Finanzen damalsTM

Finanzen damalsTM

Modellansatz 097
2 Stunden 8 Minuten
Podcast
Podcaster

Beschreibung

vor 7 Jahren

Auf der Gulasch Programmiernacht (GPN16) des Entropia e.V. in der
Hochschule für Gestaltung und dem ZKM in Karlsruhe trafen sich
Stephan Ajuvo und Sebastian Ritterbusch für einen Cross-Over
Podcast vom damals TM Podcast und dem Modellansatz Podcast um
über die Geschichte von Finanzen und Mathematik zu plaudern.


Der damalsTM Podcast befasst sich damit, wie es kam, dass es kam,
so dass es ist, wie es ist- und hatte in der letzten Zeit schon
eine Reihe zu Geld (Geld I, Geld II, Geld III), wo die
Entwicklung der Zahlungsmittel bisher bis zum 2. Weltkrieg
behandelt wurden.


Die Ökonomie zählt zu den Sozialwissenschaften, die oft Theorien
auf Annahmen behandeln, während die Mathematik als
Geisteswissenschaft sich gerne auch mal sehr exakt mit Theorien
fernab der Realität befassen kann. Die Kryptographie ist jedoch
ein schönes Beispiel, wie aus abstrakten mathematischen Theorien
der Algebra und der Zahlentheorie plötzlich sehr reale
Anwendungen aus unserem Alltag wurden. Mit Kryptoanalyse konnte
man sowohl einfache Transpositionschiffren als auch die Enigma
durch mathematische Verfahren knacken.


Bevor vereinheitlichte Geldeinheiten eingeführt wurden, waren
schon früh Objekte mit Geldfunktion eingesetzt, wo oft die
Seltenheit und Wertigkeit des Materials schon für sich einen
gewissen Wert sicherte. Ebenso früh kam es zu Geldversprechen wie
dem Agrarkredit (zurück bis hin zum Codex Hammurapi), mit denen
jetzige Ausgaben durch versprochene spätere Erntegewinne
beglichen werden konnten. Dies führte zum Konzept des Zinses, mit
dem das Verlustrisiko durch Ausfall und die erst spätere
Zugängigkeit des Geldes bewerten kann. Das Größenordnung des
Zehnt war gesellschaftlich zwar als Steuer akzeptiert, wurde
jedoch als Zins schnell als Wucher gesehen, da der Zinseszins
sehr schnell anwuchs. Daraus entstand auch die Gegenbewegung des
Zinsverbots, das auch heute noch im Islamischen Bankwesen zu
Umgehungsgeschäften führt. Die mit Geldgeschäften oft
assoziierten Geldwechsler hatten als Arbeitsmittel eine Bank, die
namensgebend für unsere heutigen Banken ist, und woran das Wort
bankrott auch heute noch erinnert.


Neben astronomischen Berechnungen, wie der Berechnung des
Osterfests, war die Geldwirtschaft früh ein großes Anwendungsfeld
für die Mathematik. Ein wichtiges Berechnungsmodell waren die
Abzinsung und die Zinsformel, mit der man die Werte zwischen
jetzt und in Zukunft unter Berücksichtigung des Zinses umrechnen
konnte. Hier war das exponentielle Wachstum der Kreditentwicklung
unter Zinseszinsen für viele nicht zu übersehen. Aber selbst,
wenn man diese Berechnung beherrschte, so gab es das
Zinsänderungsrisiko, das besonders bei langfristigen Verträgen zu
erheblichen Änderungen zu den Kalkulationen führen konnte.


Verschiedene Zinssätze verschiedener Landesherren führte auch
unmittelbar zu unterschiedlichen Wechselkursen zwischen den
lokalen Währungen der Landesherren. Zusätzlich gab es schon früh
den Effekt der Teuerung oder Inflation oft durch unkontrolliertes
Geldmengenwachstum. Ein Beispiel ist hier die Inflation durch die
Entdeckung Amerikas. Es war damals noch nicht klar, wie der
tatsächliche Wert des Geldes auch durch einen Warenkorb
identifiziert werden kann. Ein sehr grobes aber dafür sehr leicht
zugängiges aktuelles Indiz für den Wert verschiedener Währungen
ist der Big-Mac Index.


Aus der Anforderung des waren- und ortsübergreifenden Handels
wurden die Börsen geboren: Hier konnten Waren und Währungen im
Jetzt, aber auch in der Zukunft in Termingeschäften gehandelt
werden. Schnell etablierte sich hier auch die Spekulation, die
über Risikoübernahme zu einem wichtigen Bestandteil der
Wirtschaft wurde. Ein bekanntes Beispiel für eine Fehlentwicklung
ist die Tulpenkrise, bei der es zu einer Finanzblase bis hin zum
Börsencrash kam, und exemplarisch für spätere Immobilienblasen
wurde. Die Effekte konnten durch Hebeleffekte noch verstärkt
werden, wenn Fremdkapital für mehr erwartete Rendite eingesetzt
wurde.


Eine Renditebetrachtung ist auch für die persönliche
Finanzplanung sehr wichtig- so sollte jeder die Altersvorsorge
frühzeitig angehen und dabei Risikoklassen und die
Diversifikation zur Risikoverteilung beachten. Aus der Erfahrung,
dass viele Finanzprodukte und Anlageberater die zugrunde
liegenden Indices oft nur in der Vergangenheit schlagen, haben
sich Finanzcommunities wie The Motley Fool gebildet, um sich
gegenseitig zu informieren.


