Interhemisphärische Kohärenzen und Corpus Callosum Größe bei Patienten mit Schizophrenie - eine Untersuchung der interhemisphärischen Konnektivität

Interhemisphärische Kohärenzen und Corpus Callosum Größe bei Patienten mit Schizophrenie - eine Untersuchung der interhemisphärischen Konnektivität

Beschreibung

vor 16 Jahren
Zahlreiche Befunde deuten auf eine Störung der interhemisphärischen
Konnektivität bei Patienten mit Schizophrenie. Funktionell wurden
beispielsweise Veränderungen der interhemisphärischen Kohärenz
gefunden. Die Kohärenz gilt als ein Indikator für funktionelle
Verbindungen zwischen den entsprechenden Hirnregionen und ist in
ihrer interhemisphärischen Variante ein Maß für die Synchronisation
des EEG zwischen den korrespondierenden bilateralen Regionen. Für
die interhemisphärische Kohärenz und die interhemisphärische
Konnektivität kommt dem Corpus Callosum (CC) als wichtigster
kommissuraler Verbindung der Hemisphären eine entscheidende
Bedeutung zu. Gleichzeitig ist bei CC-Pathologien einerseits die
Prävalenz der Schizophrenie erhöht und es findet sich andererseits
bei Patienten mit Schizophrenie ein erhöhtes Vorkommen von
CC-Pathologien. Strukturelle MRT-Befunde deuten auf ein leicht
verkleinertes CC bei Patienten mit Schizophrenie. Zusätzlich finden
sich pathologische Veränderungen in der Lamina III des präfrontalen
Kortex von Patienten mit Schizophrenie, dem Ursprungsort der
kallosalen Projektionen. Auch Entwicklungshypothesen finden Bezug
zu einer Pathologie des CC bei Patienten mit Schizophrenie: seine
Entwicklung, bei der die Elimination von Axonen mit zunehmender
Myelinisierung und Vergrößerung einhergeht, zieht sich bis in die
dritte Lebensdekade hin und zeigt damit Parallelen zur späten
klinischen Manifestation der Erkrankung. Aufgrund der Heterogenität
der Befunde ist allerdings nicht klar, welcher Art die Störung der
interhemisphärischen Konnektivität bei Patienten mit Schizophrenie
ist. Eine Hypokonnektivität würde z.B. die Assoziation zwischen
CC-Agenesien und Schizophrenie vermuten lassen, neuro- und
psychophysiologische Experimente deuten eher in Richtung einer
Hyperkonnektivität. Ziel der Arbeit war die explorative
Untersuchung der Frage, ob eine Störung der interhemisphärischen
Konnektivität bei Patienten mit Schizophrenie vorliegt und welcher
Art diese interhemisphärische Konnektivitätsstörung sein könnte.
Methode: Es wurden 27 männliche Patienten mit chronischer
Schizophrenie und 25 gematchte Kontrollen untersucht. Anhand des
Ruhe-EEGs wurden fünf interhemisphärische Kohärenzen bipolarer
Verschaltungen berechnet. Mittels MRT wurde die CC-Größe durch
Vermessung der midsagittalen Fläche des CC ermittelt und in fünf
Unterabschnitte unterteilt. Neben der Analyse auf Unterschiede
bezüglich der Kohärenzen und der CC-Größe, wurden die
interhemisphärischen Kohärenzen mit der CC-Größe korreliert, um
über die Verbindung von strukturellen und funktionellen Parametern
Hinweise über die Integrität der interhemisphärischen Konnektivität
zu erhalten. Zusätzlich wurde der Einfluss der neuroleptischen
Medikation und die Abhängigkeit der Kohärenzen und der CC-Größe von
klinischen Parametern anhand der PANSS-Skala untersucht.
Ergebnisse: Die Mittelwerte frontozentraler interhemisphärischer
Kohärenzen waren im Beta-Frequenzbereich signifikant bei den
Patienten mit Schizophrenie gegenüber den Kontrollpersonen erhöht.
Dabei zeigte sich eine negative Korrelation zwischen der
Neuroleptika-Dosis und der Höhe der Kohärenzen. Für die CC-Größe
zeigten sich keine signifikanten Unterschiede. Klinisch
korrelierten frontale und frontotemporale Theta-Kohärenzen mit der
Psychopathologischen Globalskala, aber nicht mit der Positiv- oder
Negativsymptomatik. Die Pearson-Korrelationen der
interhemisphärischen Kohärenzen mit der CC-Größe zeigten bei den
Patienten für alle Frequenzbereiche signifikant positive
Korrelationen zwischen den interhemisphärischen Kohärenzen
besonders in mittleren Segmenten des CC. Nach Berücksichtigung des
Neuroleptika-Einflusses waren diese Korrelationen noch deutlicher.
Dagegen wiesen die Gesunden negative Korrelationen zwischen allen
interhemisphärischen Kohärenzen im Delta- und Beta-Frequenzbereich
ebenfalls besonders in mittleren CC-Segmenten auf. Diskussion:
Damit bestehen Hinweise für eine interhemisphärische
Hyperkonnektivität bei Patienten mit Schizophrenie. Während bei
Gesunden mit steigender CC-Größe die interhemisphärische
Konnektivität abnimmt, nimmt sie bei den Patienten mit
Schizophrenie zu. Im Rahmen einer Entwicklungshypothese mit
gestörter kallosaler Entwicklung könnte die in der Literatur
gefundene Tendenz einer CC-Verkleinerung für eine vermehrte Anzahl
an Axonen, mit verminderter Myelinisierung sprechen, da in der
kallosalen Entwicklung die Größenzunahme und zunehmende
Myelinisierung mit der massiven Elimination von Axonen einhergeht.
Eine verminderte Elimination von Axonen könnte somit die Grundlage
einer interhemisphärischen Hyperkonnektivität sein. Verkleinerungen
von Pyramidenzellen in Lamina III des präfrontalen Kortex, den
Ursprüngen der kallosalen Axone scheinen dies zu bestätigen. Auch
psychophysiologische Experimente unterstützen eine
interhemisphärische Hyperkonnektivitäts-Hypothese. Ähnlich wird sie
durch das Modell einer verminderten Lateralisierung bei Patienten
mit Schizophrenie unterstützt, welche mit einer Hyperkonnektivität
einhergeht. Ein weiterer Aspekt der interhemisphärischen
Hyperkonnektivität ist eine verminderte Inhibition auf kortikaler
Ebene, welche durch eine Funktionsabschwächung inhibitorischer
GABAerger Interneuronen in Lamina III des präfrontalen Kortex
erklärt wird. Die GABAergen Interneuronen werden ihrerseits durch
dopaminerge Afferenzen inhibiert, welche bei Patienten mit
Schizophrenie pathologisch vermehrt sind. Es resultiert daher eine
Disinhibition der Pyramidenzellen, den Ursprungsorten kortikaler
Projektionen. Neuroleptika als Dopamin-Antagonisten würden damit
diese Hyperkonnektivität reduzieren. Die signifikante Korrelation
der Kohärenzen mit der globalen Psychopathologie, aber nicht mit
den jeweiligen Positiv- oder Negativ-Skalen spricht eher für die
Einheit dieser Symptomkonstellationen, unter dem Vollbild der
Schizophrenie.

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