Deprotonierte Zuckersäuren als Liganden in Kohlenhydrat-Metall-Komplexen

Deprotonierte Zuckersäuren als Liganden in Kohlenhydrat-Metall-Komplexen

Beschreibung

vor 20 Jahren
In dieser Arbeit werden neue Koordinationsverbindungen von
deprotonierten Zuckersäuren (Aldaraten) mit den Metallen
Kupfer(ii), Palladium(ii), Aluminium(iii), Gallium(iii)und
Indium(iii) beschrieben. Die Komplexe von Aldaraten mit dem
Zentralmetall Kupfer(ii) 1–10 wurden mit Hilfe von
Einkristall-Röntgenstrukturanalyse charakterisiert, und daraus
Kenntnisse zur Strukturchemie von Aldarato-cupraten gewonnen. Bei
diesen Versuchen kristallisierte mit
[Cu(NH3)4(H2O)2](Gal1,6A21,6H−2) (11) auch das Galactarat des
erstaunlicherweise zum ersten Mal röntgenstrukturanalytisch
charakterisierten Tetrammindiaqua- kupfer(ii)-komplexes aus. Bei
der Umsetzung von Tartronsäure mit Kupfer(ii) und o-Phenantrolin
(1:1) wurde der heteroleptische, über zwei Carboxylatgruppen des
Tartronats koordinierte, Komplex [Cu(phen)(C3H2O5)(H2O)] · H2O (1)
kristallisiert. Sämtliche weitere Umsetzungen von Kupfer(ii)-Salzen
mit Aldaraten erfolgten ohne Zugabe von Hilfsliganden. Es konnten
Alkalimetall- und Ammonium-Salze von Aldaratocupraten isoliert, und
die Einkristallstrukturen bestimmt werden. Die über die
Carboxylatgruppe koordinierten Ditartronato-cuprate
Li2[Cu(C3H2O5)2(H2O)2] · 2H2O (2), Na2[Cu(C3H2O5)2(H2O)2] · 6H2O
(3) und (NH4)2[Cu(C3H2O5)2(H2O)2] (4) ließen sich aus schwach
sauren Lösungen, die Tartronsäure, Kupfer(ii) und Basen enthielten,
kristallisieren. Es zeigte sich, dass sich die Kationen bestimmend
auf die Kristallstruktur auswirken. Bei neutralen Bedingungen (pH =
7) wurden die Tritartronatocuprate (NH4)4[Cu3(C3HO5)3Cl] · 3H2O
(5), K3[Cu3(C3HO5)3(H2O)] · 3,785H2O (6), Rb3[Cu3(C3HO5)3(H2O)] ·
4H2O (7) und Cs3[Cu3(C3HO5)3(H2O)3] · H2O (8) kristallisiert. Die
Tartrato-Liganden liegen vollständig deprotoniert vor und
koordinieren jeweils zwei Kupfer-Atome über zwei Chelatfünfringe,
die von den α-Alkoxo-Carboxylat-Einheiten ausgebildet werden, so
dass die deprotonierte Hydroxy-Funktion verbrückend wirkt.
Interessante Unterschiede zeigen die Komplex-Anionen bei der
weiteren Koordination der Kupfer-Atome im zentralen Cu3O3-Sechsring
an Aqua- oder Chloro-Liganden. Auch in der Kationenkoordination an
die Sauerstoff-Atome im Cu3O3-Ring zeigen sich Unterschiede. Mit
Xylarat als Ligand gelang es, einen der bislang größten [47]
homoleptischen Cupratkomplexe,
K9[Cu13(Xyl1,5A21,2,4,5H−4)5(Xyl1,5A2H−5)3]· 90H2O (9), aus einer
schwach sauren Lösung zu kristallisieren. Bereits bei diesem
niedrigen pH-Wert weist der Komplex drei vollständig und fünf
vierfach deprotonierte Xylarato-Liganden auf. In der Struktur des
Komplex-Anions vereinigen sich sämtliche bei Aldarato-Komplexen
beobachtete Koordinationsmuster der Liganden, außer der nur bei
Tartronat möglichen Koordination durch zwei Carboxylatgruppen zu
einem Chelatsechsring. Auch alle bislang bei Oxo-cupraten
beobachteten Kupfer-Sauerstoff-Baueinheiten (Cu2O2-Vierringe,
Cu4O4-W¨urfel, Cu3O3-Sechsringe) sind hier in einer Verbindung