Mathematisch kann man die Optimalität einer Investition auch als
Multikriterielle Optimierung zwischen Rendite und Risiko im Sinne
der Volatilität verstehen: Hier stellt sich heraus, dass hier
zwischen den Kriterien abgewogen werden muss, und es nicht ein
Optimum gibt, sondern die Linie der Pareto-Optimalität. Jedoch
darf man nicht einfach aus der vergangenen Entwicklung auf
Rendite und Risiko schließen: Gerade Ponzi-Systeme scheinen eine
hohe Rendite bei geringer Volatilität und Risiko zu liefern, wo
die Zinsen früherer Anleger nur durch die Investitionen durch
angelockte Neuanleger bezahlt werden, und was natürlich nicht
ewig funktionieren kann, und viele werden ihren Einsatz
verlieren.


Plant man Investitionen in Güter, so sollte man daher genau
recherchieren, wie es um den Gegenstand steht. Bei Immobilien
gibt ist eine Begehung mit Fachpersonen möglich und ein Blick in
Bodenrichtwertkarten ist sehr sinnvoll. Bei Aktien kann man
hingegen auf Basis der veröffentlichten Informationen und
Kennzahlen Fundamentalanalysen bilden. Alle diese Modelle sind
aber immer Komplexitätsreduktionen, die irgendwann ihre
Gegenbeispiel finden können und dann zu Geldverlust führen.


Neben der schwierigen Bewertung von Aktien wird es richtig
spannend, wenn notwendigerweise auch Termingeschäfte oder
Derivate der Aktien oder Wirtschaftsgüter berücksichtigt werden:
Diese werden im Markt unmittelbar benötigt, sind jedoch vom
Basiswert und der allgemeinen Marktsituation abhängig. Optionen
können auf der einen Seite Geschäfte absichern, können jedoch auf
der anderen Seite bei einem hohem Hebel auch sehr spekulativ und
entsprechend gefährlich sein.


Für eine mathematische Bewertung von Optionen wird ein Markt mit
Arbitragefreiheit vorausgesetzt, um andere künstliche Einflüsse
auszuschließen. Dann können analytisch Optionskennzahlen (die
Griechen) bestimmt werden, um aus dem komplexen Markt ein Gefühl
für den Wert zu erhalten. Umgekehrt kann man aber auch
konstruktiv eine Bewertung mit dem Cox-Ross-Rubinstein-Modell
berechnen. Der Kursverlauf wird hier vereinfacht wie der
Kugellauf durch ein Galtonbrett angenommen, wo eine Richtung für
einen fallenden Kurs, die andere für einen steigenden Kurs steht.
Dies führt im vereinfachten Fall zu einer Binomialverteilung oder
im Grenzfall zu einer Normalverteilung der möglichen Kurse am
Ende der Laufzeit. Damit kann die Option auf Basis von
Volatilität und Rendite des Basiswerts mit einem diskreten Modell
bewertet werden.


Das vereinfachte Cox-Ross-Rubinstein-Modell lässt sich unter
weiteren Annahmen immer feiner diskretisieren und man erhielt
1973 das Black-Scholes-Modell, wo nun in dieser stochastischen
Differentialgleichung der Brownsche Prozess Anwendung findet. Der
Brownsche Prozess ist der beobachteten zufälligen brownschen
Molekularbewegung entlehnt. Aus diesem komplexen Modell können
nun einfache geschlossene Formen für die Bewertung von vielen
Optionenstypen berechnet werden, was 1997 zur Verleihung des
renommierten Preises der Wirtschaftswissenschaften geführt hatte.


Leider ergaben sich schnell Widersprüche in der Überprüfung des
Modells am echten Markt: Es entsteht der Volatilitäts-Smile, der
den Unterschied der Vorhersage zur tatsächlichen Situation
darstellt. Interessanterweise trat der von Devisen bekannte
Effekt bei Aktien erst nach dem Börsencrash von 1987 auf.

Podcasts

S. Ritterbusch: Digitale Währungen, Gespräch mit G. Thäter im
Modellansatz Podcast, Folge 32, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2014.

W. Härdle: Risikobewertung, Gespräch mit G. Thäter im
Modellansatz Podcast, Folge 41, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2014.

S. Ajuvo, L. Schult: Geld I, Gespräch im damalsTM Podcast,
Folge 2, 2015.

S. Ajuvo, Steffen P., L. Schult: Geld II, Gespräch im
damalsTM Podcast, Folge 5, und im VorHundert Podcast, Folge 18,
2015.

S. Ajuvo, L. Schult: Geld III, Gespräch im damalsTM Podcast,
Folge 21, 2016.



L. Mirlina, F. Dehnen: Qwirkle-Gruppe. Gespräch mit S.
Ritterbusch im Modellansatz Podcast, Folge 76, Fakultät für
Mathematik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2015.
http://modellansatz.de/qwirkle-gruppe


GPN16 Special

J. Breitner: Incredible Proof Machine, Gespräch mit S.
Ritterbusch im Modellansatz Podcast, Folge 78, Fakultät für
Mathematik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016.
http://modellansatz.de/incredible-proof-machine

M. Fürst: Probabilistische Robotik, Gespräch mit S.
Ritterbusch im Modellansatz Podcast, Folge 95, Fakultät für
Mathematik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016.
http://modellansatz.de/probabilistische-robotik

S. Ajuvo: Finanzen damalsTM, Gespräch mit S. Ritterbusch im
Modellansatz Podcast, Folge 97, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016.
http://modellansatz.de/finanzen-damalstm

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