Anordnung und Struktur von Chromosomenterritorien in Mauszellen: Zelltypspezifische Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Anordnung und Struktur von Chromosomenterritorien in Mauszellen: Zelltypspezifische Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Beschreibung

vor 17 Jahren
Der Aufbau des Zellkerns und die höheren Organisationsmuster von
Chromosomen gehorchen Regeln, die bisher in menschlichen Zellen und
Zellen einiger Primaten bestätigt werden konnten. In dieser Arbeit
sollte an einem anderen Säuger, der Maus, untersucht werden, in wie
weit sich die bisher gewonnenen Erkenntnisse auch auf den
molekularbiologisch intensiv studierten Modellorganismus der
modernen Genomforschung übertragen lassen. Besonders interessant
ist die Frage, weil der Karyotyp der Maus nur akrozentrische
Chromosomen enthält und viel homogener in Bezug auf
Chromosomengröße und Gendichte ist, als der Karyotyp des Menschen
oder verschiedener Primaten. Die letzten gemeinsamen Vorfahren von
Mäusen und Menschen lebten vor über 80 Mio. Jahren, in dieser
Zeitspanne fanden die zahlreichen Veränderungen am Genom der Maus
statt. Die vorliegende Arbeit untersucht, ob Gemeinsamkeiten in
Bezug auf die Organisation des Chromatins nachzuweisen sind und ob
evolutionär konservierte Organisationsmuster zu finden sind. Die
quantitative Untersuchung der Topologie von Chromosomenterritorien
und Zentromerregionen erfolgte mit
Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung auf Zellkernen von vier
Zelltypen der Maus. Auf Kerne von Lymphozyten, Fibroblasten,
ES-Zellen und Makrophagen wurden die Territorien von sechs
Chromosomen mittels Chromosomen-Paint-Sonden hybridisiert. Das
ausgewählte Chromosomenset enthielt genreiche, genarme, große und
kleine Chromosomen in verschiedenen Kombinationen. Bilddaten wurden
mit einem konfokalen Laser-Scanning-Mikroskop aufgenommen und einer
digitalen quantitativen Bildanalyse unterzogen. In allen
Mauszelltypen zeigten sich klare Korrelationen zwischen sowohl
Gengehalt als auch Größe und radialer Verteilung von
Chromosomenterritorien. Bei kugeligen Lymphozytenkernen korreliert
die Gendichte stärker mit der radialen Verteilung als es die
Chromosomengrößen tun. In Fibroblasten sind beide Korrelationen
schwächer, aber nachweisbar, in ES-Zellen sind die
Korrelationskoeffizienten wieder etwas höher und für beide
Verteilungsmodelle gleich, in Makrophagen überwiegt die
größenabhängige Verteilung der Chromosomenterritorien. Das
genreichste Chromosom MMU 11 zeigt in den Lymphozyten die meisten
Unterschiede zu anderen Chromosomenterritorien, während sich das
genarme MMU X in den untersuchten männlichen ES Zellen durch seine
extreme Randlage von den anderen unterscheidet. Innerhalb der
Fibroblasten und Makrophagen gibt es vergleichsweise wenig
signifikante Unterschiede zwischen den radialen Positionen der
untersuchten Chromosomenterritorien. Zelltypspezifische
Verlagerungen von Chromosomenterritorien zeigten sich auch nach
einem Differenzierungsschritt von ES-Zellen zu Makrophagen. Die
Lage der Chromozentren ist zelltypspezifisch. Im Gegensatz zu den
untersuchten Chromosomenterritorien liegen die Chromozentren in
Fibroblasten und Makrophagen in relativ zentralen Positionen. In
Lymphozyten sind die Chromozentren am weitesten nach außen zum
Zellkernrand gelangt, gefolgt von den ES-Zellen. Die Anzahl der
Chromozentren ist ebenfalls zelltypspezifisch. Ausgehend von der
Chromozentrenzahl in ES Zellen nimmt die Zahl der Chromozentren in
differenzierteren Zellen zu (Lymphozyten, Fibroblasten) oder bleibt
gleich (Makrophagen). Aufgrund der Ergebnisse lässt sich
ausschließen, dass die äußere Form des Zellkerns alleine für die
beobachteten Verteilungsunterschiede verantwortlich ist. Allerdings
waren die beobachteten Unterschiede kleiner als bei vergleichbaren
menschlichen Zelltypen. Mit ein Grund dafür ist sicher die
geringere Variabilität der Chromosomengröße und Gendichte im Genom
der Maus. Zellkernvolumina lagen zwischen 470 und 650 µm3.
Lymphozyten besitzen im Durchschnitt die kleinsten Kerne der
zyklierenden Zelltypen, ES-Zellen die größten. Makrophagen befanden
sich in der G0-Phase, ihre Zellkerne waren am kleinsten und wiesen
die geringste Standardabweichung auf. Die Analyse der Winkel und
Abstände innerhalb der Chromosomenterritorien zeigte eine sehr
flexible Positionierung innerhalb der Grenzen radialer
Ordnungsprinzipien. Diese Resultate sind unvereinbar mit einem
früher vorgeschlagenen Modell der Trennung des parentalen Genoms.
Es gibt keine Hinweise für eine Abweichung von einer zufälligen
Verteilung, von einer Häufung nahe beieinanderliegender MMU 1
Homologen in Makrophagen abgesehen. Zur Untersuchung der Struktur
von Chromosomenterritorien wurden Programme angewandt, bei denen
steigende Schwellwerte zu Zerfällen von Objekten führten, die
analysiert wurden. Zwei unabgängige Methoden zur Berechnung von
Objektzahlen in Bildstapeln führten zu gleichen Ergebnissen. Mit
dem Programm OC-2 konnten Unterschiede in der Textur von
Chromosomenterritorien bei der Maus innerhalb eines Zelltyps, als
auch zwischen Zelltypen festgestellt werden. Dabei wurden die
individuellen Chromosomengrößen mit berücksichtigt. Es konnte kein
allgemeiner Zusammenhang zwischen den durchschnittlichen maximalen
Objektzahlen und dem Gengehalt der entsprechenden Chromosomen
festgestellt werden, vielmehr scheint die Textur des Chromatins von
noch unbekannten, zelltypspezifischen Faktoren beeinflusst zu sein.
Die Analyse der Chromatinstruktur in normalen menschlichen
Zelltypen und in Tumorzelllinien mit dem Objektzählprogramm OC-2
ergab allgemein erhöhte Objektzahlen in Tumorzellen, verglichen mit
normalen Zelltypen. Davon unabhängig waren auch immer die
genreichen HSA 19 durch höhere Objektzahlen charakterisiert als die
etwas größeren genarmen HSA 18 in den selben Zell-typen. Vergleiche
zwischen den Objektzahlen eines Chromosoms in normalen Zelltypen
und Tumorzelllinien ergaben mehr Unterschiede, als Vergleiche nur
innerhalb der normalen Zelltypen. Die hier untersuchten
Tumorzelllinien weisen eine objektreichere Chromatinstruktur auf,
als die ihnen gegenübergestellten normalen Zelltypen.

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