasselt (..). Die Heftigkeit, mit der das
passiert ist, und auch die Schnelligkeit (..) sind wirklich
dramatisch“

„Antisemitismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem“, so
Hassoun. (..) Die Frage ist auch, geht es um palästinensische
Menschen, die aufgrund ihres Schicksals (..) eine Art Trauma
haben, dann haben sie auch einen anderen Umgang verdient in Bezug
auf Kritik“. Hassoun ist besorgt, „dass vor allem
palästinensische Menschen kriminalisiert werden, wenn sie sich
mit ihren palästinensischen Geschwistern solidarisieren. (..)
Allerdings, wenn Straftaten begangen werden, wenn jüdische
Menschen bedroht werden, (..) dann müssen wir ganz klar
handeln."

„Der Antisemitismus“, so Klein, „hat viele Quellen (…), das
speist sich alles aus dem, was schon da war: den 15-20% der
Menschen in Deutschland, die judenfeindliche Ansichten haben.
(..) Es gibt jetzt die Gelegenheit, das auszuleben und die
sozialen Medien sind ein Brandbeschleuniger“. Er sei aber
zuversichtlich, weil „das Gesetz über die digitalen Dienste
endlich ein Mittel (werde), auch repressiv  vorzugehen, um
das strafbar zu machen im Internet, was auch im normalen Leben
strafbar ist, (..) was Beleidigungen oder Holocaust-Leugnung
angeht."

Hassoun erzählt von ihren Erfahrungen, wenn sie zusammen mit
einem jüdischen Mitstreiter in Berliner Schulen Aufklärung
betreibt: „Die jungen Menschen haben Wut, sie haben Angst, sie
haben Schmerz, wir haben unglaublich viele betroffene Menschen.
(..) jüdische und palästinensische Menschen sind eher bereit,
miteinander ins Gespräch zu kommen und den Schmerz des anderen
anzuerkennen. Das habe ich in fast 40 Trialogen mit meinem
Kollegen erlebt . (..) Das Problem haben wir bei den Ideologen,
die hoch politisiert sind und uns beiden die Identität
absprechen, entweder das Existenzrecht von Israel oder das
Existenzrecht von Palästinensern. Und da kommen die Social Media
ins Spiel.“ 

„Die Situation für uns palästinensische und muslimische Menschen
in Deutschland ist teilweise emotional so unerträglich, dass
viele Menschen (..) sagen: Ich weiss gar nicht, ob ich mich hier
willkommen fühle und ob ich noch hierbleiben möchte, weil ich
mich mit meiner Identität nicht gesehen fühle. (..) Solange der
Krieg tobt, solange so viele Menschen sterben, solange die
Geiseln noch in den Händen der Hamas sind, werden wir (..) keinen
Frieden haben, wir werden auch nicht konstruktiv diskutieren
können. (..) Das Einzige, was wir machen können, ist zuzuhören,
versuchen, die Wut zu verstehen und versuchen, die Menschen
einzufangen.“

„Wenn wir von der Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel
sprechen“, wünscht sich Hassoun zum Schluss, „dass wir diese
Verantwortung erweitern auf die palästinensischen Menschen, die
sekundär auch von der Shoa, vom Holocoust betroffen sind, (..)
weil sie ihre Heimat verloren haben, dass Deutschland seine
Verantwortung auch ihnen gegenüber wahrnimmt.“  Dazu
anerkennt Klein „eine besondere Rolle Deutschlands in diesem
Konflikt eine positive Rolle.

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