Episode 7: Klartext, Baby!

Episode 7: Klartext, Baby!

Wie du richtig gute Texte schreibst.
16 Minuten

Beschreibung

vor 7 Jahren

Wie schreibt man richtig gute Texte? Das machst du mit der
richtigen Portion "Bedeutung", "Resonanz" und ... hör einfach mal
rein!


--- SHOWNOTES
Text-Tuning von Tilo Dilthey
Texterin Laura Belgray (Talking Shrimp)


--- TRANSKRIPT
Ich schau‘ gerade die Tageszeitung durch. Diese hier hat jetzt
zum Beispiel ne‘ Auflage von 24.833. Wer hier ne‘ Anzeige
schaltet, der ist damit natürlich nicht alleine. Und wer sich
Aufmerksamkeit teilen muss, dessen Botschaft sollte mal lieber
interessant sein.


Und ich stell‘ mir gerade vor, wie es wäre keine Konkurrenz zu
haben – also für’n Moment lang die ungeteilte Aufmerksamkeit von
potenziellen Neukunden nur für mich ganz alleine zu haben. Und
ich seh‘ mich so in Gedanken auf ne‘ Bühne gehen, da steht n‘
Mikrofon und ich hätte tatsächlich diese eine riesen Chance,
meine aller wichtigste Botschaft in drei Sätzen an 24.833
Menschen über so ne richtig fette Tonanlage raus zu posaunen. Und
jeder von denen hätte vielleicht noch einen Mitbewohner
mitgebracht – Ehemann, Ehefrau, Kind, WG-Mitglied oder notfalls
sein Haustier.


Ich glaub‘ ich würde mir schon eine Woche vorher genau überlegen,
was ich sage und besonders wie ich es sage. Wer sitzt da vor mir?
Was sind das für Leute? Was wollen die hören? Und ich weiß, ich
hab‘ nur diesen einen Augenblick – die eine Chance um meine
Botschaft an die Frau und an den Mann zu bringen. Das würden
gehaltvolle, erhellende, wundersame – gar treffliche Worte sein,
die ich da abfeuern dürfte.


Und jetzt könnte man doch meinen, dass sich Menschen, die eben
nicht ganz alleine auf `ner Bühne stehen und die sich ihre
Präsenz noch mit anderen Mitbewerbern teilen müssen (in der
Zeitung) … dass die sich noch intensivere Gedanken machen, um von
ihren Kunden auch wirklich wahrgenommen zu werden um denen klar
zu machen, wie genial ihr Service wirklich ist. Und warum die
Welt ihr Produkt unbedingt braucht.


Aber das Gegenteil ist oft der Fall. Ich les‘ dir jetzt die
plattesten Plattitüden aus dieser Tageszeitung vor – und damit
herzlich willkommen zu Episode Nr. 7 – Klartext Baby.


Heute: „Klartext!“ - Praxisbeispiele aus der Werbung. Ich möchte
dich bitten jetzt mal für’n Moment die Augen zu schließen, aber
bitte: nicht am Steuer und nach Möglichkeit auch nicht beim
Joggen – denk dran, du bist nicht allein im Straßenverkehr.


Aber wenn du die Möglichkeit hast, dann stell‘ dir doch mal vor,
dass ich alle Worthülsen, die ich dir jetzt vorles‘ - tatsächlich
genauso aus nur drei Werbeanzeigen dieser Tageszeitung
zusammengetragen habe.
Und ich teil‘ diese 8 Worthülsen jetzt mal in zwei Hälften und
wir stellen uns vor, da würde auf der linken Seite eine Anzeige
der Firma Schulz – und auf der anderen Seite die Anzeige der
Firma Ziegler stehen. Die einen sind im Sanitärbereich tätig, die
anderen sind Maurer.


OK: Hier die Firma Schulz, Sanitär:
Kompetente Beratung
Fach- und termingerecht
Erstklassiger Service
Wir freuen uns auf Sie


Und jetzt die Firma Ziegler, Maurer:
Top Beratung
Sauber und termingerecht
Zuverlässiger Service
Wir freuen uns auf Ihren Besuch


Fällt dir da was auf? Alle Argumente sind komplett austauschbar
und sagen gar nichts aus. Und selbst wenn einer der beiden nicht
aus dem traditionellen Handwerk kommen würde, sondern es
vielleicht ein Autohaus wäre – es würde nicht mal auffallen!


