Gruppenentscheidungen

Gruppenentscheidungen

Modellansatz 229
35 Minuten
Podcast
Podcaster

Beschreibung

vor 4 Jahren

In den nächsten Wochen bis zum 20.2.2020 möchte Anna Hein,
Studentin der Wissenschaftskommunikation am KIT, eine Studie im
Rahmen ihrer Masterarbeit über den Podcast Modellansatz
durchführen. Dazu möchte sie gerne einige Interviews mit Ihnen,
den Hörerinnen und Hörern des Podcast Modellansatz führen, um
herauszufinden, wer den Podcast hört und wie und wofür er genutzt
wird. Die Interviews werden anonymisiert und werden jeweils circa
15 Minuten in Anspruch nehmen. Für die Teilnahme an der Studie
können Sie sich bis zum 20.2.2020 unter der Emailadresse
studie.modellansatz@web.de bei Anna Hein melden. Wir würden uns
sehr freuen, wenn sich viele Interessenten melden würden.



Gudrun sprach im Januar 2020 mit drei Studenten ihrer Vorlesung
Mathematical Modelling and Simulation: Samory Gassama, Lennart
Harms und David Schneiderhan. Sie hatten in ihrem Projekt
Gruppenentscheidungen modelliert. In dem Gespräch geht es darum,
wie man hierfür mathematische Modelle findet, ob man Wahlsysteme
fair gestalten kann und was sie aus den von ihnen gewählten
Beispielen gelernt haben.


Wie lassen sich Entscheidungen von Wählergruppen fair in
demokratische Willensbildung einbringen? Mit diesem Thema
beschäftigt sich u.a. auch die Volkswirtschaftslehre. Die dafür
benutzten Modelle sollten einige Eigenschaften haben. Ein
grundlegendes Kriterium wäre beispielsweise: Wenn alle der
gleichen Meinung sind, sollte diese Meinung auch immer die
Gruppenentscheidung sein. Ein weiteres Kriterum könnte verlangen,
dass das Ergebnis Pareto-optimal ist, es also kein anderes
Ergebnis gibt, mit dem jedes Gruppenmitglied zufriedener wäre.


Um die Präferenz der Gruppe auszudrücken, führen die Studenten
die Wohlfahrtsfunktion ein. Das ist eine Abbildung, welche als
Input die Präferenzen der einzelnen Wähler verknüpft. Das
Wahlverfahren wird sozusagen in dieser Abbildung modelliert. Man
wünscht sich


Anonymität: Jede Stimme sollte gleich gewertet werden.

Neutralität: Wenn die Relationen im Input invertiert werden,
bewirkt dies das Selbe beim Output.

Monotonie: Falls eine Relation aus dem Input, welche nicht
den Präferenzen des Outputs entspricht, sich zur
Präferenzrelation des Outputs ändert, bleibt dieser gleich.



Verfahren wie Rangaddition und Condorcet-Methode sind klassisch
und erfüllen leider nicht alle diese Bedingungen.


Die Studenten fügen eine weitere Entscheidungsebene im Modell
hinzu. Man nennt dies geschachtelte Wahl. Als Beispiele dienen
die US Präsidentschaftswahl 2016 und der Eurovision Song Contest
2019.


Bei den Präsidentschaftswahlen in den VereinigtenStaaten von
Amerika, wird der Präsident von den Wahlleuten der Bundesstaaten
für eine Amtszeit bestimmt. Jeder Bundesstaat hat unterschiedlich
viele Wahlleute. Die Wahlberechtigten legen unmittelbar nur die
Wahlleute fest. Deshalb ist das Modell der US
Präsidentschaftswahlen ist ein geschachteltes Modell. Im ersten
Schritt, werden in allen 52 Staaten die Wahlen, mit den US
Bürgern des jeweiligen Staates als Wähler, mithilfe des Condorcet
Modells durchgeführt. Im zweiten Schritt bilden eben jene 52
Staaten die neue Wählermenge, welche dann über eine gewichtete
Rangaddition den endgültigen Präsidenten bestimmt.


