46. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 211, K04

46. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 211, K04

Wie das Rechtssystem mit Verfahren seine operativ…
1 Stunde 1 Minute
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Ulrike Sumfleth und Joachim Feltkamp sind Luhmani…

Beschreibung

vor 2 Jahren
Wie das Rechtssystem mit Verfahren seine operative Geschlossenheit
und Eigenzeitlichkeit stabilisiert. Der letzte Abschnitt des 4.
Kapitels hebt hervor, dass Produktion und Struktur des
Rechtssystems zwar analytisch als zwei Operationen
auseinandergehalten werden können. Empirisch sind sie jedoch nicht
voneinander zu trennen. Das System produziert Recht und
gleichzeitig Kommunikationsstrukturen. Die Zeitdimension spielt
dabei eine herausragende Rolle. Wie der vorige Abschnitt zeigte,
verschafft sich das System durch Verfahren die Zeit, die es
braucht, um zu einer Entscheidung zu kommen. Mit der Eröffnung
eines Verfahrens wird Ungewissheit erzeugt, die im Verlauf des
Verfahrens reduziert und zum Abschluss des Verfahrens ganz negiert
wird. Mit dem Verfahren reproduziert das Rechtssystem einerseits
seine Eigenzeitlichkeit und synchronisiert sich andererseits mit
anderen Systemen seiner Umwelt, so weit dieses erforderlich ist. Um
die operative Geschlossenheit des Rechtssystems zu gewährleisten,
schließt das Rechtssystem nicht an die Systemgeschichte der
beteiligten Systeme an, sondern überträgt selektiv rechtsrelevante
Ereignisse in seine eigene und macht sich so unabhängig von
externen Bedingungen. Codierung und Programmierung sind unabhängig
von der Eigenzeitlichkeit des Verfahrens. Bei der Unterscheidung
zwischen Recht/Unrecht berücksichtigen die Programme nur
rechtsrelevante Fakten. Alles andere wird abgeschnitten, also auch
Umweltzeiten, die nicht rechtsrelevant sind. Zwei Beispiele sind
das Grundbuch, das nur Eigentümerverhältnisse zum Zeitpunkt X
festhält und keinerlei weitere Informationen. Und die Verjährung,
die jegliche Rechtsrelevanz von Fakten aufhebt, wenn eine Frist
überschritten ist. Die Eigenzeitlichkeit betrifft auch den Umgang
mit Zukunft. Ein rechtskräftiges Urteil bezieht sich auf
rechtsrelevante Fakten in der Vergangenheit und wirkt in die
Zukunft hinein. Mit dieser Form „zeitlicher Selbstjustiz“
verhindert das Rechtssystem, dass unvorhersehbare Umweltbedingungen
das System belasten werden. D.h.: Das System schneidet die
Möglichkeit ab, dass sich die Umwelt auf (rechtlich irrelevante)
Umweltzeiten beziehen kann. Dieser Cut festigt die operative
Schließung als autonomes, ausdifferenziertes Funktionssystem. Das
System produziert eigene Zukünfte und eigene Vergangenheiten, als
die Zeithorizonte jeweils einer Vergangenheit. Der soziale Preis
dafür ist zeitliche Desintegration in Bezug auf die
Eigenzeitlichkeiten der Gesellschaft. Kompensiert wird die
zeitliche Desintegration durch rechtliche Einrichtungen.
Hervorhebenswert ist die jederzeitige Ansprechbarkeit: Jeder kann
das Rechtssystem jederzeit nutzen. Außerdem wird durch detaillierte
Spezifikation zugesichert, dass sich das System so viel Zeit nimmt,
wie es eben braucht. Man könnte sagen: Man kann sich darauf
verlassen, dass gründlich gearbeitet wird.

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