Top Beratung
Sauber und termingerecht
Zuverlässiger Service
Wir freuen uns auf Ihren Besuch


Dröseln wir das mal auf:
Jetzt sagst du vielleicht: Na komm‘ schon – Top Beratung ist doch
ne prima Sache in unserer Servicewüste Deutschland: Ja schon. Nur
ist dieser Nutzen belegbar? Wer sagt das? Sagen das die Kunden
oder du selbst über dich? Wer kann das bezeugen? Und wenn das
wirklich stimmt, dass deine Beratung Top ist, WAS ist daran Top?


Jetzt kommen wir nämlich zum Kern der Sache.
Um es mit den Worten von Tilo Dilthey zu sagen – raus aus seinem
kleinen aber feinen Buch „Text-Tuning“:


Er sagt: „Worthülsen gehören in die Tonne […] Wenn Sie […]
hervorragende Qualität anbieten, dann ist sie bitte titangehärtet
oder von Stiftung Warentest mit sehr gut bewertet […]. Auf jeden
Fall aber: Konkret und belegbar. Und statt eines engagierten
Services bieten Sie bitte den 24-Stunden-Service oder einen
Service, der in spätestens einer Stunde beim Kunden zu Hause ist
oder der im ersten Jahr kostenlos ist oder … oder …“


Der Link zum Buch „Text-Tuning“ wie immer in den Shownotes.
Und nochmal zur Erinnerung: Unser Thema heute ist „Klartext“. Und
da müssen wir in unserer Aussage schon auch mal konkret werden.


Was ist denn das für ein erstklassiger Service? Wie sieht der
konkret aus? Was ist an dem Service so erstklassig? Ist es
vielleicht ein Service, der wirklich rund um die Uhr für mich da
ist, auch wenn ich nachts um drei anruf’? Ja das wär’ schon ein
Argument für mich – aber nur erstklassiger Service? Das kann ja
jeder sagen. Aber n’ 24 Stundenservice – der ist nachprüfbar und
ist ein handfestes Argument.


Und nochmal: wer würde sich ernsthaft im Olympiastadion vor
25.000 Menschen stellen und zaghaft in das Mikro hauchen: „Ich
berate sie top und freu mich auf Ihren Besuch.“ Ich mein: was
soll das sein? Ich will doch schwer hoffen, dass ich von nem
Profi top beraten werde und dass der sich dann wenigstens freut
wenn ich bei ihm aufschlag’ und ihm mein Geld bring’. Aber was
hab ich wirklich davon – was ist für mich dabei drin?


Und jetzt sind wir beim Nutzen. Wenn ich als Interessent nicht
erkennen kann, was an einem Angebot wirklich für mich drin ist
und welchen konkreten Vorteil ich davon hab, der dann auch
nachweisbar ist, dann schau ich mich beim Mitbewerber um, der
dann vielleicht mit konkreten Argumenten für mich zur Stelle ist.


„Top Beratung“: na also die sollte doch jeder haben. Zahnarzt,
Schuster, Personalcoach und Hypnotiseur.


„Sauber und termingerecht“: setzen wir das nicht alle voraus?


„Zuverlässiger Service“: ja was denn sonst?


„Wir freuen uns auf Ihren Besuch“: ach was -  ich bitte
dich!


Wie wär‘s mit: „Wir renovieren Ihre Wohnung garantiert staubfrei.


Unser Team versteht sich blind und deshalb müssen Sie sich
außerdem um keine Terminabsprachen mit den verschiedenen Gewerken
kümmern.


Fahren Sie beruhigt in den Urlaub – wenn Sie wiederkommen ist der
Umbau fertig.


Die Fachberatung bei Ihnen zu Hause bis hin zum fertigen Angebot
schenken wir Ihnen wenn Sie uns bis zum … anrufen und die
Beratung vereinbaren.


