Carla Eysel – Vorständin der Charité über Auswege aus der Pflegekrise und den kulturellen Wandel an einer der größten Universitätskliniken Europas

Carla Eysel – Vorständin der Charité über Auswege aus der Pflegekrise und den kulturellen Wandel an einer der größten Universitätskliniken Europas

Carla Eysel ist Vorständin für Personal und Pflege an der Charité.  Als Quereinsteigerin in das Gesundheitswesen hat die Juristin die neu geschaffene Rolle an einer der größten und etabliertesten Universitätskliniken Europas im Jahr 2021 übernommen.
44 Minuten

Beschreibung

vor 3 Jahren
Carla Eysel ist Vorständin für Personal und Pflege an der
Charité.  Als Quereinsteigerin in das Gesundheitswesen hat die
Juristin die neu geschaffene Rolle an einer der größten und
etabliertesten Universitätskliniken Europas im Jahr 2021
übernommen. An der Charité übernimmt sie unter anderem die Aufgabe,
den kulturellen Wandel voranzutreiben und die Pflegeberufe sichtbar
zu machen. Sie ist für mehr als 20.000 Mitarbeitende
verantwortlich. Quereinstieg in das
Gesundheitswesen als Vorständin an der Charité

Inga Bergen spricht mit Carla Eysel über ihre Herangehensweise,
Veränderung zu gestalten und über ihre frische Perspektive auf
das Gesundheitswesen. Nach fast 15 Jahren bei Alba wollte Carla
Eysel eine neue Herausforderung. Daher hat sie sich für den neu
geschaffenen Posten bei der Charité beworben und wurde genommen.
Die Pflege in Deutschland steht vor einer großen Herausforderung:
100.000 Pflegekräfte arbeiten nicht in ihrem Beruf, 1/3 der
Pflegekräfte ist Burnoutgefährdet. Im vergangenen Jahrzehnt lag
der Fokus in der Pflege sehr stark auf Effizienz und nicht auf
der Vereinbarkeit von Leben und Beruf. Schichtarbeit stellt eine
besondere Herausforderung für die Planung dar – Carla Eysel
arbeitet daher mit ihrem Team daran, neue Planungsmodelle für die
Pflege einzusetzen – und hat zudem gerade einen Tarifvertrag
verhandelt, zu dem es auch eine Podcastfolge gibt.
Mehr Sichtbarkeit für die Pflege

Als Vorständin ist Carla Eysel auch für Ärztinnen und Ärzte in
der Charité zuständig. Die Pflege wurde aber gesondert
herausgehoben, um Sichtbarkeit zu schaffen. Carla Eysel sagt,
dass es für sie eine Chance ist, mit einem frischen Blick auf das
Gesundheitswesen zu schauen. Um sich auch praktisch
einzuarbeiten, hat Carla Eysel zum, Beispiel auch Praktika auf
verschiedenen Stationen der Charité absolviert. Im Rahmen der
Strategie 2030 pilotiert neue Arbeitszeit- und Planungsmodelle
werden in Piloten, um sie auf die Eignung für den Einsatz in der
gesamten Charité zu testen.
Die Charité steht inmitten eines großen kulturellen
Wandels  

Carla Eysel sagt, dass es ihr darum geht, eine wertschätzende
Kultur in der Charité zu etablieren – sie hat gemeinsam mit ihrem
Team in Workshops einen Wertekanon erarbeitet. Grundlagen sind
Respekt, Fürsorglichkeit, Offenheit, Wertschätzung. Diese Punkte
werden in Führungsmodelle und in Schulungskonzepte integriert –
der Fokus liegt auf der Pflege, aber auch alle anderen Bereiche
sind betroffen.
Digitale Prozesse & User Experience

Kliniken sind sehr stark hierarchisch geprägt – in Bereichen wie
der Notaufnahme ist dies auch notwendig. Aber trotzdem kann z.B.
in Nachbesprechungen sichergestellt werden, dass jede Stimme zu
Wort kommt – ein gutes Beispiel ist die Luftfahrt. Um Qualität zu
verbessern, nutzt die Charité auch agile Methoden. Prozessdenken
über einzelne Bereiche hinweg ist zentral, um die Arbeitsabläufe
zu vereinfachen. Dazu braucht es gut definierte Schnittstellen
und Kompetenzbeschreibungen – und dann wird, so Carla Eysel, auch
der Arbeitsalltag einfacher, weil jeder weiß, was er oder sie zu
tun hat.
Aufwertung des Pflegeberufs & Veränderung der
gesetzlichen Rahmenbedingungen

Digitalisierung ist eines der Interessensgebiete von Carla Eysel,
bei Alba war sie z.B. Leiterin des Innovation Labs. Ohne
Digitalisierung kann heute keine Veränderung mehr gedacht werden.
Zentral ist, dass Prozesse über die einzelnen Bereiche und Silos
entlang einer „User Journey“ gedacht werden. Dies ist eine große
Veränderung. Auch die benötigten Kompetenzen verändern sich.
Pflegekräfte im OP müssen zum Beispiel IT-affin sein. Eine
Aufgabe ist, auch diese Kompetenzen zu definieren und den
Kompetenzrahmen zu setzen – auch politisch. Es gibt heute keine
Berufsbilder für akademisch ausgebildete Pflegekräfte, wie zum
Beispiel in den USA und anderen europäischen Ländern. Die
Realität ist längts eine Andere: Pflege forscht zum Beispiel und
macht die Übersetzung vom Krankenbett in die Forschung und
zurück. Hier muss sich, so Carla Eysel, etwas verändern, da
Deutschland gesetzlich von einem „altmodischen“ Berufsbild
geprägt ist, und es braucht zudem neue Finanzierungsmodelle und
eine Veränderung des Pflegebudgets.
Logistik als Vorbild für mehr Planbarkeit in der
Pflege

Der Paragraph 137k SGB5 enthält eine neue Echtzeitmessung, die
„Patient to Nurse Ratio“ – diese Kennzahl beschreibt, wie viele
Menschen im Einsatz in der direkten Patientenversorgung sind.
Diese Ratios sind auch Teil des Tarifvertrages. Die Ergebnisse
werden wissenschaftlich begleitet. Kennzahlen wie die PPR 2.0
Pflegepersonal-Relation – diese Zahl zeigt, wie viel Aufwand
tatsächlich entsteht – sind sehr detailliert. Wichtig ist, so
Carla Eysel, eine Echtzeitmessung. Pflegekräfte wollen
Planbarkeit, Zuverlässigkeit und wenig Ad-hoc Planung, damit sie
Leben und Beruf vereinbaren können. In der verlässlichen
Dienstplanung sieht Carla Eysel einen Hebel, um das Berufsbild
Pflege wieder attraktiv zu machen. Vorbild ist die
Logistikbranche, die hier gute Steuerungsmodelle entwickelt hat.
Auch künstliche Intelligenz kann hier zum Einsatz kommen.
Corona-Pandemie: Flugbegleiter in die Pflegeberufe an
der Charité

Während der Corona-Pandemie hat Carla Eysel Flugbegleiterinnen
und Flugbegleiter an die Charité geholt – unter anderem im
Bereich Service. Damit wurden die medizinischen Fachkräfte
entlastet. Außerdem hat sich die Stimmungslage verbessert, weil
die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter gute Laune verbreitet
haben. Die Erfahrungen waren gut, auch wenn die Meisten wieder in
ihren Beruf zurückgekehrt sind.


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der Pflegekrise und den kulturellen Wandel an einer der größten
Universitätskliniken Europas erschien zuerst auf Visionäre der
Gesundheit.

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