Die Studenten haben im Projekt zwei Datensätze verwendet, um die
Präsidentschaftswahlen 2016 in den USA zwischen Donald Trump und
Hillary Clinton zu simulieren. Sie geben die Anzahl der Stimmen
für Donald Trump und Hillary Clinton in den verschiedenen
Wahlbezirken der USA an. Um die Simulation durchzuführen, wurde
Google Colab verwendet. Die benutzte Programmiersprache ist
Python. Die Wahl wurde folgendermaßen simuliert: Man summiert die
Anzahl der Stimmen für alle Kandidaten in jedem Staat.
Anschließend vergleicht man die Anzahl der Stimmen für Trump und
Clinton in jedem Bundesstaat. Dem Gewinner eines Staates werden
die Anzahl der Wahlleute dieses Bundesstaates in das Endergebnis
addiert. Zum Schluss werden die Anzahl der Wahlleute, welche für
die Kandidaten gestimmt haben verglichen.


Trump gewinnt die Wahlen in 30 Bundesstaaten und Clinton in 20
Bundesstaaten, genauer gesagt erhält Trump 304 Wahlleute und
Clinton 227. Somit wäre gewinnt Trump gegen Clinton.


Alternativ zum geschachtelten Modell, wird anschließend die
Abstimmungsmethode direkt auf alle Wahlstimmen angewandt. Dabei
erhält Trump 62.984.828 Stimmen, während Clinton 65.853.514
bekommt. Bei diesem Verfahren gewinnt Clinton gegen Trump.


Im Gespräch wird besprochen, dass es ein Problem ist, wenn bei
recht knappem Wahlausgang pro Bundesstaat eine "Rundung" auf
Wahlleute erfolgt und diese dann addiert wird. Im Vergleich
hierzu kann es bei vielen Parteien auch durch Instrumente wie die
5%-Hürde, die wir in Deutschland implementiert haben, zu unfairen
Effekten kommen.


Die Regeln beim Eurovision Song Contest sind wie folgt: Aus den
Televoting-Ergebnissen und den Jurywertungen jedes einzelnen
Landes setzt sich das Gesamtergebnis für alle Teilnehmenden
zusammen. Die besten zehn Titel werden mit eins, zwei, drei,
vier, fünf, sechs, sieben, acht, zehn und zwölf Punkten bewertet.
Dabei werden die Jury- und Zuschauerwertungen seit 2016
voneinander getrennt. Jedes Land kann einem Teilnehmenden also
bis zu 24 Punkte geben - zwölf durch die Jury, zwölf durch die
Zuschauer. Wenn zwei Songs auf die gleiche Punktzahl kommen,
bekommt das Land die höhere Punktzahl, das vom Publikum höher
bewertet wurde.


Abgesehen davon, dass es sich auch hierbei wieder um ein
geschachteltes Modell handelt, werden hierbei auch noch die
gewichtete Rangaddition und ein externes Diktator Modell
verwendet.



Literatur und weiterführende Informationen

A.D. Taylor and A.M. Pacelli: Mathematics and Politics -
Strategy, Voting, Power, and Proof. Springer-Verlag, Berlin
Heidelberg, 2nd corrected ed. 2008, corr. 3rd printing, 2009.

H.-J. Bungartz e.a.: Modellbildung und Simulation - Eine
anwendungsorientierte Einführung Kapitel 4:
Gruppenentscheidungen, Springer, 2009.

G.G. Szpiro: Die verflixte Mathematik der Demokratie,
Springer, 2011.

W.D. Wallis. The Mathematics of Elections and Voting.
Springer, Berlin, Heidelberg, 2014. au. edition, 2014.

K. Loewenstein: Verfassungsrecht und Verfassungspraxis der
Vereinigten Staaten, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York,
1959.

US Election Tracker as xlsx, 2016.

nytimes presidential elections 2016 results as csv, 2016.

ESC Regelwerk, 2019.

ESC Datensatz, 2019.

S. Gassama, L. Harms, D. Schneiderhan: Gruppenentscheidungen.
Jupyter Notebooks: Eurocontest_2019.ipynb (Web-Viewer),
MS_USA_2016.ipynb (Web-Viewer)




Podcasts

P. Stursberg, G. Thäter: Social Choice, Gespräch im
Modellansatz Podcast, Folge 129, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2017.

M. Lübbecke, S. Ritterbusch: Operations Research, Gespräch im
Modellansatz Podcast, Folge 110, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016.

P. Staudt, G. Thäter: Wahlsysteme, Gespräch im Modellansatz
Podcast, Folge 27, Fakultät für Mathematik, Karlsruher Institut
für Technologie (KIT), 2014.

M. Fehndrich, T. Pritlove: Wahlrecht und Wahlsysteme,
Gespräch im CRE Podcast, Folge 128, Metaebene Personal Media,
2009.

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