Untersuchungen zur Degradation von DNA in Knochen und deren Anwendbarkeit für die Liegezeitbestimmung von Skelettfunden

Untersuchungen zur Degradation von DNA in Knochen und deren Anwendbarkeit für die Liegezeitbestimmung von Skelettfunden

Beschreibung

vor 19 Jahren
In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Publikationen zur
Identifikation und Geschlechtsbestimmung von menschlichen Leichen
und Knochenfunden an Hand von DNA-Analysen veröffentlicht.
Entsprechende Ansätze zur Liegezeitbestimmung existieren hingegen
nur sehr wenige. Dies mag seine Ursachen darin haben, dass über den
Zerfall der DNA nach dem Tode (Degradation) nur sehr wenig bekannt
ist. In der vorliegenden Arbeit wurden 14 Proben aus menschlichen
Oberschenkelknochen mit bekannter Liegedauer zwischen 1 und 200-600
Jahren untersucht. Diese stammen mit Ausnahme der ältesten Knochen
allesamt aus Umbettungen bzw. Exhumierungen von lokalen Münchner
Friedhöfen, sodass die dort vorherrschenden Liegebedingungen
bezüglich Witterungseinflüsse und Bodenart auf Grund ihrer engen
geographischen Beziehung als vergleichbar betrachtet werden können.
Aus jedem der langen Röhrenknochen wurde exakt aus der Mitte der
Diaphyse ein ca. 2 cm breites Stück herausgesägt. Die dadurch
entstandenen Knochenquerschnitte wurden wiederum in drei etwa
gleich breite Bereiche zersägt: einen inneren, dem Knochenmark
zugewandten Bereich, eine mittlere Zone sowie ein äußeres Areal mit
Kontakt zur Knochen-Umgebung (Weichteile, Sarg, Erde etc.). Aus
jeder dieser Zonen wurde die DNA extrahiert; anfangs mit der
Methode nach Boom et al. (1990) und Haas et al. (2000b), später mit
Hilfe des First-DNA Kits von GEN-IAL. Im direkten Vergleich der
beiden Extraktionsmethoden erwies sich die letztgenannte als
wesentlich effektiver, sowohl im Hinblick auf die Quantität als
auch auf die Qualität der DNA. Die Quantität der extrahierten DNA
wurde mit einem RNA/DNA-Calculator photometrisch bestimmt. Dabei
zeigte sich, dass die äußeren Knochenabschnitte tendenziell die
höchsten (Mittelwert 180,4 ng/µl), die mittleren Abschnitte die
niedrigsten (Mittelwert 121,6 ng/µl) Konzentrationen an DNA
aufwiesen. Ein Zusammenhang zwischen dem Liegealter der Knochen und
der gemessenen DNA-Menge konnte nicht verifiziert werden. Um den
Erhaltungszustand der extrahierten DNA beurteilen zu können, wurden
verschiedene Polymerase-Ketten-Reaktionen (Produktlängen: 150, 200,
507, 763 bp) durchgeführt. Hierfür wurden Primer aus dem
humanspezifischen ß-Actin-Gen verwendet, wodurch eine Verfälschung
der Ergebnisse durch bakterielle DNA bereits ausgeschlossen werden
konnte. Bevor mit der extrahierten aDNA gearbeitet werden konnte,
mussten zunächst die PCR-Bedingungen, d.h. die
Hybridisierungstemperatur, die MgCl2-Konzentration und die
einzusetzende DNA-Menge (Template) optimiert werden. Mit Hilfe des
optimierten Protokolls wurden dann die eigentlichen Untersuchungen
vorgenommen. Im Gegensatz zur quantitativen DNA-Bestimmung ließ
sich feststellen, dass im mittleren Knochenabschnitt wesentlich
häufiger spezifische Amplikons nachweisbar sind als im inneren und
äußeren Drittel. Dies spricht dafür, dass die DNA im mittleren
Bereich des Knochens zwar in geringerer Menge vorliegt, aber von
besserem Erhaltungszustand ist. Dies weist zudem darauf hin, dass
aus dem äußeren Knochendrittel zwar die größte Menge an DNA
extrahiert werden kann, doch ist diese entweder besonders stark
degradiert oder sie ist mit einer großen Menge an Fremd-DNA (v.a.
bakterieller DNA) vermischt. Somit scheint die DNA-Degradationsrate
in den zentralen Knochenanteilen am geringsten zu sein, bedingt
durch den besten Schutz vor Umwelteinflüssen und bakterieller
Besiedelung. Die Untersuchungen zur Fragmentlänge der aDNA ergaben
einen Zusammenhang zwischen Fragmentgröße und Liegealter. So konnte
festgestellt werden, dass „große“ Fragmente der aDNA (763 bp)
lediglich innerhalb der ersten 8 Jahre post mortem nachweisbar
sind, während etwas kleinere Fragmente mit einer Größe bis 507 bp
überwiegend bis rund 15 Jahren nachweisbar sind. Kleine Fragmente
von 150 bp Größe (ebenso wie in die in den zusätzlichen
„Kontrolluntersuchungen“ erfassten Amplifikate von 200 bp Größe)
sind auch in erheblich älterem Material nachweisbar. So fanden sich
diese kleine Fragmente in dem bis 34 Jahre post mortem reichenden
Material, wie auch in historischem Material eines Gebeinhauses, das
– trotz anderen Lagerungs-bedingungen als bei dem rein
bodengelagerten Material – mindestens 200 Jahre (bis 600 Jahre) alt
war. Darüber hinaus ließ sich in einem Fall mit Liegealter von 34
Jahren ein spezifisches Amplifikationsprodukt von 507 bp Größe
feststellen. Somit können auch „größere“ aDNA-Fragmente über einen
längeren Zeitraum erhalten bleiben. Diese Tatsache schränkt den
prinzipiellen Wert der Analyse für die forensische Diagnostik ein,
da der Nachweis von größeren aDNA-Fragmenten demnach keine sichere
Zuordnung zu bestimmten Bereichen des Liegealters erlaubt. In der
forensischen Praxis kann jedoch eine Untersuchung, wie hier
vorgestellt, im Einzelfall durchaus relevante Informationen liefern
und zu einer möglicherweise genaueren Aussage führen. Zweifellos
sind weitere Untersuchungen unter Einbeziehung zusätzlicher
technischer Entwicklungen notwendig, um die Aussagefähigkeit noch
zu verbessern.

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