Synthese des ABCD-Ringsystems und absolute Stereochemie des Pyrrol-Imidazol-Alkaloids Palau'amin aus dem Meeresschwamm Stylotella aurantium

Synthese des ABCD-Ringsystems und absolute Stereochemie des Pyrrol-Imidazol-Alkaloids Palau'amin aus dem Meeresschwamm Stylotella aurantium

Beschreibung

vor 20 Jahren
Die Pyrrol-Imidazol-Alkaloide bilden eine Familie von etwa 90
Naturstoffen, die ausschliesslich aus Meeresschwämmen isoliert
worden sind. Eine wichtige Untergruppe bilden die cyclischen
Monomeren des Oroidins (14). Zu diesen gehört das in Phakellia
mauritiana gefundene, cytotoxische Dibromphakellstatin (20),
welches eine grosse Herausforderung an den Synthetiker
repräsentiert. Die Struktur weist ein gespanntes tetracyclisches
System mit benachbarten tertiären und quaternären stereogenen
Zentren auf, an die jeweils zwei Stickstoff-Atome gebunden sind.
Besondere Bedeutung gewinnt das ABCD-System als Teilstruktur des
immunsuppressiven Naturstoffs Palau'amin (29), dessen absolute
Stereochemie vor den Resultaten dieser Dissertation noch immer
unbekannt war und dessen Synthese z. B. von Overman et al.
erforscht wird. · Stufenarmer Zugang zum Grundgerüst von
Dibromphakellstatin (20) Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein
neuartiger, unabhängiger Zugang zu an einem Stickstoffatom noch
geschütztem Dibromphakellstatin (20) entwickelt. Ausgehend von
L-Prolinol (63) wurde als einziges Diastereomer das dibromierte
N,O-Halbacetal 87, welches das tricyclische Grundgerüst von
Dibromphakellstatin (20) aufweist, in zwei Stufen synthetisiert.
Nach Eliminierung von Wasser wurde das unsymmetrische
Dipyrrolopyrazinon 62 erhalten, dessen Reaktivität gegenüber
Elektrophilen systematisch erforscht wurde. Als Schlüsselschritt
der Synthese erwies sich die neuartige Umsetzung des
Dipyrrolopyrazinons 62 mit N-Tosyloxyethylcarbamat (189) in
Gegenwart von heterogener Base zum tetracyclischen Grundgerüst von
Dibromphakellstatin (20). Reduktion mit Red-Al lieferte das
N-monogeschützte Monobromphakellstatin 224. Das N,O-Halbacetal 87
lieferte das bisher erste Beispiel diastereomerer
MTPA-("Mosher")-Ester, deren Konformation im Kristall für beide
Fälle erfaßt werden konnte. Nur der (R)-MTPA-Ester 92 nimmt die
allgemein angenommene Vorzugskonformation ein, die in vielen Fällen
der Aufklärung der absoluten Stereochemie sekundärer Alkohole
zugrunde liegt. · Umsetzungen des Dipyrrolopyrazinons 62 mit
Stickstoff-Elektrophilen In mehreren der gefundenen Reaktionen der
Acyl-Enamid-Teilstruktur wird zunächst deren Nukleophile der
b-Position (C-10) und nachfolgend die resultierende Elektrophilie
eines Acyliminiumions (C-10a) genutzt. Es wurde z. B. beobachtet,
dass direkt das Vinylcarbamat 190 erhalten werden kann, welches
sich im Mikrowellen-Reaktor leicht in den chiralen Vinylharnstoff
210 überführen ließ. Aufgrund der viel größeren Spannung des
ABCD-Ringsystems ließ sich 210 allerdings unter keinerlei
Bedingungen cyclisieren. Ähnlich reagierte das Atkinson-Reagenz
159, wobei allerdings der Eintritt eines externen Nukleophils in
die Position C-10a folgte. Interessanterweise konnte ausgehend vom
Hydrazin 165 unter basischen Bedingungen und Eliminierung von
Essigsäure eine Ringverengung zum Dipyrroloimidazolinon 176
erreicht werden, welches einem bisher nicht beobachteten Modus der
Cyclisierung von "Prä-Oroidin" (18), einer mutmaßlichen
Biosynthese-Vorstufe von Oroidin, entspräche. Die
Strukturaufklärung von 176 gelang mit Hilfe von
1H,15N-HMBC-Experimenten. · Oxygenierte Synthese-Intermediate Es
lag nahe, auch die Oxygenierung des Dipyrrolopyrazinons 62 zu
untersuchen. Reaktion mit m-CPBA lieferte, abhängig von der
Anwesenheit von Wasser, das Diol 137 oder aber das a,b-ungesättigte
Diketopiperazin 140. Die relative Stereochemie von 137 stimmt
wahrscheinlich mit der der durch Röntgenstrukturanalyse bestimmten,
