Die Entwicklung der Psychiatrie als akademisches Lehrfach an der Ludwig-Maximilians-Universität München bis zur Eröffnung der Psychiatrischen Universitätsklinik 1904

Die Entwicklung der Psychiatrie als akademisches Lehrfach an der Ludwig-Maximilians-Universität München bis zur Eröffnung der Psychiatrischen Universitätsklinik 1904

Beschreibung

vor 13 Jahren
1. Zusammenfassung in deutscher Sprache In dieser Arbeit wird die
Entwicklung des medizinischen Spezialfaches Psychiatrie als
akademisches Lehrfach an der Ludwig-Maximilians-Universität
beschrieben. Die Untersuchung beleuchtet einen
Beobachtungszeitraum, der sich von den Vorläufern des
psychiatrischen Unterrichts Ende des 18. Jahrhunderts - in der
Ingolstädter Periode der Universität - bis zur Einrichtung der
Universitätsklinik in München (1905) erstreckt. Gegenstand der
Arbeit ist die Einordnung der Münchner Entwicklungen in die -
bereits gut erarbeitete - Fachgeschichte. Besondere Aufmerksamkeit
liegt auch auf den verschiedenen akademischen Lehrern, die sich in
München dem Fach Psychiatrie gewidmet haben, und hier vor allem
deren inhaltliche Einordnung. Darüber hinaus werden die politischen
Entwicklungen nachvollzogen, die Einflüsse auf die Entwicklung des
Faches genommen haben, sei es auf Ebene der Fakultät, auf
hochschulpolitischer, auf staatlicher oder auf sozialpolitischer
Ebene. Methodisch baut die Arbeit in erster Linie auf Primärquellen
auf. Archivalien aus dem Universitätsarchiv der LMU und aus dem
Bayerischen Hauptstaatsarchiv bildeten das Rückgrat des erforschten
Materials. Hinzugezogen wurden außerdem fachspezifische
Publikationen aus dem Beobachtungszeitraum in großer Zahl, sowie
die einschlägige Sekundärliteratur. Wesentliche Erkenntnisse dieser
Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen: (1) Unterricht
im Fach Psychiatrie gab es an der Ludwig-Maximilians-Universität
München etwa seit dem ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts.
Zunächst wurden psychiatrische Inhalte im Rahmen der speziellen
Pathologie und Therapie gelesen. Die erste eigenständige Vorlesung
für Psychiatrie wurde im Wintersemester 1825/26 durch den Professor
der allgemeinen Pathologie, Diätetik und Pharmakologie Karl Richard
Hoffmann (1797-1877) angekündigt. Dieser folgte der Universität bei
ihrem Umzug nach München im gleichen Jahre nicht. In den folgenden
Jahrzehnten gab es mehrere akademische Lehrer, die vereinzelt
Vorstöße zur Etablierung einer spezialisierten psychiatrischen
Lehrveranstaltung machten, ohne damit Erfolg zu haben. (2) Die
tatsächliche Etablierung des Lehrfaches erfolgte im Wintersemester
1844/45 durch den Privatdozenten Oscar Mahir (1814-1895). Seit
diesem Semester gibt es - nahezu - durchgehend bis in die Gegenwart
das Angebot psychiatrischen Unterrichts an unserer Hochschule, wenn
auch eingeräumt werden muß, daß dieses Angebot zunächst von den
Studierenden nur zurückhaltend angenommen wurde und somit in vielen
Semestern der Unterricht nicht statt fand. (3) Der klinische
Unterricht in Psychiatrie hat in München wesentlich früher begonnen
als bisher angenommen, indem Oscar Mahir bereits zwischen 1844 und
1848 begann, mit seinen Hörern das Irrenhaus in Giesing zu
besuchen. (4) In den Diskussionen um den Bau der Kreisirrenanstalt
für Oberbayern, die sich etwa zwischen 1830 und 1855 abspielten,
wurden die akademische Lehre und die Möglichkeit des klinischen
Unterrichts in Psychiatrie in der neuen Anstalt immer wieder als
Argument herangezogen. Interessant ist, daß sich die
Fakultätsmitglieder entweder indifferent gegenüber diesem Thema
verhalten oder sogar aktiv gegen den klinischen Unterricht
ausgesprochen haben, während die Befürworter des klinischen
Unterrichts an der Kreisirrenanstalt keine Verbindung zur Fakultät
hatten. (5) Die Entstehung des Ordinariates für Psychiatrie beruhte
- im Gegensatz zu den bisherigen Annahmen - nicht auf der realen
Möglichkeit des Weggangs von Honorarprofessor August Solbrig
(1809-1872) nach Berlin. Solbrig wollte nie wirklich nach Berlin.
Vielmehr brachte ein geschicktes Taktieren Solbrigs mit dem Ruf,
den er aus Berlin erhalten hatte, die Fakultät und ihre
Aufsichtsbehörden zur Einrichtung des Ordinariates. (6) Auf
ähnliche Weise wurde die Abschaffung des neuen Ordinariates nach
dem Tode Solbrigs - wie es Wunsch der Fakultät gewesen wäre -
dadurch verhindert, daß Bernhard Gudden damit drohte, eine einfache
Honorarprofessur nicht anzutreten. Dies führte zu einer königlichen
Entscheidung über den Kopf der Fakultät hinweg und bewirkte, daß
das Ordinariat erhalten blieb. (7) Die Positionen des Ordinarius
für Psychiatrie und des Anstaltsleiters der Kreisirrenanstalt
Oberbayern wurden während der Ordinariate Solbrig (1864-1872),
Gudden (1872-1886) und Grashey (1886-1896) stets in Personalunion
besetzt, was in den Augen der Amtsinhaber und später auch der
Fakultät große Nachteile mit sich brachte, einerseits in Form von
Interessenkonflikten zwischen den unterschiedlichen Einrichtungen,
andererseits für den Studentenunterricht. Gemeinsam mit der Absicht
des Kreises, die Kreisirrenanstalt aus der Stadt heraus zu
verlegen, und der Notwendigkeit der Einrichtung eines „Stadtasyls“
als Anlaufstelle für akut Erkrankte im Stadtbereich, führte dies
zur Einrichtung der psychiatrischen Universitätsklinik und der
Auflösung der Personalunion, die während des Ordinariates Bumm
(1896-1903) vollzogen wurde.

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