Mach dem da Platz Lk 14,7-14

Mach dem da Platz Lk 14,7-14

4 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Bei feierlichen Essenseinladungen gibt es eine Tischordnung. Die
hat für die Einladenden den Vorteil, Begegnungen zwischen Gästen
fördern oder vermeiden zu können. Eine Tischordnung kann über das
Gelingen von Abenden oder den Verlauf ganzer Biographien
entscheiden.


Nicht jede Tischordnung ist im Voraus geplant. Als junger Mann
war ich auf einem Fest, in dem die Damen einen Schuh in die leere
Saalhälfte warfen und die daraufhin hereingebetenen Männer mit
dem Schuh ihre Tischdame zogen. Oder die Gastgeberin legt im
kleinen Rahmen die Tischordnung spontan vor Beginn des Essens
fest und bittet die Gäste jeweils an ihren Platz.


Wer bei der letzten Variante schon allzu gern an einem Platz
steht, der nicht der seine ist, tut gut daran, ihn unaufgefordert
zu räumen. Sonst ginge es ihm wie dem Drängler im Gleichnis vom
rechten Platz: „Mach diesem hier Platz!“


Seit Freitagabend bin ich mit rund 40 jungen Menschen wieder in
Chabrouh im Libanon. Viele sind zum ersten Mal dabei. Am Montag
kommt die erste Gruppe behinderter Gäste aus ihrem Heim, um mit
uns hier eine Woche Ferien zu machen. Auf die bereiten wir uns
und das Haus vor.


Vieles muss aufgebaut, geschmückt, aus Depots geholt und
hergerichtet werden. Aber das Entscheidende ist: dem, der kommt,
Platz zu machen. Hier im Haus, unter uns, aber auch in mir, in
meinem Herz und Denken. Mein überversorgtes fettes Ich bekommt
einen kleinen Knuff und hört: „Mach diesem hier Platz!“


Und zwar den ersten Platz. Den Platz ganz oben. Dem Platz, an dem
ihm kommende Woche unsere ganze Aufmerksamkeit gilt. Die morgen
kommen, gehören zu denen, die hier im Land auf dem letzten Platz
sind, denen man über den Mangel an familiärer Fürsorge und
professioneller Hilfe hinaus mittlerweile auch den Mangel an
Medikamenten und ausgewogener Nahrung ansieht.


Ganz oben ist der Platz beim Gastgeber. Im Gleichnis ist das
Gott. Er ist der, der gerade diesen Gast bei sich haben will. Der
ihn ansieht und erkennt und sich an ihm freut wie sonst keiner.
Der, von dem das Gleichnis sagt, dass er ihn und mich eingeladen
hat.


Gut, das mit den Damenschuhen damals war lustig (und ich meine
mich auch an einen schönen Abend zu erinnern). Aber eine
Tischordnung direkt vor dem Essen durch Zuweisung ist mir dann
doch noch lieber. Mein gerade noch „fettes Ich“ macht sich dann
schlank, ich stelle mich etwas abseits und warte ab, wo ich wohl
zu sitzen kommen werde.


Das möchte ich als Lebenshaltung lernen: meinen Anteil bis
hierhin kraftvoll, gut und gerne zu tun und mir dann hellwach und
zu allem bereit sagen und zeigen zu lassen, wo mein Platz ist.


Hier im Libanon sind wir Helfer beides: im Dienst des Gastgebers
und auch selbst Gast. Zusammen mit dem, der den ersten Platz
bekommt. Mit ihm bin ich ja eingeladen. Für ihn bin ich da. Zu
ihm gehöre ich. Seine Ehre freut mich. Und weil das so ist, sieht
mich der Gastgeber an und lächelt mir zu. Er möchte, dass ich bei
meinem und seinem Gast bin – und bei ihm. Und ich höre ihn sagen:


„Mein Freund, rück auf!“


Fra' Georg Lengerke

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