Heuschrecken und Wilder Honig Teil 6: GEWISSENSMORD Mk 6,17-29

Heuschrecken und Wilder Honig Teil 6: GEWISSENSMORD Mk 6,17-29

5 Minuten

Beschreibung

vor 3 Jahren

Johannes der Täufer stirbt in einer Auseinandersetzung. In der
geht es um Liebe und Treue, um Leidenschaft und Glück, um Sex und
um Macht, um deren Gebrauch und Missbrauch.


Auch wenn König Herodes ein unsympathischer Zeitgenosse ist – um
Johannes den Täufer zu verstehen, hilft es mir, mich in den
Tyrannen hineinzuversetzen und nach dem zu fragen, worin ich ihm
eben doch ähnlich bin.


Die Auseinandersetzung mit Johannes dem Täufer geht um eine
scheinbar sehr private Frage. „Denn Johannes hatte zu Herodes
gesagt: Es ist dir nicht erlaubt, die Frau deines Bruders zur
Frau zu haben.“ (Mk 6,18) Die Frau verzieh dem Täufer diese
Intervention nicht. Eine Reaktion ihres Mannes ist nicht
überliefert. Herodes mag erwidert haben: „Was geht das Dich an?“
Er hätte sich vermutlich auch dem Slogan angeschlossen: „Love is
no sin!“ („Liebe ist keine Sünde!“), der jetzt oft zitiert wird,
um gegen Diskriminierung zu protestieren.


Letzteres ist ein gutes Anliegen. Aber stimmt der Spruch? Wer die
menschlichen Abgründe der Liebe kennt, dem kommt dieser Satz
nicht über die Lippen. Menschen tun aus Liebe schreckliche Dinge:
Sie brechen aus Liebe in eine Ehe ein. Sie nehmen aus Liebe
Kindern ein Elternteil. Sie lassen aus Liebe unheilbar kranke
oder noch nicht geborene Familienmitglieder töten. Und wie viele
von Euch sind schon aus Liebe verraten, verlassen und im Stich
gelassen worden? Love is no sin, sagt der König Herodes. Sin is
no love, antwortet der Täufer Johannes.


Liebe kann etwas Heiliges und Großes oder etwas Verderbliches und
Tödliches sein – für den Liebenden oder den Geliebten. Es kommt
darauf an, worum es ihr geht. In Dantes Göttlicher Komödie (1321)
heißt es, dass die Sünde fehlgeleitete Liebe sei.


Herodes weiß das eigentlich. Die für Johannes tödliche
Auseinandersetzung ist nicht bloß eine Auseinandersetzung
zwischen Prophet und König. Es ist eine Auseinandersetzung in der
Person des Herodes. Der Evangelist schreibt, dass Herodes den
Johannes fürchtete und ihm zugleich gerne zuhörte (Mk 6,20).
Furcht und Sympathie. Es muss in Herodes im Ringen zwischen
Verstand und Unterleib, zwischen Liebe und Trieb einen Rest von
Affinität zum Guten und von Sehnsucht nach Gottes Wort und Willen
gegeben haben.


Herodes weiß offenbar, dass es gute Gefühle gibt, die schlecht
sind, und schlechte Gefühle, die gut sind. Rache kann ein
befriedigendes Gefühl sein, das jedoch schlecht ist. Das fast
leibliche Rumoren über eine Lüge wiederum ist äußerst unangenehm.
Aber zugleich ist es ein Zeichen eines gut funktionierenden
Gewissens.


Dann tanzt die Tochter seiner Mätresse, und Herodes verspricht
ihr alles – bis zur Hälfte seines Reiches. Das Mädchen will den
Kopf des Täufers und etwas Fremdes in Herodes obsiegt: „Weil er
vor allen Leuten einen Schwur getan hatte“, lässt Herodes
Johannes enthaupten. Die Haute volée Jerusalems ist versammelt.
Vor dem Establishment des Volkes Israels steht sein Ruf und sein
Ansehen auf dem Spiel. Aber Herodes will sein Gesicht nicht
verlieren – auch wenn es ein falsches Gesicht war.


Das gibt es bis heute im Volk Gottes, und zwar in allen Lagern:
dass wir unser Ansehen bei der Mehrheit nicht verlieren wollen
und dass wir dafür alles zu tun bereit sind. Lieber es stirbt die
Wahrheit als unser guter Ruf. Lieber stirbt die Stimme des
Gewissens im Kellerverlies unserer Seele, als die Zustimmung im
Volk. Die Partei hat immer recht.


Herodes hätte lieber sein falsches Gesicht vor den Leuten
verloren als die wahre Stimme in seinem Herzen. Besser seinen Ruf
in der Jerusalemer Society als den Anruf aus dem Kerker seiner
Seele, der ihn an die Wahrheit Gottes erinnert.


Wir könnten sagen: Wie Herodes lebt, geht uns nichts an. Wir
könnten sagen: An solchen Fragen hängt nicht die Zukunft des
Volkes Gottes. Aber kann es wirklich sein, dass Johannes der
Täufer nur für eine Privat- und Nebensache gestorben ist?


Fra' Georg Lengerke

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15
:
: