Untersuchungen zur Proteinbiosynthese bei hippokampusabhängigen Lernprozessen der Maus

Untersuchungen zur Proteinbiosynthese bei hippokampusabhängigen Lernprozessen der Maus

Beschreibung

vor 16 Jahren
Innerhalb des letzten Jahrhunderts intensiver Gedächtnisforschung
ist es noch nicht gelungen, ein vollständiges und allgemein
gültiges Modell für die Bildung von Langzeitgedächtnis zu
entwickeln. Einige neuronale Moleküle, insbesondere Proteinkinasen
und Transkriptionsfaktoren, scheinen hierbei in bestimmten
Hirnregionen, deren Einbeziehung vom Lerntest abhängig ist, eine
essentielle Bedeutung zu haben. Welche Rolle die lerninduzierte
Neu-Expression von Genen (Transkription bzw. Translation) einnimmt,
die als Teilprozesse der Konsolidierung postuliert werden, ist nach
wie vor nicht eindeutig geklärt. Die Bedeutung dieser Teilprozesse
wurde in dieser Arbeit bei Mäusen unter Verwendung von zwei
hippokampusabhängigen Lerntests (auditorische trace-Konditionierung
und kontextuelle Konditionierung) näher untersucht. Die drei
hierbei im Vordergrund stehenden Aspekte waren die pharmakologische
Validierung der Lerntests, der regionenspezifische Nachweis
neuronaler Aktivierung und Untersuchungen zur Expression
lernspezifischer Gene. Die pharmakologische Validierung der beiden
Tests zeigte, dass durch lokale Gabe der translationshemmenden
Substanz Anisomycin in den dorsalen Hippokampus zu verschiedenen
Zeitpunkten vor und nach dem Lernereignis das Gedächtnis
beeinträchtigt ist. Die proteinsyntheseabhängige Phase ist bei der
kontextuellen Konditionierung spätestens nach einer Stunde
abgeschlossen. Demgegenüber hatte die Hemmung der Transkription mit
Amanitin auf keinen der beiden Tests Einfluss auf die
Gedächtnisbildung. Die neuronale Aktivierung, die anhand der
Induktion ausgewählter Immediate early genes (IEGs) im Hippokampus
untersucht wurde, sollte indirekt Hinweise auf Genexpression
liefern. Die IEGs waren im Gegensatz zur Literatur bei
trace-Konditionierung schwach induziert (zif268 mRNA in CA1 und
CA3) bzw. bei kontextueller Konditionierung nicht nachweisbar
(c-Fos Protein in CA1). Um alternativ dazu die neuronale
Aktivierung bezüglich einer erhöhten Proteinbiosyntheserate zu
untersuchen, wurde eine Methode etabliert und validiert, die den
Einbau der [35S]-markierten Aminosäuren Methionin und Cystein in
neu synthetisierte Proteine regionenspezifisch darstellt
(funktionelle Proteinbiosynthese). Hierbei zeigte sich in der
Subregion CA1 des dorsalen Hippokampus eine erhöhte
Proteinbiosyntheseaktivität nach kontextueller Konditionierung. Ein
besonderer Vorteil der Methode besteht darin, dass mit Hilfe der
Autoradiogramme funktionelle Netzwerke aufgezeigt werden können,
indem Korrelationen in der Proteinbiosyntheseaktivität zwischen
verschiedenen Hirnregionen auf deren funktionelle Einheit im
Zusammenhang mit dem Lerntest verweisen. Unserer Erkenntnis nach
ist das einer der ersten Befunde, womit bei Mäusen erfolgreich
lernbedingte Veränderungen der Proteinbiosynthese unter Wahrung
neuroanatomischer Auflösung dargestellt werden konnten. Die
Untersuchungen zur lerninduzierten Expression spezifischer Gene
erfolgten auf Ebene der Proteine, da bei der pharmakologischen
Validierung der Lerntests nicht gezeigt werden konnte, dass
Transkriptionsprozesse für die Gedächtnisbildung essentiell sind.
Ausgehend von einem Standardprotokoll der zweidimensionalen
Gelelektrophorese wurden unter Verwendung der radioaktiven
Markierung von Proteinen mit [35S]-Methionin/Cystein Verbesserungen
dieses Verfahrens hinsichtlich Sensitivität und signal-to-noise
ratio erzielt. Mit dem verbesserten Verfahren konnte ein Protein
gefunden werden, das nach kontextueller Konditionierung im
Vergleich zu unbehandelten Tieren eine Veränderung der Nettoladung
(Verschiebung des isoelektrischen Punktes) aufweist, was auf einen
Unterschied in der posttranslationalen Modifikation schließen
lässt. Quantitative Unterschiede wurden nicht gefunden. Dies ließe
sich damit erklären, dass die Verfahren zu Proteinextraktion vor
allem zytosolische Proteine berücksichtigen, membranständige
Proteine jedoch weitgehend vernachlässigen. Zusammengefasst wurde
im Rahmen dieser Arbeit ein Algorithmus etabliert, der sich auf
vielfältige Art und Weise für Fragestellungen zur Charakterisierung
lern- bzw. stressinduzierter Proteine unter Berücksichtigung
neuroanatomischer Aspekte anwenden lässt. Berücksichtigt man, dass
Anisomycin neben der Proteinsynthesehemmung auch andere zelluläre
Prozesse beeinflusst, so fällt die vorliegende Arbeit kein
abschließendes Urteil über die Rolle der Proteinbiosynthese bei
hippokampusabhängigen Lernprozessen. Dies kann zu einem erheblichen
Teil an der nichttopographischen Anatomie des Hippokampus liegen,
so dass zukünftige Studien sich auf eng umrissene Hirnareale
konzentrieren sollten.

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