10a-O-methylierten Verbindung 138 überein. Austin et al. schlugen
2003 ein ähnliches Diol im Rahmen ihrer Retrosynthese von
Palau'amin (29) vor, für welches 137 die erste Präzedenz liefert.
Analoge, oxybromierte Produkte wurden durch Behandlung mit NBS in
Anwesenheit von Alkoholen erhalten, erwiesen sich aber als nicht
stabil. Das Allyltrifluoracetat entstand bei Behandlung von 170 mit
Trifluoressigsäure. Als Vorstufen Ring-C-oxygenierter
Dipyrrolopyrazinone wurden auch die von 4-Hydroxyprolinol
zugänglichen AC-Systeme erhalten. · Chiroptische Eigenschaften bi-
und tricyclischer Pyrrolopyrazinone Der Zugang zu in verschiedener
Weise funktionalisierten, partiell hydrierten Dipyrrolopyrazinonen
eröffnete erstmals die Möglichkeit, CD-Spektren dieses
Verbindungstyps systematisch zu analysieren. Dies ist von
besonderer Bedeutung für die Erforschung der
Pyrrol-Imidazol-Alkaloide vom Phakellin-Typ, zu denen auch das
immunsuppressive Palau'amin (29) mit unbekannter absoluter
Stereochemie gehört. Modellbetrachtungen zeigten zunächst, dass die
Helizität der Pyrrolopyrazinon-Teilstruktur nur durch die
Konfiguration an C-5a bestimmt ist. Es gelang, den überlagernden
Einfluß der Konfiguration am benachbarten, in Benzylstellung zum
Pyrrolring befindlichen stereogenen Zentrums C-5 auf das
experimentelle CD-Spektrum vorherzusagen. Stehen die Substituenten
des tricyclischen Ringsystems auf derselben Seite von Ring B, so
ergibt sich ein Maximum bei 252 nm (dibromierte Verbindungen,
abgeleitet von L-Prolin (35)) mit einer benachbarten Schulter bei
285 nm. Bei Anordnung auf entgegengesetzten Seiten ist der
Cotton-Effekt bei 285 nm am intensivsten. Wie genau die Vorhersage
des CD-Spektrums des Naturstoffs (-)-Dibromphakellin (20) auf Basis
der Modellverbindungen oberhalb von etwa 240 nm ist, zeigt
Abbildung 67. Debromierung des Pyrrolrings führt lediglich zu einer
hypsochromen Verschiebung der CD-Banden. Das CD-Spektrum ist
oberhalb von 240 nm nahezu unabhängig von der Natur der
Heterosubstituenten an C-5, selbst wenn mit chiralen
Mosher-Acylresten funktionalisiert wird. · Absolute Stereochemie
von (-)-Palau'amin (29). Das hexacyclische Pyrrol-Imidazol-Alkaloid
Palau'amin (29) weist im Unterschied zur verwandten Struktur von
(-)- Dibromphakellin (20) einen zusätzlichen, an Ring C annelierten
Fünfring auf. Dadurch verschwindet die Helizität des
Pyrrolopyrazinon-Systems nahezu vollständig. Da beide
diastereomeren, nicht bromierten ABC-Tricyclen 228 und 227
synthetisch zugänglich waren, konnte durch Substraktion der
CD-Spektren der Anteil der Helizität rechnerisch eliminiert werden.
Man erhielt ein CD-Spektrum welches nur noch den Anteil des
stereogenen Zentrums in der zum Pyrrol benzylischen Position
wiedergeben sollte und, oberhalb von 240 nm, sehr genau mit dem
experimentellen CD-Spektrum des Naturstoffs (-)-Palau'amin (29)
übereinstimmt. Es kann der Schluß gezogen werden, dass das
Aminal-Kohlenstoffatom von Palau'amin (29) (R)-Konfiguration
besitzt. Damit wurde ein seit 1993 bestehendes Problem gelöst. Zu
Beginn dieser Dissertation existierte lediglich die biomimetische
Synthese von rac-Dibromphakellin (19) von Foley und Büchi. Der im
Rahmen dieser Arbeit gefundene, kurze Zugang zum Tetracyclus von
Dibromphakellstatin (20) erweitert das methodische Repertoire auf
dem Gebiet der Synthese der Pyrrol-Imidazol-Alkaloide. Die
Annelierung des Imidazolidinon-Systems an den ABC-Tricyclus ist mit
einer deutlichen Verstärkung der Spannung des Ringsystems
verbunden, war nicht zu erwarten und wurde erstmals gefunden.
Sollte es gelingen, eine enantioselektive Variante dieser Reaktion
auszuarbeiten, wäre die Synthese deutlich kürzer als die 2003 von
Romo et al. publizierte, 19-stufige Sequenz zum bisher nicht als
Naturstoff gefundenen (+)-Dibromphakellstatin (20).

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