Perkolation

Perkolation

Modellansatz 087
42 Minuten
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Beschreibung

vor 8 Jahren

Sebastian Ziesche hat bei Martin Zerner an der Universität in
Tübingen Perkolationstheorie kennen gelernt und sich von der
Faszination seines akademischen Lehrers anstecken lassen. Er hat
nach dem Diplom in Karlsruhe in der Arbeitsgruppe von Günther
Last das Vorhaben verfolgt, die Perkolationsmethoden auf
zufällige Mosaike zu erweitern und darüber zu promovieren. Dieses
Projekt hat er Anfang 2016 erfolgreich abgeschlossen.


Perkolation ist ein Modell der statistischen Physik zur
Modellierung poröser Strukturen mit Hilfe von Zufallsprozessen.
Es geht dabei vor allem um die Quantifizierung von
Durchlässigkeit. Als einfachstes Beispiel kann man sich ein
regelmäßiges Gitter z.B. in der Ebene oder im Raum vorstellen, in
dem jeder Knoten zufällig und unabhängig von allen anderen Knoten
mit Wahrscheinlichkeit 1-p entfernt wird. Eine wichtige Frage
ist, wie groß Zusammenhangskomponenten in so einer Struktur sein
können. Dieses Modell hat nur einen Parameter (mit welcher
Wahrscheinlichkeit p verbleibt ein Knoten im Gitter oder nicht)
um verschiedene Strukturen unterscheidbar zu machen.


Untersuchte Eigenschaften der Zusammenhangskomponeten bzw.
Cluster sind Fragen nach deren Durchmesser oder Volumen. In der
Regel eignet sich das Zählen von Knoten gut als Entfernungsmaß.
Insbesondere die Frage, ob Cluster unendlich groß sein können
erweist sich als interessant. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass
es unendlich große Cluster gibt, hängt von dem Parameter p ab und
ist entweder 0 (unwahrscheinlich) oder 1 (d.h. fast sicher). Das
liegt daran, dass nach dem Null-Eins-Gesetz von Kolmogorov
Ereignisse, die nicht vom Zustand endlich vieler Knoten abhängen,
nur die Wahrscheinlichkeit 0 oder 1 haben können. Nach
Überschreiten eines gewissen (sogenannten kritischen) Parameters
wird also die Wahrscheinlichkeit, dass es einen unendlich großes
Cluster gibt, von 0 auf 1 springen.


Das Verhalten im ebenen Fall ist deutlich besser verstanden und
zeigt im Dreiecks-Gitter eine gewisse Dualität, da immer entweder
die vorhandenen oder die gelöschten Knoten einen unendlich großen
Cluster bilden (außer im kritischen Fall). Im drei-dimensionalen
Fall hingegen könnten unendlich große Cluster in beiden Mengen
gleichzeitig existieren, falls der kritische Parameter kleiner
als 1/2 ist.


Mathematisch ist das gar nicht so einfach zu untersuchen. Ein
typisches Verfahren ist es, Würfel der Kantenlänge n als
Repräsentanten in allen möglichst vielen Realisierungen zu
simulieren (die uns verfügbare Rechenleistung begrenzt dabei die
Anzahl simulierbarer Realisierungen) und aus den so gewonnenen
Strukturbeobachtungen auf das unendlich große Gebiet zu
schließen. Die Perkolationstheorie fragt anders herum auch nach
lokalen Konsequenzen aus dem Wissen um die Existenz unendlich
großer Cluster. Die FKG-Ungleichung ist hier in beiden Richtungen
(von lokal nach global und umgekehrt) ein Hauptwerkzeug.


Sebastian Ziesche hat die Perkolationstheorie, die auf Gittern
verstanden ist, auf zufällige Graphen erweitert. In einem
zweistufigen Prozess wird also zunächst ein zufälliges Gitter
erzeugt, das dann ausgedünnt wird. Ein Beispiel ist ein
Voronoi-Mosaik. Die Methoden der klassischen Perkolationstheorie
müssen durch Methoden ergänzt werden, die die besonderen
geometrische Eigenschaften ausnutzen.


In unserem Gespräch unterhielten wir uns außerdem darüber, wie
wichtig es ist, dass Wissenschaftler den richtigen Rahmen finden,
um junge Leute für ihre Themen zu begeistern und dass die Arbeit
am Promotionsprojekt durchaus nicht geradlinig ist sondern von
(postiven wie negativen) Überraschungen geprägt ist. Vieles lässt
sich zu Beginn nicht absehen.
Literatur und weiterführende Informationen

G.R. Grimmett: Perkolation, Springer, 1999.

A. Okabe et al.: Spatial Tessellations: Concepts and
Applications of Voronoi Diagrams, 2nd Ed., Wiley, 2000.


Podcasts

A. August: Metallschaum, Gespräch mit S. Ritterbusch im
Modellansatz Podcast, Folge 37, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2014.
http://modellansatz.de/metallschaum

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