kombiniert. Das polymere Cuprat Na4[Cu(Gal1,6A2H−6)] · 12H2O (10)
lässt sich aus alkalischen Natriumhydroxid-haltigen Lösungen mit
Galactarat als Ligand kristallisieren. Galactarsäure besitzt wie
der homologe Zuckeralkohol Dulcit eine Erythrit-Teilstruktur und
bildet mit dieser das Cuprat aus, wie es auch bei polymeren
Erythritolato- und Dulcitolato-cupraten beobachtet wurde [38]. Die
in Aldarat/Pd-en-Lösung vorhandenen Komplexspezies bei
unterschiedlichen Stöchiometrien und bei Zugabe verschiedener Basen
wurden mittels 13C-NMR-Spektroskopie aufgeklärt. Von den
nachgewiesenen Spezies konnten einige kristallisiert und ihre
Struktur aufgeklärt werden (12–16). Tartronat-haltige
Pd-en-Lösungen zeigen in 13C-NMR-Spektren neben unkoordiniertem
Tartronat nur das über das doppelt deprotonierte
α-Hydroxy-Carbonsäure-Fragment koordinierte
Ethylendiamin-tartron-1,2,3-ato-O1,2-palladat(ii). Aus diesen
Lösungen kristallisiert dennoch das neutrale über beide
Carboxylatgruppen koordinierte [Pd(C3H2O5)(en)] · H2O (12). Durch
Variation der Mengen von l- und meso-Weins¨aure in Pd-en-Lösungen
und bei Zugabe verschiedener Alkalilaugen lassen sich alle drei
möglichen, über Chelatfünfringe koordinierte Komplexspezies in
Lösung durch 13C-NMR-Spektren nachweisen. Die Zugabe von
Lithiumhydroxid zu den Lösungen bewirkt die Verdrängung des
PdII(en)-Fragments von der Koordination durch eine Carboxylatgruppe
zur Diolat-Einheit. Mit dem zweikernigen Komplex
[(Pd(en))2(l-Thr1,4A2H−4)] · 5,42(3)H2O (13) und dem einkernigen
Palladat [Pd(en)2][(en)Pd(Ery1,4A21,2,4H−3)]2 · 10H2O (14) konnten
zwei der in Lösung nachgewiesenen Spezies kristallisiert werden.
Auch in NMR-Spektren von Xylarat-haltigen Pd-en-Lösungen lässt sich
beobachten, dass nach Zugabe von Lithiumhydroxid keine Koordination
mehr durch eine Carboxylatgruppe vorliegt. Diese anionische
Komplex-Spezies ließ sich kristallisieren und als
Li2[(en)Pd(Xyl1,5A21,2,3,5H−4)] · 6,5H2O (15) charakterisieren.
Galactarat zeigt das Verhalten gegenüber Lithiumhydroxid nicht, so
dass sich aus Lithiumhydroxid-haltigen Lösungen von Galactarsäure
in Pd-en der zweikernige Neutralkomplex
[(Pd(en))2(Gal1,6A21,2,5,6H−4)] · 5H2O (16) kristallisieren lässt,
der über die beiden α-Alkoxo-Carboxylat-Einheiten des Liganden
koordiniert wird. Im dritten Teil der Arbeit wurden neue
Aldarato-metallate mit den Metallen der dritten Hauptgruppe
Aluminium, Gallium und Indium (17–27) synthetisiert und strukturell
aufgeklärt. Desweiteren konnte durch 27Al-MAS-NMR-Spektroskopie an
Kristallen im Vergleich mit 27Al-NMR-Spektren von Reaktionslösungen
nachgewiesen werden, dass die kristallisierten Aldarato-aluminate
auch in Lösung die Hauptspezies darstellen. Durch Umsetzung von
Tartronsäure mit Aluminium(iii)- bzw. Gallium(iii)-Salzen und
Alkalihydroxiden lassen sich aus den sauren Lösungen Kristalle der
isotypen Natriumsalze Na6[M3(C3H2O5)3(C3HO5)3] · 15,6H2O (17: M =
Al, 19: M = Ga) bzw. isotypen Kaliumsalze K6[M3(C3H2O5)3(C3HO5)3] ·
8H2O (18): M = Al, 20: M = Ga) isolieren, deren drei cyclisch über
Ecken verknüpfte MO6-Oktaeder ein neues Baumotiv in der Al- bzw.
