Bakterienkommunikation

Bakterienkommunikation

Modellansatz 131
30 Minuten
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Beschreibung

vor 7 Jahren

Diese Folge ist eines von drei Gesprächen mit Mathematikerinnen
und Mathematikern an der TU München in Garching bei München, die
Gudrun am 10. April 2017 dort geführt hat.


Christina Kuttler enwickelt und untersucht mathematische Modelle,
die helfen, Bakterien-Kommunikation besser zu verstehen.


Ausgangspunkt des Forschungsthemas war die Beobachtung, dass
bestimmte Meeresbakterien (nämlich Aliivibrio fischeri) im
Leuchtorgan des Tintenfisches Euprymna scolopes Licht aussenden
können, sobald genug von ihnen vorhanden sind. Natürlich stellte
sich die Frage: Wie stellen sie fest, dass sich leuchten lohnt,
d.h. dass genug Bakterien ihrer Art versammelt sind?


Biologie musste also durch gezielte Experimente und allgemeine
Beobachtungen klären: Was und wie kommunizieren diese und andere
Bakterien? Die typischen Antwort im Umfeld der Arbeitsgruppe von
Christina Kuttler sind: Bakterien eruieren über chemische
Signalstoffe, die in den Zellen produziert und ausgetauscht
werden, ob in örtlicher Nähe noch mehr Bakterien ihrer Art
vorhanden sind und in welcher Konzentration. Dafür haben sie
Rezeptoren in den Zellen, die die Signalstoffkonzentration
messen.


Auf die gleiche Weise können sich auch bestimmte
Krankheitserreger zunächst vermehren ohne den Wirt anzugreifen.
Erst wenn eine gewisse Schwelle überschritten wird, ändern sie
ihr Verhalten und beginnen ihre Wirkung zu entfalten.


Die Änderung des Verhaltens unter den Bedingungen "ich bin fast
allein" bzw. "wir sind viele" erfolgt über Genregulationssysteme,
d.h. konkrete Informationen auf den Genen werden aktiviert oder
ausgeschaltet - je nachdem welche Signalstoffkonzentration
gemessen wird.


In diese Prozesse kann man durch Marker in experimentellen
Untersuchungen eingreifen und dadurch auch messen. Die dabei
gewonnenen Daten werden in Modelle gegossen, die so komplex sind,
dass man sich dafür Mathematiker und Mathematikerinnen ins Team
holt. Meist werden große Systeme von Differentialgleichungen
aufgestellt und durch Untersuchung der Lösungseigenschaften der
Gleichungen kann man überprüfen, welche Experimente noch weiter
Aufschluss darüber geben können, ob das System ein gutes Modell
für das Verhalten der Bakterien ist. Hierzu sind einerseits
qualitative Untersuchungen der Gleichungen hilfreich, die z.B.
Bereiche finden, in denen bestimmte Werte steigen oder fallen
(und wie schnell, d.h. in welcher Ordnung) oder wo
Stabilitätseigenschaften vorliegen. Es kommt dabei z.B. vor, dass
Stabilitätsbereiche mathematisch detektiert werden, die erst
später durch Experimente nachgestellt und dadurch verifiziert
werden.


Andererseits erfolgt eine quantitative Untersuchung, d.h. die
Systeme von Differentialgleichungen werden numerisch
(näherungsweise) gelöst. Es ist möglich auf diese Weise auch für
verschiedene dem Prozess inhärente Zeitskalen die Modelle zu
simulieren, denn dafür stehen gute und gut verstandene numerische
Verfahren zur Verfügung.


Beide Zugänge führen zu Ergebnissen, die als gemeinsame Erfolge
von Mathematik und Biologie veröffentlicht werden. Im
Wesentlichen konzentrieren sich die Forschergruppen darauf,
Prinzipien zu verstehen, die hinter der beobachteten
Bakterien-Kommunikation stehen.


In der bisherigen Arbeit und in naher Zukunft werden noch kaum
stochastische Effekte in Modellen berücksichtigt und in der Regel
sind nur gemittelte Werte im Modell dargestellt. Im Moment wird
der Zugang auf die Untersuchung von Bakteriophagen ausgedehnt und
könnte dazu führen, dass man Alternativen zu klassischen
Antibiotika entwickeln kann.


Prof. Christina Kuttler hat seit 2008 die Professur für
Mathematik in den Lebenswissenschaften an der TUM inne. Sie hat
in Tübingen Mathematik, Physik & Informatik studiert und dort
auch promoviert. Sie wechselte 2004 nach München - zunächst als
Postdoc im Institut für Biomathematik und Biometrie am dortigen
Helmholtzzentrum.
Literatur und weiterführende Informationen

B.A. Hense, C. Kuttler e.a.: Efficiency Sensing - was messen
Autoinduktoren wirklich? Biospektrum 01.08 (18-21), 2008.

Stephen J. Hagen (Ed.): The Physical Basis of Bacterial
Quorum Communication, Springer Verlag, 2015.

P. Kumberger, C. Kuttler, P. Czuppon, B.A. Hense: Multiple
regulation mechanisms of bacterial quorum sensing, Biomath 5,
1607291 (open access), 2016.

L. Tetsch: Tintenfisch mit Taschenlampe, Spektrum Magazin,
2016.

Podcasts

L. Adlung: Systembiologie, Gespräch mit G. Thäter und S.
Ritterbusch im Modellansatz Podcast, Folge 39, Fakultät für
Mathematik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2014.

K. Leinweber, M. von Toor: Betreutes Überleben, KonScience
Podcast, Folge 30, 2015.

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