Beschreibung

vor 10 Jahren
Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse) ist
ein hierarchisch organisiertes, neuroendokrines System, das unter
anderem die Freisetzung des Nebennierenrindenhormons Kortisol, dem
zentralen Hormon der Stressantwort und der Homöostase des
Organismus in Bezug auf die Anpassung an Umweltanforderungen,
regelt. Die HPA-Achse ist in ein komplexes System von
Regulationsnetzwerken eingebunden, über die der Organismus die
Anpassung an ständig wechselnde Anforderungen erfasst und steuert.
Fehlanpassungen der HPA-Achse sind hierbei von großer klinischer
Bedeutung, da sie zu psychiatrischen Erkrankungen führen können.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, HPA-Achsen-regulierende
kortikale Netzwerke mithilfe der funktionalen
Magnetresonanztomographie (fMRT) in verschiedenen Versuchansätzen
zu identifizieren. Der Stand der bisherigen Forschungsergebnisse
deutet darauf hin, dass es grundsätzlich einen mit der Methode der
fMRT messbaren Zusammenhang zwischen diesen kortikalen Netzwerken
im Gehirn und der neuroendokrinologischen Stressregulationsachse
(HPA-Achse) gibt. Wichtige Knotenpunkte solcher kortikaler
Netzwerke sind dabei insbesondere Kerne der Amygdala, Teile des
Hippokampus und des Hypothalamus sowie Bereiche des präfrontalen
Kortex. Diese Regionen üben zum einen Einfluss auf die Freisetzung
des Corticotropin-releasing-Hormons (CRH) im Hypothalamus aus, zum
anderen werden sie durch Kortisol rekursiv in ihrer Funktion durch
ein negatives Feedback beeinflusst. Diese beiden Aspekte wurden im
Rahmen dieser Arbeit in separaten Analysen bearbeitet: Es wurde
zunächst untersucht, ob die Aktivität der kortikalen Netzwerke des
Gehirns in Ruhe das Ergebnis des kombinierten
Dexamethason-Suppressions-CRH-Stimulations-Tests (Dex/CRH-Test) als
sensitiven endokrinologischen Stresstest vorhersagen kann. Ferner
wurde untersucht, ob sich die Aktivität der Ruhenetzwerke durch
eine experimentelle Modulation des Kortisolspiegels signifikant
verändert, wobei sowohl der Effekt einer intravenösen Applikation
von Kortisol im Vergleich zu Placebo als auch der Effekt einer
durch Dexamethason herbeigeführten Suppression von Kortisol
untersucht wurde. Bei der hierfür durchgeführten Studie handelt es
sich um ein placebo-kontrolliertes, endokrinologisches
fMRT-Experiment im Cross-Over-Design mit kombinierter EEG.
Zusätzlich zu den EEG/fMRT-Ruhe-Messungen wurde ein Dex/CRH-Test
außerhalb des MRT aufgenommen, um die Funktionalität der HPA-Achse
in den Probanden zu quantifizieren. Es wurden 20 gesunde männliche
Probanden untersucht. An den Messtagen 1 und 3 wurde je eine knapp
einstündige kombinierte EEG/fMRT-Messung durchgeführt, wobei einmal
20 mg Kortisol, gelöst in 10 ml Kochsalzlösung, und einmal 0,9%-ige
Kochsalzlösung (10 ml) während der Messung durch eine
Bolusinjektion verabreicht wurden. Am Messtag 2 wurden die
EEG/fMRT-Ruhe-Daten (~ 15 Minuten) im Status der
Kortisolsuppression durch Dexamethason aufgenommen. Die kombinierte
EEG-Messung diente hier vor allem der Vigilanzüberwachung der
Probanden, da aus verschiedenen Studien bekannt ist, dass sich die
Ruhenetzwerke des Gehirns in Abhängigkeit des Vigilanzstatus
verändern. An einem zusätzlichen 4. Messtag wurde außerhalb des MRT
an einer Teilgruppe der Probanden die Wirkung einer
Kortisolbolusinjektion (20 mg) auf Blutdruck, Puls und
Sauerstoffsättigung bestimmt und zusätzlich auch die Wirksamkeit
des extern zugeführten Kortisols auf die HPA-Achse ermittelt. Die
fMRT-Ruhe-Daten wurden mit komplementären Methoden aus dem Bereich
der Konnektivitätsanalysen untersucht. Dabei wurden sowohl
hypothesengeleitete Analysen von Ruhenetzwerken über die
Seed-Methode als auch Kreuzkor-relationsanalysen definierter
Regionen, oder - im explorativen Ansatz - des gesamten Gehirns
einschließlich voxelbasierter Verfahren, angewandt. Die Analysen
zur Modulierung des Kortisolmilieus insgesamt betrachtet lassen den
Schluss zu, dass sich die funktionelle Konnektivität des Gehirns in
Ruhe durch die Änderung des Kortisolmilieus ändert, sei es durch
direkte exogene Kortisolgabe, oder indirekten Kortisolentzug durch
die Dexamethasonsuppression. Der Schwerpunkt dieser
kortisolabhängigen Modulation lag dabei in präfrontal basierten
Ruhenetzwerken. In den Analysen, in denen die drei Zustände der
Kortisolmilieuänderungen (Kortisol, Placebo, Kortisolsuppression)
verglichen wurden, zeigten sich stärkere Effekte durch die
Kortisolsuppression als durch das exogen zugeführte Kortisol. Diese
Effekte hatten ihren regionalen Schwerpunkt für die
hypothesenbasierte Seedanalyse im medialen präfrontalen
Kortex/anterioren cingulären Kortex (ACC), und in der explorativen
Analyse im dorsolateralen präfrontalen Kortex. Effekte auf den
Hippokampus und die Amygdala waren dabei relativ schwach
ausgeprägt. Die Analysen der dynamischen Änderung nach Kortisolgabe
im Vergleich zu Placebo zeigten Effekte im subcallosalen/
subgenualen ACC und im dorsalen ACC, sowohl im
hypothesengesteuerten als auch im explorativen Ansatz. Da der
Analyseschwerpunkt bisheriger Arbeiten auf der
Hippokampus/Amygdala-Region lag wird neu postuliert, dass
Akuteffekte nach 20 mg Kortisol möglicherweise auf ACC-Regionen
stärker wirken als auf den Hippokampus. Ebenfalls hergestellt
werden konnte ein prädiktiver Zusammenhang zwischen der Stärke der
funktionellen Konnektivität in limbischen und paralimbischen
Regionen in Ruhe, insbesondere hippokampaler Netzwerke, und dem
Ergebnis des Dex/CRH-Tests. Da der Dex/CRH-Test das gesamte
zerebrale Feedbacksystem belastet, kann hieraus abgeleitet werden,
dass spezifische Netzwerke in beiden Korrelationsrichtungen einen
Einfluss auf das Ergebnis des Dex/CRH-Tests haben. Damit wurde
erstmals indirekt das Regulationssystem sichtbar gemacht, das durch
den Dex/CRH-Test belastet wird. In zukünftigen Studien können die
konzentrations- und zeitabhängige Sensitivität der Ruhenetzwerke
gegenüber Kortisol, zusammen mit der funktionellen Konnektivität,
die die individuelle Regulation der HPA-Achse vorhersagt, als
Grundlage zur Etablierung eines Stressbiomarkes verwendet werden.

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