Asinus Dei – Na, du alter Esel? Mt 21,1-11

Asinus Dei – Na, du alter Esel? Mt 21,1-11

5 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

„Na, du alter Esel?“ sagte unser Vater manchmal zu mir oder einem
meiner Brüder als wir Kinder waren. In der Regel war das eine Art
Versöhnungsangebot nach einem Knatsch. „Gehts wieder?“ sollte das
heißen, oder: „Wollen wir uns wieder vertragen?“


Warum „alter Esel“? Vielleicht wegen der Sturheit einerseits und
der Treue und Friedfertigkeit andererseits, die dem Esel
zugeschrieben werden. „Alter Esel“ war für mich eine Art
Kosename. Und einer, den ich nicht ungern hatte.


Vielleicht ist das der Grund, warum es mir der Esel im Evangelium
vom Einzug Jesu nach Jerusalem angetan hat. In der euphorischen
Menge, die Jesus heute zujubelt und ihn morgen verflucht, fühle
ich mich unwohl. Aber beim Esel bin ich gerne. Mit dem Esel
beginnt eine Geschichte, die mir einen Vorgeschmack auf den
Neuanfang gibt, den die Jünger nach Ostern erleben werden.


Drei Evangelisten berichten, dass Jesus auf dem Weg nach
Jerusalem zwei Jünger vorausschickt, um für ihn einen bestimmten
Esel (bzw. eine Eselin) als Reittier zu holen, auf dem noch nie
jemand gesessen hat.


„Bindet ihn los!“ sagt Jesus den beiden Boten. Die Abholung geht
nicht einfach so. Es braucht eine Loslösung, eine Entbindung, ja
eine Erlösung aus alten, fremden und nicht länger gültigen
Ansprüchen und Bindungen.


In diesem kleinen Wort „Bindet ihn los“ wird die ganze Dramatik
späterer Nachfolgewege angedeutet. Menschen werden entbunden,
herausgelöst aus der alten, knechtenden Herrschaft von Menschen
und Mächten zum neuen Leben in der befreienden Herrschaft Gottes.


Übrigens wurde das gleiche Wort für „lösen“ am vergangenen
Sonntag schon einmal gebraucht: Bei der Auferweckung des Lazarus
steht dieser in der Graböffnung. Wie eine lebendige Mumie. Von
oben bis unten eingewickelt in die Banden und Binden des Todes.
Löst ihm die Binden! – Bindet ihn los! sagt Jesus zu den
Umstehenden, damit Lazarus ins Leben kommt (Joh 11,44).


Die Loslösung dessen, den Jesus ruft, bleibt nicht ohne
Widerspruch. Es werden Ansprüche angemeldet. Auch vom Besitzer
des Esels. Die Antwort der Boten Jesu ist einfach und von
schmerzlicher Autorität: „Der Herr braucht ihn!“ Hier und jetzt
hat ein Anderer einen größeren Anspruch als der bisherige
Besitzer. Aber der wird nicht leer ausgehen: Der Herr „lässt ihn
bald zurückbringen“, lässt Jesus die Jünger ausrichten.


Dann heißt es, die Jünger legten ihre Kleider auf den Esel. Es
ist, als zögen sie ihm ihr Kleid an. Als wäre er einer von ihnen.
Und stimmt das nicht irgendwie auch? Freund und Jünger Jesu sein
heißt ja auch: Jesus tragen. Christsein heißt: Christus tragen.
Hinein in die Heilige Stadt im Festzug für den erwarteten König,
zugleich aber auch hinein in die Höhle des Löwen, hinein in den
Streit und in den Hass der Welt.


Der Esel beim Einzug in Jerusalem erinnert mich an den hl.
Christophorus, den „Christus-Träger“, der, indem er unversehens
das göttliche Jesuskind durch einen Fluss trägt, den Herrn der
Welt gefunden hat, dem er von nun an dienen und den er sein Leben
lang zu den Menschen tragen wird.


Heute sagt mein Vater nur noch selten: „Na, du alter Esel?“.
Vielleicht, weil die Notwendigkeit der Versöhnung nicht mehr so
häufig ist. Vielleicht auch deshalb, weil er die Lektion dessen
gelernt hat, der zulassen muss, das sein „alter Esel“ losgebunden
wird und geht, um ihn später auf neue Weise wieder zu bekommen.


Wie wird das nach Ostern sein? Alle Jünger hatten Jesus ja
verlassen, alle waren von einer geradezu eselhaften Sturheit
gewesen. Aber mit jedem will Jesus wieder neu anfangen, jedem
will er möglich machen, dass er sich wieder mit ihm versöhnt.


Und wer weiß? Vielleicht wird Jesus dem einen oder anderen
augenzwinkernd zulächeln, und ihm zum Neuanfang sagen: „Na, du
alter Esel?“


Fra' Georg Lengerke



Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15
:
: