Folge 1194: TAR - Das Ich, die Macht und das verräterische Herz

Folge 1194: TAR - Das Ich, die Macht und das verräterische Herz

16 Minuten
Podcast
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Der erste Eindruck direkt nach dem Kino

Beschreibung

vor 1 Jahr

Das „Meisterwerk“-Etikett findet gefühlt in jeder zweiten
Filmkritik zu TÁR. Zurecht? Im Mittelpunkt steht Lydia Tár,
Komponistin und Dirigentin von Weltruf, auf dem Gipfel ihres
Ruhmes und ihrer Macht. Sie dirigiert die Berliner
Philharmoniker, spielt Mahlers Fünfte für die Deutsche Grammophon
ein, veröffentlicht ein Buch – für diese Exposition lässt sich
Todd Field Zeit. Ein fast dokumentarisch wirkender Einstieg, sehr
schön für alle, die sich auch nur ein bisschen für klassische
Musik interessieren. Aber vom Gipfel aus droht der Absturz: Ganz
langsam steigert Todd Field die Bedrohung, die Schatten der
Vergangenheit werden sichtbar, Überempfindlichkeit und Paranoia
wachsen. Vor allem sehen wir, wie Lydia Társ kalter Narzissmus
ihre Arbeit und ihre Ehe gefährdet …



Wie moralisch ist TÁR? Nicht leicht zu beantworten. Ist Tár
charismatisches Genie oder narzisstisches Monster? Oder beides?
Was hat sie sich zu schulden kommen lassen? Abgesehen von einem
Egoismus, der einem manchmal die Sprache verschlägt und
mangelnder Diplomatie in der Diskussion mit Studierenden und
ihrer offensichtlichen Bevorzugung einer begehrenswerten
Cellistin. Es ist vor allem ihre Entscheidung, die Karriere einer
ehemaligen Mitarbeiterin, einer Cellistin, zu zerstören, die auf
sie zurückschlägt.



Im Film kommt trotz der Länge keine Langeweile auf – Thomas hätte
sich TAR auch als 10-teilige Serien angeschaut (Peter hätte den
Film aber gerne um eine Stunde gekürzt). Field gelingt ein
besonderer Realismus: Field und Blanchett erwecken mit Lydia Tár
eine umfassende Figur zum Leben in einer ebenso komplexen wie
interessanten Welt. Mit ihrer Ehefrau (Nina Hoss), ihrer
Assistentin (Noemie Merlant) und einem unterlegenen Konkurrenten
(Mark Strong) hat Tár starke Partner und Gegner. Sehr gut und
sehr sehenswert, aber das „Meisterwerk“-Etikett würden wir nicht
aufkleben. Im Podcast direkt nach dem Film reden wir über Edgar
Allan Poe, über filmische Regelbrüche, rückwärts erzählte
Dekonstruktionen, Oscar-Chancen und die Hölle. Am Mikrofon direkt
nach dem Film: Heidi, Johanna, Katharina, Peter und Thomas.

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