Ga-Koordinations-Chemie außerhalb der Strukturchemie der Oxide und
Hydroxide darstellen. Durch Simulation der 27Al-MAS-NMR-Spektren
mit Hilfe der drei Spin-Funktionen der kristallographisch
unabhängigen Aluminium-Kerne in 17 lassen sich die isotropen
chemischen Verschiebungen berechnen (δCSiso = 14,4; 17,0 und 19,3),
deren Mittel sehr gut mit dem in Lösungen von Kristallen und
Reaktionslösungen zu beobachtenden breiten Hauptsignal bei 16,8 ppm
übereinstimmt. Aus vergleichbaren Reaktionslösungen mit
Indium(iii)-nitrat lässt sich das neuartige vierkernige Indat
Na6[In4(C3HO5)6(H2O)2] · 8H2O (21) gewinnen, in dem jedes Indium-
Atom siebenfach von Sauerstoff koordiniert wird. Viele
Arbeitsgruppen versuchten bislang vergeblich die Kristallisation
einer Aluminium-tartrat-Verbindung. In dieser Arbeit konnte
erstmals die Kristallstruktur eines Tartarto-aluminats
(Cs2[Al6(H2O)6((l-Thr1,4A2)7H−20)] · 19H2O (22)) vorgestellt
werden. Im sechskernigen Komplex liegen sieben l-Tartrato-Liganden
unterschiedlichen Protonierungsgrads vor. Alle funktionellen
Gruppen der Liganden sind an der oktaedrischen Koordination der
Aluminium-Atome beteiligt, und die sechs offenen
Koordinationstellen werden durch Aqua-Liganden abgesättigt. Aus
sauren Lösungen lassen sich die zweikernigen, isotypen Cäsiumsalze
der Xylarato-metallate
Cs[M2(Xyl1,5A21,2,5H−3)(Xyl1,5A21,2,4,5H−4)(H2O)4] · 3H2O (23: M =
Al, 25: M = Ga) kristallisieren. Diese zeichnen sich wie eine
zweite Modifikation des Aluminats
Cs[Al2(Xyl1,5A21,2,5H−3)(Xyl1,5A21,2,4,5H−4)(H2O)4] · 6H2O (24)
durch eine starke intramolekulareWasserstoffbrückenbindung zwischen
den beiden Liganden aus, bei der sich die beiden Sauerstoff-Atome
bis etwa 242pm nahe kommen. Zur Koordination der beiden isolierten
MO6-Oktaeder werden trotz vorhandener freier Hydroxygruppen der
Liganden zusätzlich je zwei Aqua-Liganden herangezogen. Wiederum
lässt sich zeigen, dass das kristallisierte Aluminat (δCSiso =
21,9; 23,4) auch die Hauptspezies (δ = 22,5) in Lösung darstellt.
Seine Sonderstellung in der Kohlenhydrat-Polyolat-Chemie
unterstreicht Aluminium bei den Galactarato-aluminaten
Na6[Al6(Gal1,6A21,2,5,6H−4)4(OH)8] · 21H2O (26) und
K6[Al6(Gal1,6A21,2,5,6H−4)4(OH)8] · 23H2O (27), die aus alkalischen
Lösungen kristallisiert werden konnten. Die Strukturanalyse zeigt
ein Cyclohexaaluminat, in dem pro Al vier Baseäquivalente gebunden
sind. Diese 24 Baseäquivalente liegen nicht ausschließlich in Form
von deprotonierten Gruppen am Galactarat vor, sondern acht
µ-Hydroxo-Liganden stellen zusammen mit vier tetraanionischen
Galactarato-Liganden die Sauerstoff-Ligator-Atome für den Ring aus
sechs kantenverknüpften AlO6-Oktaedern bereit. Die anhand der
Simulation des 27Al-MAS-NMR-Spektrums ermittelten Verschiebungen
(¯δCSiso = 20,1) stimmen mit dem sehr breiten Hauptsignal in den
Lösungsspektren der Reaktionslösungen bei etwa 20 ppm überein.
Daneben befindet sich ein nicht unbeträchtlicher Anteil von
[Al(OH)4]− in Lösung. d-Mannaro-1,4-3,6-dilacton wirkt in
alkalischen Lösungen reduzierend und zersetzt sich leicht. Im
letzten Teil der Arbeit gelang es in HPLC-unterstützten
Untersuchungen einen Weg zu finden, ausgehend vom Dilacton über den
Umweg der Umsetzung zum d-Mannarsäurediamid und der anschließenden
Verseifung zu stabilen, reinen d-Mannarat-Lösungen zu gelangen, die
sich zur weiteren Umsetzung mit Metallsalzen eignen. Die bevorzugte
Koordination von Metallen durch Aldarate erfolgt durch die
Ausbildungvon Chelatfünfringen mit der doppelt deprotonierten
α-Hydroxy-Carbonsäure-Einheit. Desweiteren wurden die
Koordinationen durch 1,2-ständige Diolate (Chelatfünfringe),
1,3-ständige Diolate (Chelatsechsringe, nur bei 9), eine
1,2,3-Triolat-Einheit (facial durch einen Xylarato-Liganden in 9)
und durch 1,3-ständige Carboxylatgruppen bei Tartronaten (1–4 mit
Cu(ii) und 12 mit Pd(ii)) beobachtet. Während Carboxylatgruppen
ausschließlich endständig an Metalle koordinieren, finden sich
deprotonierte Hydroxygruppen sowohl in endständigen als auch in µ2-
und µ3-verbrückenden Positionen. Es ließ sich zeigen, dass sich
aufgrund der leichten Deprotonierbarkeit der Carbonsäure-Funktion
und der erhöhten Acidität der α-ständigen Hydroxygruppe die
Darstellung von Aldarato-Komplexen bei sehr milden Bedingungen auch
im Bereich des physiologischen pH-Werts bewerkstelligen lassen. Die
Aldarsäuren eignen sich desweiteren hervorragend zum Aufbau
neuartiger oherkerniger Metall-Sauerstoff-Cluster.

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