Speciation and species delimitation in insular and continental systems

Speciation and species delimitation in insular and continental systems

Beschreibung

vor 10 Jahren
Hintergrund Zu den grundlegendsten Fragestellungen in der Biologie
gehört die Frage nach der Natur und Entstehung biologischer Arten.
Dieses Problem der Artdefinition (Engl. "Species Problem") war der
Ursprung weitläufiger und kontroverser Diskussionen seit der
Formulierung der Darwin'schen Evolutionstheorie. Bis heute wurden
etwa 30 verschiedene und zum Teil gegensätzliche Konzepte zur
Definition und wissenschaftlichen Abgrenzung der Art
veröffentlicht. Eine Einigung ist nicht in Sicht. Gleichzeitig ist
die Taxonomie mit der Herausforderung konfrontiert, dass ein
immenser Teil der weltweiten Artenvielfalt wissenschaftlich noch
nicht erfasst und beschrieben ist. Dies erfordert Methoden, die die
Beschreibung neuer Arten beschleunigen und gleichzeitig deren
Zuverlässigkeit und Nachvollziehbarkeit wahren. DNA-Barcoding, d.h.
Artbestimmung an Hand eines kurzen standardisierten Fragments der
DNA, soll die Erfassung der Artenvielfalt und das Erkennen
unbekannter Arten beschleunigen. Die so genannte "Cybertaxonomie"
erlaubt leichteren und schnelleren Zugriff auf vorhandene
taxonomische Informationen, indem Daten online und kostenfrei zur
Verfügung gestellt werden. Dies trägt zur Steigerung der Effizienz
taxonomischer Prozesse bei. Integrative Taxonomie kombiniert
verschiedene Beweislinien, wie zum Beispiel morphologische,
molekulare und ökologische Daten, um die Zuverlässigkeit und
Nachvollziehbarkeit bei der Abgrenzung und Beschreibung von Arten
zu erhöhen. In dieser Dissertation untersuche ich zwei verschiedene
Studiensysteme, um derzeit als gültig angesehene Modelle der
Artbildung und Methoden der Artabgrenzung zu testen. Bei diesen
Systemen handelt es sich um die Reptilien der Komoren, einer Gruppe
ozeanischer Inseln im westlichen Indischen Ozean, und australische
Wasserkäfer. Die Biogeographie dieser beiden Gruppen ist durch
höchst unterschiedliche Faktoren geprägt: Die Komoren sind
vergleichsweise junge vulkanische Inseln, deren einheimische,
landbewohnende und flugunfähige Faunenelemente ausschließlich auf
Besiedelung durch Drift über das offene Meer zurückgehen. Dagegen
stellt Australien eine alte und isolierte Landmasse dar, deren
Lebensgemeinschaften durch Klimaveränderungen in der Erdgeschichte
geprägt sind. Ozeanische Inseln wurden schon von frühen Forschern
als wichtige Systeme zum Studium der Biogeographie erkannt, und
meine Untersuchung dieser beiden so unterschiedlichen Systeme
stellt sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede der
Biogeographie von Inseln und Kontinenten heraus. Methoden und
wesentliche Ergebnisse Als Fallbeispiele zur Untersuchung im Rahmen
dieser Dissertation wählte ich zwei Teilgruppen der komorischen
Reptilien (Geckos der Gattung Paroedura und Schlangen der Gattung
Lycodryas) sowie drei Teilgruppen der australischen Wasserkäfer
(die Familie Hygrobiidae und die Gattungen Antiporus und
Sternopriscus aus der Familie Dytiscidae) aus. In beiden Fällen
wurde der Grundstein für weitere Untersuchungen durch DNA-Barcoding
gelegt, wie für die Reptilien als Teil dieser Dissertation
beschrieben. Als nächsten Schritt führte ich Untersuchungen an
mehreren mitochondrialen und nukleären Genmarkern durch, um die
Phylogenien der jeweiligen Gruppen zu rekonstruieren und, im Fall
der Hygrobiidae, das Alter der Phylogenie durch eine molekulare Uhr
abzuschätzen. Ich versuchte, die Phylogenien komorischer Reptilien
mit geologischen Daten über die erdgeschichtliche Entstehung der
Inseln sowie die Ausbreitungsmöglichkeiten zu und zwischen den
Inseln in Verbindung zu bringen. Bei Phylogenien australischer
Käfer der Gattungen Antiporus und Sternopriscus suchte ich nach
Korrelationen zu Klimaveränderungen in der Erdgeschichte, der
Entstehung der australischen Trockengebiete und den Eiszeiten im
Pleistozän. Diese Hypothesen konnte ich durch Belege für die
ökologische Diversifikation australischer Käfer aus meinen
