Sexting im Strafrecht

Sexting im Strafrecht

Das Verschicken selbst erstellter sexueller Inhalte kann für Jugendliche rechtliche Folgen haben. Auch dann, wenn es im Einvernehmen geschieht. Die Medienjurist*innen Sünje Andresen und Stephan Dreyer klären auf.
46 Minuten
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Wir erforschen was mit Medien

Beschreibung

vor 3 Monaten
Sexting, also der konsensuale Austausch eigener intimer Bilder oder
Videos, kann je nach Alter strafrechtlich relevant sein. Erhält
eine unter 18-jährige Person von einer anderen unter 18-jährigen
ein freizügiges Bild und löscht dieses nach Kenntnis nicht sofort,
kann der Tatbestand der Jugendpornographie erfüllt sein (§ 184c
StGB). Ist die Person, die das freizügige Bild erstellt und
verschickt, unter 14 Jahre alt, muss wegen Kinderpornographie (§
184b StGB) ermittelt werden.   Der Vorwurf der
Sexualstraftat wiegt schwer. Eine Strafermittlung kann gravierende
Folgen für Jugendliche haben. Der Gesetzgeber hat dies den letzten
Jahren verschärft.  Verschärfung mit ungewollten Folgen 
Als Reaktion auf eine Reihe grausamer Missbrauchsskandale hat der
Gesetzgeber im Juni 2021 den Kinderpornographie-Paragraphen, §184b
StGB, verschärft. Verbreitung, Erwerb und Besitz von
kinderpornographischen Inhalten wurden hochgestuft von einem
Vergehen auf ein Verbrechen. Das bedeutet, dass das Delikt nunmehr
mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe zu bestrafen ist.
Grausame Taten, wie dokumentierten Kindesmissbrauch, mit hohen
Strafen zu belegen, ist mehr als schlüssig. Die
Gesetzesverschärfung hat aber auch eine Reihe skurriler
Folgen.  Wohlmeinende Eltern oder Lehrkräfte, die – in bester
Absicht handelnd – Beweise sammelten und mit entsprechendem
Material auf dem Handy zur Polizei gingen, wurden plötzlich zum
Fall für die Justiz. Denn auch sie waren ja im Besitz von
Kinderpornographie. „Bei einem Verbrechen kann, im Gegensatz zu
einem Vergehen, der Prozess nicht wegen Nichtigkeit eingestellt
werden“, erklärt Sünje Andresen. Solche „Nicht-Fälle“ gibt es seit
der Verschärfung viele.  Sexualität findet auch digital
statt  „Die polizeiliche Kriminalstatistik von 2023 zeigt,
dass knapp die Hälfte aller Tatverdächtigen unter 21 Jahre alt war,
davon waren wiederum knapp 30% sogar unter 14“, sagt Sünje
Andresen. „Ich will nicht abstreiten, dass auch junge Menschen
Täter sein können. Aber in diese Statistik fallen auch jene, die
nicht dem Profil des pädo-kriminellen Straftäters entsprechen, den
wir eigentlich im Blick haben sollten, sondern hier geht es auch um
junge Menschen, die ihre Sexualität entdecken.“ Ist der Fall erst
einmal erfasst, müssen Ermittler*innen, Staatsanwält*inne und
Richter*innen sich damit beschäftigen. Das frisst viel Zeit und
Ressourcen, die benötigt würden, um schwere Fälle von
dokumentiertem Missbrauch zu verfolgen.  Stephan Dreyer ärgert
sich, dass der Diskurs zu diesem Thema aktuell darum kreist, wie
Kinder und Jugendliche einer Strafe entgehen, wenn sie
einvernehmlich intime Inhalte austauschen. „Kinder und Jugendliche,
die ihre Sexualität konsensual entdecken, sollten sich nicht davor
fürchten, als Sexualstraftäter geahndet zu werden. Wie viele
Lebensbereiche von Kindern und Jugendlichen wandert auch die
Sexualität ins Digitale. Man sollte eher mit ihnen darüber reden,
wie sie Sexting auf eine Weise betreiben, mit der sie sich
wohlfühlen; dass sie es nur mit Menschen machen sollen, denen sie
wirklich vertrauen, oder dass sie Nein sagen, wenn sie etwas nicht
wollen.“

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