Beschreibung

vor 17 Jahren
Gegenstand dieser Arbeit ist die Neubetrachtung und Weiterführung
des bisher vor allem unter dem Namen 'Grundwortschatz' bekannten
lexikographischen Konzeptes zentraler Wortschätze. Dieses Konzept
hat im Bereich der Didaktik des Deutschen bereits eine lange
Tradition; dort wird es verwendet, um spezielle reduzierte
Wortschätze für den Erst- und Zweitsprachenerwerb zu erstellen. Mit
Hilfe dieser Wortschätze soll der Spracherwerb effektiver gestaltet
werden, indem der Lernende mit den zentralsten Einheiten des
Wortschatzes zuerst konfrontiert wird. Diese Versuche sind wegen
des Mangels an objektiven Kriterien dafür, welche Einheiten des
Wortschatzes zentral sind und wie eine Selektion für einen
Grundwortschatz aussehen könnte, immer kontrovers diskutiert
worden. Auch in der Sprachverwandtschaftsforschung hat man das
Konzept zentraler Wortschatzelemente diskutiert, wenn man etwa im
Rahmen der Glottochronologie bzw. Lexikostatistik versuchte, die
verwandtschaftliche Nähe zweier Sprachen zueinander festzustellen,
indem man vergleicht, wie eine vorab definierte Liste zentraler
Begriffe in den einzelnen Sprachen realisiert wird. Darüberhinaus
wird in der allgemeinen linguistischen Forschung immer wieder die
Frage diskutiert, ob es so etwas wie ein absolutes Zentrum des
Wortschatzes einer Sprache überhaupt gibt und wie dieses definiert
sein könnte. In der Computerlinguistik schließlich findet das
Konzept zentraler Wortschätze ebenfalls Anwendung, wenn auch bisher
nur implizit und ohne direkten Bezug zu den entsprechenden
praktischen Anwendungen in der Sprachdidaktik; so etwa in den
sogenannten Stopwortlisten des Information Retrieval oder in den
Neutralwortschätzen der maschinellen Klassifikation von Texten. Das
Konzept zentraler Wortschätze wird also in verschiedenen Bereichen
der angewandten Linguistik aktiv eingesetzt. Explizit diskutiert
worden ist es bisher aber fast nur von Sprachdidaktikern und
Lexikographen. Lexikologen, theoretisch orientierte Linguisten und
Computerlinguisten haben sich bisher kaum oder nur am Rande dazu
geäußert. Was fehlt, ist eine Betrachtung des Konzeptes von einem
weiter gefassten, anwendungsübergreifenden Standpunkt aus. Die
bisherigen Diskussionsbeiträge bestehen zu einem großen Teil aus
der Erarbeitung konkreter Grundwortschätze für verschiedene
sprachdidaktische Anwendungen und aus kritischen Beurteilungen
dieser Versuche. Die wenigen Arbeiten, die sich diesem Konzept von
einem theoretisch-methodischen Winkel her nähern, tun dies fast
ausschließlich im Hinblick auf den konkreten Bereich der
Sprachdidaktik, indem sie etwa konkrete (sprachdidaktisch
orientierte) Grundwortschätze analysieren und anhand dieser
Ergebnisse spezifische Fragen der Sprachdidaktik diskutieren.
Grundlegende methodische und lexikologische Fragen werden entweder
im Lichte der Sprachdidaktik besprochen oder vernachlässigt. So
fehlt etwa die explizite Einbindung von Erkenntnissen der
Lexikologie zur Makrostruktur des Wortschatzes, die
Zusammenstellung der verschiedenen konkreten Anwendungen in
Sprachdidaktik und Computerlinguistik unter einem konzeptuellen
Dach, die Etablierung einer konsistenten Terminologie oder eine
konkrete Wortschatzanalyse zur Beantwortung lexikologischer Fragen
unabhängig von einer praktischen Anwendung. Das Fehlen einer
solchen übergreifenden Betrachtung ist zwar nachvollziehbar, weil
das Konzept zentraler Wortschätze zunächst aus einer praktischen
Notwendigkeit heraus in verschiedenen Bereichen entstanden ist;
theoretisch-methodische Überlegungen, die über die einzelne
praktische Anwendung hinausgehen, mussten dabei vorläufig in den
Hintergrund rücken. Dennoch ist eine solch übergreifende
Betrachtung nötig, um die Arbeit an zentralen Wortschätzen stärker
lexikologisch zu verankern und Synergien zwischen den verschiedenen
Anwendungsbereichen zu erzielen. Dazu soll die vorliegende Arbeit
einen Beitrag leisten.

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