Fertig. Welchen Nutzen bekommt der Kunde?


1.    Einen garantiert staubfreien Umbau – das ist
sehr wertvoll, wenn man in der Umbauphase zu Hause wohnt und die
anderen Räume nicht mit Baustaub belegt haben will
2.    Keine lästigen Terminvereinbarungen – 1x
Auftrag erteilt, alles läuft von selbst, die Handwerker
verständigen sich unter sich – super bequem
3.    Beratung geschenkt, kostenloses Angebot –
das ist auch nicht selbstverständlich


Und wer schon einmal vom Nachbarn gehört hat, wie ein Umbau sonst
noch so ablaufen kann, der schaut sich diese Argumente sicher
nochmal genauer an. Für ihn bekommt dieser Text jetzt Bedeutung.
Und das ist es doch, was einen guten Text ausmachen sollte.
Bedeutung statt leerer Worthülsen. Denn wenn du in Publikationen
Werbung machst, hast du eben die Chance vor locker 25.000
Menschen deine Botschaft loszuwerden. Wäre doch jammerschade,
wenn du dann sowas bringst wie „ich bediene Sie termingerecht“.


Und ob du jetzt den Vergleich mit dem Mikrofon auf der Bühne vor
25.000 Zuhörern, oder einen anderen bemühst – Mir hilft es
jedenfalls immer, mir noch mal bewusst zu machen das jegliche
Kommunikation nach außen die Chance sein könnte, meine Botschaft
mit Bedeutung aufzuladen und sie somit den entscheidenden Grad
effektiver zu machen, den’s einfach braucht, um trefflicher als
die Anderen zu texten. In der Werbung ist es wie im Profisport:
Nur 1% mehr Einsatz, Leidenschaft, Akribie – oder wie immer du es
nennen willst – dieses eine Prozent entscheidet am Ende, wer
gewinnt. Warum war Michael Schumacher meistens vor seinen
Teamkollegen – die genau das gleiche Auto hatten. Das eine
Quäntchen hat den Unterschied gemacht. Also – auch beim Texten
oder vielleicht gerade beim Texten lohnt es sich, nochmal zu
schauen, ob die Worte auch wirklich Bedeutung haben. Das kann der
entscheidende Schumacher-Faktor sein.


Am besten natürlich, wenn ich vorher schon genau weiß, welchen
Service- oder Produktnutzen sich mein Kunde wünscht. An was denkt
er oder sie, wenn sie die Kerzen ihres Geburtstagskuchens aus
pustet? Was beschäftigt sie und welches Problem hält sie nachts
wach?


Und zum Thema nachts wach halten hab ich noch n’ super Beispiel
für dich, dass ich neulich in ner Podcast-Episode von Rick
Mulready gehört habe. Bei ihm war die Texterin Laura Belgray zu
Gast und hat folgendes Beispiel gebracht:
Sie hatte nen‘ Kunden aus der Finanzbranche und der hatte das
Problem dass seine Homepage nicht so richtig performt hat. Also
zu wenig Besucher seiner Seite haben sich bei ihm gemeldet. Er
war spezialisiert auf die (ich hoff’ ich übersetz’ es richtig)
Finanzplanung von geschiedenen Frauen. Und direkt auf seiner
Startseite stand die dicke Überschrift: wir helfen geschieden
Frauen ihr Vermögen und Ihre Werte in Einklang zu bringen.


So, und jetzt wichtig – versuch mal die Perspektive der
geschiedenen Frau einzunehmen.


Die Texterin hat sich jetzt gefragt: welche Frau, die gerade eine
Scheidung hinter sich hat, wacht nachts um 3:00 Uhr auf sitzt im
Bett und denkt sich schweißgebadet: oh mein Gott, mein Vermögen
ist nicht mit meinen Werten in Einklang. Wenn doch nur jemand
käme und mein Vermögen mit meinen Werten in Einklang bringen
würde – dann wäre mein Leben perfekt.
Das würde so im echten Leben nie passieren.


