Der Goldene Ernst geht an den „Kinderwagen“

Der Goldene Ernst geht an den „Kinderwagen“

Am Donnerstag war es endlich soweit: Wir haben erstmals den Goldenen Ernst verliehen, einen Preis für soziale, kulturelle oder ökologische Projekte in und um Hannover. Glücklicher Gewinner ist das Projekt „Menschenskinder – Der Kinderwagen“.
13 Minuten
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Beschreibung

vor 8 Jahren
Viele haben es verfolgt, vielen haben sich beworben und am
Donnerstag war es dann endlich soweit: Wir haben erstmals den
Goldenen Ernst verliehen, einen Preis für soziale, kulturelle oder
ökologische Projekte in und um Hannover. Glückliche Gewinnerin ist
Nina Lege vom Projekt „Menschenskinder – Der Kinderwagen“. Unser
Redakteur Daniel Heringer hat bei der Preisverleihung auf dem
PLATZprojekt 2 mit der jungen Studentin gesprochen, außerdem
standen ihm der Ernst.FM-Kurator Matthias Holz sowie der
Pressesprecher der preisstiftenden Hannoverschen Volksbank Marko
Volck Rede und Antwort. Wir haben Nina gefragt, warum sie glaubt,
dass gerade sie den Preis erhalten hat: „Ich denke, der Grund dafür
ist, dass Kinder einfach das Wichtigste überhaupt sind. Sie bilden
immerhin unsere Zukunft. Und kaum etwas ist wichtiger, als in
unsere Zukunft und die Menschheit von Morgen zu investieren. Ich
vermute, dass das bei der Verleihung ausschlaggebend war.“ Sie
berichtete außerdem vor Ort, was genau man sich unter dem
„Kinderwagen“ vorzustellen hat: „Ich würde das Projekt als eine Art
Nachmittagsbetreuungs- und Begegnungsstätte bezeichnen. An zwei bis
drei Nachmittagen in der Woche versuche ich hier, mit Kindern Dinge
erleben, die ihnen in der Schule und im Alltag nicht geboten werden
können. Rausgehen, Handwerken, nebenan ist ein ganz toller
Skateplatz, ... Und beim PLATZprojekt findet man eine wirklich
tolle Community, bestehend aus unzähligen anderen Projekten, die
wir mitnutzen dürfen: Es gibt eine Küche, eine Schneiderei, eine
Tischlerei, ein Atelier und tausend andere Sachen. All das gibt es
ja nirgendwo sonst auf einem Haufen und dann auch noch nutzbar für
Kinder. Jeder kann sein Kind also zu uns bringen und gerne auch
selbst bleiben, denn auch für Erwachsene haben wir immer geöffnet.
Ich möchte an diesem besonderen Ort eine alternative Art der
Betreuung schaffen, wo unter anderem auch Flüchtlingskinder erste
Kontakte zu Deutschen bekommen können. Es dauert wirklich lange,
bis sie einen Kindergartenplatz bekommen und in die Schule gehen
können. Da vergeht kostbare Zeit, die man für Integration und
Spracherwerb nutzen könnte. Genau das versuche ich hier zu leisten.
Und wie kam es zu der Idee für den „Kinderwagen“? „Das ging alles
viel schneller als gedacht. Ehrlich gesagt war das gar nicht von
langer Hand geplant. Ich finanziere mir mein Studium nebenbei seit
drei Jahren mit Babysitten. Irgendwann hatte ich so viele Kinder,
dass ich im Prinzip eine Gruppe aufmachen konnte. Erst mal habe ich
nur unverbindlich mit dem Gedanken gespielt, vielleicht irgendwo
einen Gemeinderaum oder so zu finden. Das habe ich einem Freund
erzählt und der hat mir empfohlen, mich mal beim PLATZprojekt in
Linden zu melden, weil die ja vielleicht einen Platz oder einen
Container für mich hätten. Ich habe meine Idee also vorgestellt und
innerhalb von fünf Minuten haben sich dort alle dafür
ausgesprochen. Irgendwie wurde dann innerhalb von einer Woche aus
einer kleinen Idee dieses Projekt. Dann habe ich mich bei eBay
Kleinanzeigen und Co. ein bisschen schlau gemacht und kam zu dem
Schluss, dass ein Wohnwagen das Beste ist. Der ist nämlich
wohnlich, beheizbar und isoliert. Innerhalb von vier Wochen habe
ich dann diesen Wagen gefunden, mit den vereinten Kräften meiner
Eltern und meiner Freunde hierher gebracht und nach Absprache mit
den Eltern der Kinder das Babysitten aufs PLATZprojekt verlegt.
