Heuschrecken und Wilder Honig Teil 3: ENTTÄUSCHER Joh 1,20

Heuschrecken und Wilder Honig Teil 3: ENTTÄUSCHER Joh 1,20

4 Minuten

Beschreibung

vor 3 Jahren
Auf den ersten Blick ist Johannes der Täufer eine Enttäuschung.
„Ich bin nicht der Christus!“, ist das erste Wort, dass der Täufer
im Johannesevangelium sagt. Johannes tritt in einer geradezu
aufgeladenen Atmosphäre auf, in der das Volk Israel den Messias
erwartet: „Das Volk war voll Erwartung und alle überlegten im
Herzen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Christus sei“,
erzählt der Evangelist Lukas (3,15). Welcher Art diese Erwartungen
gewesen seien, fragt Jesus später die Menge: „Was habt ihr denn
sehen wollen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid?“ Einen
geschmeidigen Redner wie ein Schilfrohr, der sich – je nach Wind –
zu jeder Richtung neigt und es allen recht macht? Oder einen
smarten und eleganten Politiker, der es mit der Macht hält, wie man
sie an den Höfen jener und unserer Zeit findet? (Mt 11,7-8) Oder
eine Lampe, an deren Licht man sich eine Weile freut um dann
unerleuchtet weiterzugehen? (vgl. Joh 5,35) Johannes ist anders. Er
ist eine Enttäuschung, weil er nicht der Erwartete ist, und der
Enttäuscher, weil er entlarvt, was wir an die Stelle des Erwarteten
gesetzt haben, den er uns ankündigt. Er ist der Mann an der
Schwelle – der „Größte aller von einer Frau Geborenen“, nennt Jesus
ihn, und sieht ihn doch noch vor der Tür zur Schwelle des
Himmelreiches (Mt 11,11). Der Täufer Johannes soll zum Mann an der
Schwelle für alle werden, die seine Stimme hören und sich bereit
machen, in Jesus Gott als Mensch zu empfangen. „Ich bin nicht der
Christus!“ Ich habe über dieses Wort in Exerzitien mal einen ganzen
Tag nachgedacht. Eigentlich ist dieser Satz ja nichts Besonderes.
Jeder würde mir sagen: Natürlich bist Du nicht der Messias, was
glaubst Du denn? Aber ganz tief drin, oft unbewusst, versuche ich
das immer wieder eben doch zu sein: mein eigener Erlöser. Dort, wo
ich keine Hilfe annehmen will. Dort, wo das unstillbare Bedürfnis
zur Selbstoptimierung mich immer unerlöster macht. Dort, wo
Perfektionismus mich traurig werden lässt und schließlich überall
dort, wo ich göttliche und menschliche Hilfe brauche und doch
versuche, mich erfolglos selbst zu retten und am eigenen Schopf aus
dem Sumpf zu ziehen. Gestern hieß es im Tagesgebet: „Wir sind dem
Tod verfallen und gehen ohne dich zugrunde.“ Solche Verwiesenheit
auf einen Retter nimmt uns nicht die Selbstverantwortung. Den die
bedeutet ja, dass wir zwar füruns, aber nicht allein vor uns
verantwortlich sind. Vor unserem eigenen oder anderem menschlichem
Urteil hätten die meisten vermutlich letztlich keine Chance. Die
Enttäuschung besteht darin, zu erkennen, dass ich nicht der Erlöser
bin, sondern ein anderer. Diesen anderen jedoch zu kennen und in
meinem Leben groß sein zu lassen, ist ein unenttäuschbares Glück
und zugleich das, was uns zu unserer wahren Größe kommen lässt.
Denn unsere wahre Größe besteht darin, als Liebende Miterlöser des
Erlösers zu werden. Das eigentlich Schmerzliche an der Enttäuschung
ist nicht das Offenbarwerden meiner Wahrnehmung als Täuschung,
sondern die zugrundeliegende Tatsache, dass ich mich getäuscht habe
oder von anderen getäuscht wurde. Je festgelegter meine falsche
Erwartung oder Wahrnehmung war, umso gründlicher muss ich Mal um
Mal enttäuscht werden, wenn ich die Wahrheit erkennen will. Daher
ein Rat für die Fastenzeit: Bleib nicht an Deinen Enttäuschungen
hängen. Lerne aus ihnen. Sie räumen uns nur (und nicht selten
schmerzhaft) den Blick für die Wirklichkeit frei. Und „Gott umarmt
uns durch die Wirklichkeit“ (Willi Lambert). Fra' Georg Lengerke.

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15
:
: