Beschreibung

vor 22 Jahren
Die sprunghafte Entwicklung in der Femtosekundenlasertechnologie
Anfang der 90er Jahre ermöglicht es, laserphysikalische Experimente
in den verschiedensten Bereichen der Naturwissenschaften bei
Pulsdauern von einigen Femtosekunden und elektrischen Feldstärken
in der Größenordnung inneratomarer Felder durchzuführen. Im Rahmen
dieser Arbeit wurden die drei wichtigsten Prozesse im Bereich der
Wechselwirkung von Atomen mit starken Laserfeldern untersucht: Im
Fall der Above-threshold Ionisation (ATI) absorbiert ein Elektron
aus dem Lichtfeld mehr Photonen, als zu seiner Ionisation notwendig
sind. Die Überschussenergie kann mit einem Flugzeitspektrometer in
Form der kinetischen Energie des Photoelektrons gemessen werden. Im
ATI-Spektrum wird die Zahl der gemessenen Photoelektronen als
Funktion ihrer Energie aufgetragen: Es ergibt sich eine Serie von
Maxima im Abstand der Photonenenergie. Diese fallen mit steigender
Photoelektronenenergie stark ab und entsprechen der Anzahl der
jenseits der Ionisationsschwelle absorbierten Photonen. Die Form
der Spektren gibt detaillierte Hinweise auf Einzelheiten des
Ionisationsvorgangs. Zum Beispiel misst man für lineare
Polarisation des eingestrahlten Lichts eine plateauartige Struktur,
die durch einen Rückstreuprozess des Elektrons am Ionenrumpf
hervorgerufen wird: Die Einhüllende des ATI-Spektrums folgt
zunächst dem störungstheoretisch erwarteten starken Abfall für
niedrige Elektronenenergien. Sie geht dann in das ATIPlateau über,
bis sie am sogenannten Cutoff endgültig stark abfällt. Neben dem
Ionisationsprozess beobachtet man bei der Wechselwirkung von Atomen
mit intensiven Laserfeldern auch die Erzeugung hoher Harmonischer
(high harmonic generation, HHG). Dabei emittieren die Atome
Strahlung mit Photonenenergien, die einem Vielfachen der Energie
der eingestrahlten Photonen entsprechen. Aufgrund der
Inversionssymmetrie werden im Gas nur die Harmonischen ungerader
Ordnung erzeugt. HHG kann durch Elektronen erklärt werden, die -
statt wie bei ATI am Ionenrumpf zu streuen, rekombinieren und auf
diese Weise die aus dem Laserfeld aufgenommene Energie in Form von
hochenergetischer Strahlung abgeben. Auch im Spektrum der
Harmonischen fand man ein Plateau, das sich bis in den Bereich
weicher Röntgenstrahlung erstrecken kann. HHG erlaubt es damit,
vergleichsweise effizient kohärente kurzwellige Strahlung zu
erzeugen, die vielversprechende Anwendungen ermöglicht, zum
Beispiel in der Biologie (Mikroskopie). Als dritte Möglichkeit kann
das Elektron seine während des Ionisationsprozesses gewonnene
Energie dazu benutzen, ein zweites Elektron aus dem Atom zu lösen.
Dies wird nicht-sequentielle Doppelionisation (NSDI) genannt und
beinhaltet hochinteressante korrelierte Ionisationsdynamik. Für die
Experimente dieser Arbeit wurde ein hochrepetitives (100kHz)
Lasersystem aufgebaut, das bei einer Pulsenergie von 6µJ und einer
Pulsdauer von 50fs Spitzenintensitäten von 2 · 1014W/cm2 erzeugt.
Für Messungen in diesem Intensitätsbereich wurde ein kombiniertes
Elektronen- und Ionen-Flugzeitspektrometer sowie ein
Vakuum-UVSpektrometer konstruiert. Ersteres wurde im Rahmen dieser
Arbeit aufgebaut und erlaubt die gleichzeitige Messung von
Elektronen und Ionen. Das XUV-Spektrometer wurde im Rahmen dieser
Arbeit umgebaut und erstmals zur Messung hoher Harmonischer
eingesetzt. Bei einer Repetitionsrate von 100kHz sind sehr
detaillierte Analysen des Ionisationsprozesses möglich. So wurde
eine vergleichende Studie zum Einfluß der Elliptizität des
einfallenden Lichtfeldes auf die drei oben genannten Effekte
durchgeführt. Elliptisch polarisiertes Licht beschleunigt das
Elektron in zwei Raumrichtungen. Mit zunehmender Elliptizität
verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass das Elektron während
des Ionisationsprozesses zum Ionenrumpf zurückkehrt und damit auch
die Effizienz von ATI, HHG und NSDI. Ihre Abhängigkeit von der
Elliptizität wurde unter nahezu identischen experimentellen
Bedingungen gemessen. Die Messung bestätigt die gemeinsame Wurzel
der drei Prozesse. Der Einfluß der Polarisation auf die Bahn des
Elektrons kann in einem einfachen klassischen Modell beschrieben
werden, das die gemessene Abhängigkeit näherungsweise reproduziert.
Ein Durchbruch in der theoretischen Beschreibung von Prozessen in
starken Feldern gelang Lewenstein et. al. mit vom Feynman’schen
Pfadintegral abgeleiteten Gleichungen. Der klassische Limes dieser
Theorie ist das oben erwähnte klassische Modell. Beide erlauben
eine intuitive Deutung der physikalischen Vorgänge mit Hilfe von
räumlichen Trajektorien bzw. Quantentrajektorien, die das Elektron
aufgrund der Wechselwirkung mit dem Feld nehmen kann. Im
ATI-Experiment ist es uns dabei gelungen, unter bestimmten
Bedingungen ein ATI-Spektrum in die Beiträge von einzelnen Paaren
von Quantentrajektorien zu zerlegen. Führen mehrere
Quantentrajektorien zum gleichen Endzustand des Elektrons, so
können sie miteinander interferieren. Die Interferenz von
Quantentrajektorien beeinflusst die Form der ATI-Spektren auf
verschiedenste Art. Dies zeigt zum einen die Messung der
Interferenz niederenergetischer Elektronen und rückgestreuter
hochenergetischer Elektronen. Eine Voraussetzung für ihre
Interferenz mit messbarem Kontrast ist eine vergleichbare Amplitude
in den entsprechenden Termen der Wellenfunktion. Im Plateau-Bereich
der Photoelektronenspektren ist dies für kleine elliptische
Polarisation des Lichts erfüllt, da dann, wie schon erwähnt, der
Rückstreuvorgang abgeschwächt wird. Die Interferenz der beiden
Beiträge zeigt sich in der Winkelverteilung der Photoelektronen
dadurch, dass sich das ATI-Plateau aufgrund der Interferenz
aufspaltet. Ein zweites Beispiel für den Einfluss von
Interferenzeffekten betrifft die Form der Einhüllenden eines
ATI-Spektrums. Diese wird durch resonanzartig auftretende Effekte
bei bestimmten Intensitäten dominiert. Die Dynamik in der
Ausbildung des ATI-Plateaus wurde durch die detaillierte Messung
der Intensitätsabhängigkeit der ATI-Spektren untersucht. Dazu wurde
in kleinen Schritten die Intensität erhöht und die dazugehörigen
Spektren aufgenommen. Die resonanzartigen Effekte treten gerade bei
solchen Intensitäten auf, bei denen die Theorie eine große Anzahl
von Quantentrajektorien braucht, um das Spektrum zu approximieren.
Daraus kann man auf konstruktive Interferenz der beteiligten
Trajektorien schließen. Ein völlig neuer Bereich der Wechselwirkung
ultrakurzer Pulse mit Atomen eröffnet sich bei Pulslängen um oder
kürzer als 5fs. Solche Pulse bestehen aus weniger als zwei
optischen Zyklen (FWHM). Dadurch wird die Phase zwischen der
Einhüllenden des Pulses und seiner Trägerwelle von Bedeutung
(absolute Phase). Da alle Effekte, die durch intensive Laserfelder
hervorgerufen werden, vom Verlauf des elektrischen Feldes des
Laserpulses abhängen, hängen sie auch von der absoluten Phase ab.
Dies ist von entscheidender Bedeutung für verschiedene moderne
Forschungsbereiche wie die Erzeugung von Attosekundenpulsen, die
kohärente Steuerung atomarer und molekularer Prozesse, die
Laserplasmaphysik aber auch die Entwicklung optischer
Frequenzstandards. An der Politecnico di Milano haben wir mit einem
5fs-Lasersystem erstmals Effekte der absoluten Phase nachweisen
können. Dies wurde durch eine Korrelationsanalyse der in
entgegengesetzte Raumrichtungen emittierten Photoelektronen
erreicht.

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