Ökologischen Nischenmodellierungen untermauern. Auf der Grundlage
der Ergebnisse von DNA-Barcoding und molekularen Phylogenien
unternahm ich taxonomische Revisionen der betreffenden Gruppen nach
Methoden der integrativen Taxonomie. Als Beweislinien verwendete
ich Daten aus morphologischen Untersuchungen, mitochondrialen und
nukleären Genen, sowie kategorische und quantitative ökologische
Daten. Dieser Ansatz führte zur Beschreibung einer neuen Art von
Käfern (Antiporus occidentalis HAWLITSCHEK, HENDRICH, PORCH, &
BALKE, 2011), zweier neuer Arten (Paroedura stellata HAWLITSCHEK
& GLAW, 2012 and Lycodryas cococola HAWLITSCHEK, NAGY &
GLAW, 2012) und einer Unterart von Reptilien (Lycodryas cococola
innocens HAWLITSCHEK, NAGY & GLAW, 2012), sowie zur Bestätigung
oder Wiederherstellung der Gültigkeit der zuvor beschriebene Taxa
Lycodryas maculatus (GÜNTHER, 1858) und Lycodryas maculatus
comorensis (PETERS, 1874). Alle taxonomischen Handlungen wurden
gemäß dem Konzept der Cybertaxonomie ausgeführt: es wurden
LSID-Nummern vergeben, Einträge in Online-Datenbanken vorgenommen,
und nach Möglichkeit Publikationsmodi mit freiem Zugang für Leser
gewählt. Zudem verwendete ich die im Rahmen meiner Dissertation
gesammelten Daten zur Abschätzung des artenschutzfachlichen Status
der Reptilien der Komoren. Außerdem dienten sie als Basis für die
Entwicklung von SmartHerper Comoros, einem Naturführer zur
Herpetofauna der Komoren als Applikation für Smartphone.
Schlussfolgerungen Die Ergebnisse meiner Untersuchungen weisen auf
komplexe biogeographische Muster sowohl im insulären als auch im
kontinentalen Untersuchungsgebiet hin. Demzufolge haben die
Stammformen der dort heimischen Reptilien die Komoren in einem sehr
komplizierten Muster besiedelt, das z.B. im Fall der Gecko-Gattung
Paroedura mehrere Aussterbe- und Wiederbesiedlungsereignisse
beinhaltet und kaum mit der geographischen Lage und dem
geologischen Alter der Inseln korreliert. Viele endemische Arten
zeigen mögliche morphologische Anpassungen an den Insellebensraum.
Molekulare Daten komorischer Reptilien legen nahe, dass Grand
Comoro, zuvor als geologisch jüngste Insel angesehen,
möglicherweise weit älter ist als bislang angenommen. Über
australische Wasserkäfer erhobene Daten zeigten, dass
Artbildungsereignisse innerhalb dieser Gruppe von höchst
unterschiedlichem erdgeschichtlichem Alter sind und vom Mesozoikum
(Hygrobiidae) über das Pleistozän (Antiporus) bis in die jüngste
erdgeschichtliche Vergangenheit (Sternopriscus) reichen. Molekulare
Unterschiede weisen darauf hin, dass die "Sternopriscus tarsalis
radiation" einen der am schnellsten verlaufenen bislang
beschriebenen Artbildungsprozesse innerhalb der Insekten darstellt.
Der integrativ-taxonomische Ansatz erwies sich in meinen Augen bei
der Abgrenzung aller neu beschriebenen Taxa wie auch bei der
Bestätigung bestehender Taxa als höchst erfolgreich. Durch diesen
Ansatz standen Belege für die Artabgrenzung auch bei unzureichender
morphologischer oder genetischer Differenzierung in ausreichendem
Maße zur Verfügung. Ökologische Daten, insbesondere solche, die bei
Ökologischer Nischenmodellierung gewonnen wurden, haben sich in
diesen Fällen als höchst aussagekräftig bei der Artabgrenzung
erwiesen. Bei der Anwendung des integrativ-taxonomischen Ansatzes
auf Schlangen der Gattung Lycodryas argumentierte ich, den Rang der
Unterart auf infraspezifische Einheiten mit einem gewissen Grad der
Differenzierung anzuwenden. Schlussendlich liefern die Ergebnisse
der Untersuchungen in meiner Dissertation nur einen kleinen, aber
meiner Meinung nach dennoch nützlichen Beitrag zu unserem
Verständnis darüber, wie biologische Arten entstehen und wie sie
wissenschaftlich erfasst werden können. Meine Dissertation
präsentiert diese Ergebnisse im Kontext der Debatte über die
Artdefinition und stellt auch meine Meinung und Position darin dar.
Meiner Ansicht nach ist diese äußerst fruchtbare Debatte von hoher
Bedeutung für die zeitgenössische Entwicklung der
Evolutionsbiologie und Biodiversitätsforschung.

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