25. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 117, K. 02

25. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 117, K. 02

Welche strukturellen Bedingungen waren ausschlagg…
1 Stunde 57 Minuten
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Ulrike Sumfleth und Joachim Feltkamp sind Luhmani…

Beschreibung

vor 3 Jahren
Welche strukturellen Bedingungen waren ausschlaggebend, damit sich
das Rechtssystem operativ schließen konnte? Luhmann hebt die
Spezifikation rechtlicher Erwartungen und die Aussicht auf
Rechtsdurchsetzung hervor Eine Spezifikation von Erwartungen
erfolgt durch Kommunikation. Sinn wird wiederholt, bestätigt und
verdichtet. So wird die Erwartung anschlussfähig für andere
Situationen. Inwiefern es dazu kommt, ist jedoch eine Frage des
Gedächtnisses der Gesellschaft. Solange man nur mündlich
kommunizieren konnte, war man auf Erinnerungsvermögen und
Vortragsfähigkeiten angewiesen. Erinnern bzw. Vergessen erfolgte
eher zufällig, es war vom psychischen System abhängig und schwer
einzuschätzen. Schrift schuf hier Abhilfe. (Gemeint ist noch nicht
der Buchdruck, nur die Schrift allein.) Dank Schrift war es
möglich, Erwartungsmöglichkeiten und Erfolgsaussichten besser
einschätzen zu können. Erinnerung wurde so zu einer Frage, ob und
wie der Zugang zu Informationen organisiert ist. Im Text fixierter
Sinn kann auch von nicht Anwesenden zu einem späteren Zeitpunkt
hervorgeholt werden, um darauf Bezug zu nehmen. Ausgangspunkt für
die Behandlung neuer Fälle sind dann allein die normativen Aspekte
und nur das, was sich als Recht erwiesen hat. In der Folge bewähren
sich Rollen wie das Richteramt und Institutionen wie Verbände zur
Unterstützung. Das Recht expandiert in noch nicht erfasste
Bereiche; so entsteht um 1500 der frühneuzeitliche Begriff der
Polizei. Um die neuen rechtlichen Möglichkeiten abzusichern, kommt
es im 18. Jh. zur strukturellen Kopplung zwischen Recht und
Politik. (Anm.: Dazu kam es, so Luhmann in „Die Politik der
Gesellschaft“, S. 390-391, über den Begriff des „Staates“, der als
politisch-rechtliche Einheit begriffen wird. Politik und Recht
beobachten sich in diesem Konstrukt gegenseitig, sie schließen sich
gegenseitig zugleich ein und aus; was letztlich zur Form der
Verfassung führte.) Die Politik beginnt, sich funktional
auszudifferenzieren: Gesetzgebung schafft kollektiv bindende
Entscheidungen und bindet auch Richter und die Politik selbst an
das Recht. Kontrolle und Durchsetzung des Rechts durch physische
Gewalt unterliegen der Exekutive (in Demokratien: der Regierung).
Die Paradoxie des Rechts durch Verschriftlichung besteht nun darin,
dass fixierter Sinn – man denke an die göttlichen Gebote auf
Steintafeln – immer jeweils in der Gegenwart interpretiert werden
muss. Versteht man Kommunikation als Trias aus Mitteilung,
Information und Verstehen, so fällt auf, dass nur die Mitteilung
fixierbar ist. Diese enthält einen Wortlaut, doch welche
Information den Worten jeweils in der Gegenwart entnommen und wie
sie verstanden wird, ist variabel. Die Entwicklung des
Systemgedächtnisses durch Schrift hat sich erkennbar auf die
Evolution des Rechts selbst ausgewirkt. Die Selektionsleistung
konnte mit verschriftlichem Wissen deutlich erhöht werden. Die
Theorie sozialer Systeme erstreckt sich darum nicht bloß auf die
präzise Beschreibung der Operationsweise von Funktionssystemen wie
dem Recht. Sondern sie umfasst immer auch das Verständnis der
Evolution durch Kommunikation (in den drei Schritten: Variation,
Selektion und Restabilisierung). Erst von dieser
Gesamtbetrachtungsweise aus lässt sich erkennen, wie die
Funktionssysteme strukturell gekoppelt sind und sich
interpenetrieren, z.B. Politik, Recht und Wirtschaft. An diesem
Punkt des Buches lässt sich zunächst festhalten, dass es gelungen
ist, die Existenz des Rechts als ein eigenständig operierendes,
autopoietisch geschlossenes Funktionssystem freizulegen.

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