„Krieg, Zeitenwende und Aufrüstung - Ist der Pazifismus am Ende?“ – mit Sara Nanni und Hans Christoph Atzpodien

„Krieg, Zeitenwende und Aufrüstung - Ist der Pazifismus am Ende?“ – mit Sara Nanni und Hans Christoph Atzpodien

51 Minuten

Beschreibung

vor 6 Monaten

Die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag,
Sara Nanni möchte „die These, dass (die Reaktion auf den
russischen Angriffskrieg) eine Wende war, ein bisschen
aufweichen“, es gehe ihr vielmehr um einen realistischen „Blick
darauf, was man politisch erreichen kann und wann es Militär
braucht, um politisch Lösungen möglich zu machen.“ Zur
pazifistischen Vergangenheit der Grünen sagt sie: „Natürlich, es
gab starke radikal pazifistische Teile in unserer Bewegung, aber
es gab immer auch die pragmatisch pazifistischen Teile (..) Die
heutige Grüne Partei würde ganz anders auf die Debatten von
damals kucken, das hat sich massiv weiterentwickelt, das hat auch
was mit der Regierungsverantwortung zu tun“. 

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen
Sicherheits- und Verteidigungsindustrie Hans Christoph Atzpodien
„war überrascht von der Entschiedenheit des Bundeskanzlers in
seiner Regierungserklärung mit den 100 Milliarden
Sondervermögen“. Zuvor sah er seine Arbeit „als den unpopulärsten
Job Deutschlands (..) Man konnte es vor dem Februar 22 ganz
deutlich sehen (..), wie Banken mit uns als Industrie umgegangen
sind“ und „unter dem Drängen des Green Deal (..) zum Teil gesagt
haben, wer die Bundeswehr beliefert, der kriegt von uns keine
Bankgarantie mehr“. 

Was ist die richtige Politik für Waffenexporte, wenn wir
plötzlich feststellen, dass deutsche Waffen wie die aufgerüsteten
Fregatten der Emirate im Jemenkrieg zum Einsatz kommen? Nanni
stellt fest: „In den letzten zwei Jahre ist es ja schon deutlich
restriktiver gelaufen.“ Dabei müsse man verstärkt „die mittel-
und langfristige Perspektive miteinbeziehen. (..) wenn der Moment
des Handschlages 15 Jahre vom Moment der Auslieferung entfernt,
ist“, sonst zwingen politische Veränderungen zu einem abrupten
Exportverbot. Atzpodien erwähnt dazu die beabsichtigte
Auslieferung von deutschen Booten an Saudi-Arabien, „dann kam der
Mordfall Khashoggi, wo dann Kanzlerin Merkel gesagt hat, wir
stoppen jetzt alle Ausfuhren“.

Deshalb plädiert Nanni für Zurückhaltung: „Ich sehe auch, dass
die Stückzahlen, die in der NATO abgenommen werden, so gering
sind, dass sich die pro-Stück-Kosten sehr hoch entwickeln, wenn
man gar nicht mehr exportiert. (..) Da wäre ich dann im
Zweifelsfall bereit, pro Stück mehr zu bezahlen (..) Aber es ist
leider so, dass wir da in der Bundesregierung mit dieser
Perspektive ein bisschen allein sind, und da bleibt es dann doch
dabei, dass wir als Grüne immer noch die pazifistischste Partei
sind“.

Atzpodien hält dagegen: „Wir konkurrieren in Europa mit anderen
Rüstungsherstellern, die teilweise Staatsunternehmen sind oder
vom Staat ganz klar unterstützt werden und die mit der Hilfe
ihrer Regierungen in weitem Umfang exportieren können und dadurch
entsteht ein Gefälle im Wettbewerb. Wenn wir am Ende überhaupt
keinen Export machen könnten (..) passt das dann irgendwo nicht.
(..) Und was im Moment etwas schmerzt, ist die Tatsache, dass
durch die beiden Häuser, die politisch unter grüner Führung sind,
viele Dinge einfach liegen bleiben (..) und das fährt die Kunden
sauer“.

Von einer gemeinsamen europäischen Rüstungspolitik sei man noch
weit entfernt, so Atzpodien, weil „es in vielen europäischen
Ländern starke Verteidigungsindustrien gibt, die von ihren
Regierungen sehr stark auf Exporterfolg konditioniert werden,
dass sie sich auf dem Weltmarkt gegen andere teilweise
europäische Wettbewerber durchsetzen.“ Deshalb sei „das Interesse
der anderen Regierungen an der Vereinheitlichung von Programmen
begrenzt“. Eigentlich, so Nanni, „bedarf es eines unglaublich
starken politischen Willens insbesondere in den grossen Ländern,
die über grosse Verteidigungsindustrien verfügen (..) hier müsste
im Prinzip die Vereinheitlichung ansetzen“. Deutschland,
Frankreich, Spanien und Italien, so Atzpodien, „müssen diese
Hausaufgabe machen, um einen Bebauungsplan zu erstellen. Der
EU-Kommission kann man das nicht überlassen.“

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