Daraufhin kamen immer mehr interessierte Menschen zu mir, ich habe
Veranstaltungen ausgerichtet, eine Facebook-Seite angelegt und
einfach Kinder-Action gemacht. Das hat alles sehr viel Zuspruch
gefunden und jetzt gewinne ich sogar einen Preis dafür. Da muss das
Universum mitgeholfen haben!“ Das Schicksal verhalf ihr nicht nur
zu einem Preis, sondern auch zu einer kleinen Finanzspritze von
1000 Euro. Wie sie das Geld nutzen wird, weiß die Preisträgerin
schon ziemlich genau: „Der Kinderwagen ist mittlerweile 49 Jahre
alt und bräuchte dementsprechend dringend neue Dichtungen für die
Fenster. Letzte Woche wurde leider auch das erste Mal eingebrochen,
deshalb brauchen wir ein neues Türschloss. Und auch für die Kinder
brauchen wir Equipment, zum Beispiel vernünftige Skateboards, Helme
und Schützer. Bisher wurde alles privat finanziert, deswegen
entlastet mich das Preisgeld schon sehr. Wir werden ganz sicher
etwas mit den 1000 Euro anzufangen wissen.“ Der Goldene Ernst wurde
in diesem Jahr zum ersten Mal verliehen. Matthias Holz berichtet
als Vertreter des Ernst.FM-Kuratoriums von der Entstehung des
Preises und davon, was damit erreicht werden soll: „Es hat alles
damit angefangen, dass wir damals bei der Gründung von Ernst.FM am
eigenen Leib erfahren haben, wie schwierig es ist, mit einer
kleinen Idee oder einer kleinen Initiative an Fördergelder zu
kommen. Man muss sich ja vor Augen führen, dass bei solchen
Projekten im Prinzip mit Geld alles steht und fällt. Wir hatten das
Glück, dass wir uns auf die Unterstützung der Hochschule verlassen
konnten, andere Projekte befinden sich aber nicht in einer solch
glücklichen Lage. Nichtsdestotrotz gibt es in Hannover ganz viele
Projekte, Initiativen, Vereine, die verschiedenste Dinge machen und
schon mehr als nur eine Idee haben. Es gibt natürlich größere,
teilweise mit fünfstelligen Beträgen dotierte Preise, aber gerade
solche kleinen Projekte können auch mit einem vergleichsweise
geringen Betrag von 1000 Euro schon eine Menge anfangen. Das Schöne
daran ist, dass man dann auch direkt sehen kann, was mit dem Geld
möglich gemacht wird. Und genau das war unser Hintergedanke: Wir
wollten kleine Projekte, die es schon gibt, mit einer Anschubhilfe
unterstützen.“ Das Kuratorium zählt sechs Mitglieder. Diese sechs
zeichneten für die Organisation des Goldenen Ernst verantwortlich.