Dann haben sie’s geändert in: Das Leben nach einer Scheidung geht
weiter. Stell sicher, dass es dein Geld auch tut. Ist jetzt aus
dem Englischen heraus vielleicht nicht perfekt übersetzt, aber
ich denke du merkst den Unterschied. Das Leben geht weiter: hier
kommt wieder ein bisschen Hoffnung ins Spiel. Das sind ja
vielleicht gerade die Gedanken, die hier vorherrschend sind: ist
mein Leben jetzt vorbei? Wie geht’s weiter? Und all solche
Fragen. Und das Abstrakte ist jetzt weg. Das sieht man ja häufig
in der Werbung für Finanzdienstleister, so quasi über Geld
spricht man nicht. Und vielleicht kommen auch daher diese
Worthülsen wie „das Vermögen mit den Werten in Einklang zu
bringen“. Und eben das Schwierige an solchen Worthülsen: sie
bedeuten den Menschen in ihrer Situation herzlich wenig.


Noch ein anderes Beispiel: eine Kundin von ihr, die Eltern
geholfen hat, ihre fehl-erzogenen Kinder wieder auf Spur zu
bringen. Die hatte auf ihrer Homepage folgende Headline: „Lerne
deine Auszeiten zu transformieren“. Keine Ahnung, was das heißen
soll. Nur, dass sicher niemand in der Nacht aufwacht und sich als
erstes denkt: verdammt, ich muss unbedingt meine Auszeiten
transformieren. Ich brauche unbedingt einen ganz neuen Weg für
meine Auszeiten. Wenn ich nur meine Auszeiten revolutionieren
könnte!
Das ist aber nicht, was diese Eltern wollen. Sie wollen einfach
nur Kinder, die sich ordentlich benehmen. Und die Auszeit ist
eine Folge davon.


Und deshalb die neue Headline:
Hab’ Kinder, die du überall mit hinnehmen kannst, ohne ein Oger
zu sein. Wer sich erinnert: ein Oger ist das große grüne Ungetüm
– der Protagonist aus dem Animationsfilm Shrek. Die Headline
funktioniert natürlich in Amerika auch wieder besser, als eins zu
eins übersetzt im Deutschen.


Und auch hier wieder: einfache Sprache, die Resonanz erzeugt. Weg
vom Abstrakten, hin zu konkreten, alltagstauglichen
Gedankengängen. Weil was wollen diese Eltern? Sie wollen nicht
schreien, keine üblen Wörter verwenden müssen und im Restaurant
einfach mal nicht die lauten Störer sein.
Also wirklich sehr spannend, einfach mal überlegen, in welchen
Gedankengängen sich die Kunden gerade befinden könnten, und dann
Botschaften mit Bedeutung, in einfacher Sprache verwenden, die
beim Empfänger auf Resonanz treffen.


Also, ich fass' noch mal zusammen:
Wenn wir schon nach außen kommunizieren, dann nutzen wir doch
unseren Chancen. Welche Botschaften haben für deine Kunden
Bedeutung? Was geht ihnen im Kopf herum, wenn sie nachts
aufwachen und was wünschen die sich, wenn sie ihre
Geburtstagskerzen auspusten? Und kannst du diese Wünsche, Ängste,
oder Sehnsüchte in einfache Worte packen, die du im echten Leben
auch verwenden würdest?


Was ist an deinem Service denn so besonders? Kannst du es
beweisen? Dann tu’s. Mit Kundenmeinungen, Testergebnissen,
Garantiesiegeln und so weiter.
Es geht um Relevanz, Resonanz, Bedeutung und an oberster Stelle
immer um den greifbaren und klaren Kundennutzen.


Und vielleicht hat dich diese Episode ja schon auf ein paar Ideen
gebracht, die du gleich beim nächsten „Klartext“ den du schreibst
mit einbauen kannst.
Ich hoffe diese Episode hatte Bedeutung für dich, schön dass du
dabei bist und ich hoff‘ natürlich, dass auch die nächsten Folgen
– immer donnerstags bei dir auf Resonanz treffen und dich immer
wieder ein Stückchen weiter bringen.


Das wünsch‘ ich dir.
Bis zur nächsten Episode.

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