Wirkmechanismen in der Behandlung und Prävention chronischer Rückenschmerzen

Wirkmechanismen in der Behandlung und Prävention chronischer Rückenschmerzen

Beschreibung

vor 17 Jahren
Ziel Rückenschmerzen verursachen hohe sozioökonomische Kosten.
Dabei kommt der Gruppe mit chronischen Rückenschmerzen eine
besondere Bedeutung zu, da 80% der Behandlungskosten durch diese
Patienten verursacht werden. Dies macht Rückenschmerzen neben
Erkältungskrankheiten zum teuersten medizinischen Problem, zur
teuersten muskuloskeletalen Erkrankung und zur häufigsten Ursache
von Arbeitsunfähigkeit unter 45 Jahren. Die Verhinderung der
Chronifizierung ist deshalb aus sozioökonomischen, aber auch
ethischen Gründen („burden of disease“), ein überaus wichtiges
Ziel. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich deshalb mit
Wirkmechanismen in der Behandlung von Rückenschmerzen, d.h. mit der
Vorhersage des Behandlungserfolgs durch innerhalb eines
Behandlungsprogramms erreichte Veränderungen. Zur Behandlung und
Sekundärprävention von Rückenschmerzen existieren eine Reihe von
Interventionen, deren Effektivität belegt ist. Weitgehend unklar
sind jedoch die zugrunde liegenden Wirkmechanismen. Ein besseres
Verständnis der Wirkmechanismen würde es ermöglichen,
Interventionen effizienter und damit auch kostengünstiger zu
gestalten. Teil 1 der Arbeit ist ein systematischer Review, welcher
Wirkmechanismen nicht-operativer Behandlungen chronischer
Rückenschmerzen analysiert. Teil 2 der Arbeit untersucht relevante
Wirkmechanismen in einem trainingstherapeutischen und einem
multimodalen Programm zur Sekundärprävention von Rückenschmerzen.
Methoden Teil 1: Basierend auf einer systematischen Literatursuche
in den Datenbanken Medline, Embase und PsycInfo wurde ein Review
erstellt. Es wurden Studien ausgewählt, die u.a. die folgenden
Einschlusskriterien erfüllen: (1) Behandlung chronischer
Rückschmerzen mit Trainingstherapie, Verhaltenstherapie oder
multimodalen Behandlungsansätzen, (2) Analyse von Veränderungen in
Prädiktorvariablen und Anteil der aufgeklärten Varianz am Ergebnis
mit multivariaten Verfahren, z.B. Regressionsanalysen. Aufgrund der
Heterogenität der Daten hinsichtlich erhobener Variablen und
eingesetzter statistischer Methoden wurden die Daten deskriptiv
ausgewertet und zusammengefasst. Teil 2: Zur Identifizierung
relevanter Wirkmechanismen in der Sekundärprävention von
Rückenschmerzen wurden Daten einer randomisierten klinischen Studie
zur Überprüfung der Effektivität eines Trainings- und eines
multimodalen Programms mit multiplen Regressionsanalysen
ausgewertet. Es sollten Prädiktorvariablen identifiziert werden,
die das Erfolgskriterium „Reduzierung von Beeinträchtigung“ nach
Beendigung des Präventionsprogramms am besten vorhersagen. Als
potentielle Prädiktorvariablen wurden Veränderungen in
psychologischen Variablen und körperlichen Leistungstests
berücksichtigt, sowie Interaktionen zwischen dem jeweiligen
Programm und den Prädiktorvariablen, um zu überprüfen, ob sich die
Wirkmechanismen in beiden Programmen unterscheiden. Ergebnisse Teil
1: Es konnten 13 Studien in den Review eingeschlossen werden. Der
Anteil der erklärten Varianz lag zwischen 5% und 71%. In den
ausgewerteten Studien zeichnete sich - unabhängig von der
Intervention - folgende Tendenz ab: Schmerzreduktion konnte am
besten mit einer Abnahme von Beeinträchtigung und zu einem
geringeren Teil mit der Verbesserung physischer Leistungsparameter
erklärt werden. Abnahme von Beeinträchtigung wiederum wurde am
besten sowohl mit Schmerzreduktion, als auch mit einer Zunahme
aktiver Copingmechanismen und einer Reduzierung von Fear-avoidance
Überzeugungen erklärt. Eine Rückkehr an den Arbeitplatz konnte vor
allem durch eine Reduzierung der Beeinträchtigung und zu einem
etwas geringeren Teil durch eine Zunahme aktiver Copingmechanismen
sowie einer Reduzierung von Fear-avoidance Überzeugungen
vorhergesagt werden. Teil 2: In beiden Programmen zur
Sekundärprävention von Rückenschmerzen konnte Reduzierung von
Beeinträchtigung am besten mit Reduzierung von Schmerzintensität
und Katastrophisieren erklärt werden. Die Zunahme von Kraft und
Ausdauer hatte keinen statistisch signifikanten Einfluss auf den
Behandlungserfolg. Insgesamt konnte durch das finale Modell 68.7%
der Varianz erklärt werden. Es wurden keine signifikanten
Interaktionen zwischen Programm und Prozessvariablen gefunden.
Diskussion und Schlussfolgerungen Die Ergebnisse der vorliegenden
Arbeit zeigen, dass zur Vorhersage des Behandlungserfolgs bei
chronischen Rückenschmerzen, sowie in der Sekundärprävention
Veränderungen psychologischer, sowie schmerz- und
funktionsbezogener Variablen eine größere Relevanz besitzen, als
Verbesserungen körperlicher Leistungsparameter. Diese Ergebnisse
stimmen mit den Aussagen bisher publizierter Reviews und anderer
Studien überein: Dass nämlich psychologische Faktoren -
insbesondere Tendenzen zum Katastrophisieren und fear-avoidance
Überzeugungen - sowie Schmerzparameter Chronifizierung und
Beeinträchtigung wesentlich besser vorhersagen, als körperliche
Parameter. Von besonderer Bedeutung bei den vorliegenden
Ergebnissen ist zudem, dass der Behandlungserfolg
trainingstherapeutischer und multimodaler Verfahren vorrangig durch
psychologische Wirkmechanismen, nämlich Veränderungen
psychologischer Faktoren wie dysfunktionalen Überzeugungen,
vermittelt wird. Dies ist umso interessanter, als
trainingstherapeutische Programme keine direkten psychologischen
oder kognitiv-behavioralen Interventionen beinhalten. Der Wert
trainingstherapeutischer Interventionen scheint deshalb darin zu
liegen, die Erfahrung zu vermitteln, dass Bewegung nicht schädlich
ist, und hierdurch dysfunktionale Einstellungen und
Bewältigungsstrategien zu verändern. Ob zur Erreichung dieses Ziels
die Durchführung aufwändiger Trainingskonzepte an speziellen
Geräten notwendig ist, gilt es zu überdenken. In Bezug auf
multimodale Programme könnten die Ergebnisse bedeuten, den
Schwerpunkt auf verhaltens- und erfahrungsorientierte - im
Gegensatz zu edukativen und kognitiven Inhalten - zu legen.

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