Über den Preisträger selbst sollte aber eine externe Jury
entscheiden. Warum wurde dieser schöne Job ausgelagert? „Uns war es
wichtig, dass die Jury ein Stückweit die Stadtgesellschaft
abbildet. Natürlich war Herr Volck als Vertreter der Hannoverschen
Volksbank an Bord, die das Preisgeld gestiftet hat. Bei der Auswahl
der restlichen Juroren haben wir darauf geachtet, dass sie
verschiedene Bereiche abdecken. Der ehemalige 96-Spieler Steven
Cherundolo repräsentierte beispielsweise den Bereich Sport. Ninia
LaGrande ist als Moderatorin und Slam-Poetin im Kulturbereich
tätig. Björn Vofrei von der Identitätsstiftung ist – unter anderem
mit Hannoverliebe – ebenfalls im Kulturbereich unterwegs. Und zu
guter Letzt saß mit Anna Zimmermann auch eine Vertreterin unserer
Chefredaktion in der Jury. Durch diese bunte Mischung haben wir
sichergestellt, dass wir nicht einfach nach Gutdünken einen Preis
verleihen. Stattdessen haben wir Menschen an einen Tisch geholt,
die mit ihren unterschiedlichen Biographien und Hintergründen eine
Art Querschnitt darstellen.“ Nach getaner Arbeit zieht Holz ein
positives Fazit der diesjährigen ersten Verleihung: „Wir sind sehr
zufrieden mit der Zahl der Einreichungen. Es sind achtzehn
Bewerbungen aus ganz verschiedenen Bereichen eingegangen: Kultur,
Soziales, Sport. Projekte für Kinder, Jugendliche, Obdachlose, und
so weiter. Die ganze Palette war dabei. Das hat also schon mal sehr
gut geklappt. Natürlich gibt es bei einem solchen Projekt beim
ersten Mal immer gewisse Kinderkrankheiten im Ablauf, aber das
gehört sicherlich dazu. Und wenn ich mich hier auf dem PLATZprojekt
umschaue, gibt es ja auch großes öffentliches Interesse. Ein voller
Erfolg also, würde ich sagen!“ Möglich gemacht hat das Ganze auch
die Hannoversche Volksbank. Die saß nämlich nicht nur in der Jury,
sondern spendete auch noch die 1000 Euro Preisgeld. Der
Pressesprecher Marko Volck berichtet, warum die Großbank gerade den
Goldenen Ernst unterstützt hat: „Der Goldene Ernst bringt jungen
Leuten ehrenamtliches Engagement näher. Durch die Ausschreibung
machen sich viele Menschen Gedanken, welche Projekte preiswürdig
sind. Ich denke, das ist eine tolle Gelegenheit, engagierten
Menschen zu zeigen, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird.“ Und warum
stach das Projekt „Kinderwagen“ in diesem Jahr zwischen den anderen
Einsendungen heraus? „Hinter dem ‚Kinderwagen‘ steckt eine einzelne
Person, die sich zum Wohle von (Flüchtlings-)Kindern wahnsinnig
zurücknimmt und ein enormes Engagement zeigt. Dass sie neben ihrem
Studium so viel Zeit investiert, macht das Projekt einzigartig. Ich
denke, Nina Lege hat mit Recht gewonnen, aber es war natürlich
trotzdem eine knappe Entscheidung. Wir hatten viele tolle
Einsendungen. Gerade die Projekte für Flüchtlinge waren
beeindruckend, denn das Thema ist ganz aktuell und neu und trotzdem
wurde mit dem dahinterstehenden Engagement schon enorm viel auf die
Beine gestellt in Hannover. Es ist bemerkenswert, welche große
Bandbreite an Bewerbern der Goldene Ernst schon beim ersten Mal
anlocken konnte.“ Ein rundes Projekt mit einer glücklichen
Preisträgerin also. Was will man mehr? In seinem Fazit verrät Herr
Volck nebenbei auch gleich ein sehr positives Detail: „Falls im
kommenden Jahr ein weiteres Mal der Goldene Ernst vergeben wird,
sind wir gerne wieder dabei – so viel kann ich schon mal sagen.“
Nun bleibt nur zu hoffen, dass wir auch im nächsten Jahr wieder
etwas vom Goldenen Ernst hören. Bis dahin wünschen wir Nina Lege
weiterhin allen erdenklichen Erfolg mit ihrem „Kinderwagen“ auf dem
PLATZprojekt 2, denn den hat sie sich mehr als verdient.

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