Wer bist du und wie lange?

Wer bist du und wie lange?

Kennst du auch sogenannte Old-Boys-Netzwerke? Wie stellst du dir den Nutzen davon für ihre Mitglieder vor?
8 Minuten

Beschreibung

vor 4 Jahren
www.edithkarl.com   Wenn Identifikation zum Problem
wird

 


Wer bist du und wie lange - Edith Karl Mutepertin


 


Vor wenigen Tagen war ich auf dem Begräbnis eines Kunden. Nennen
wir ihn Jakob Zauner. Sein 76. Geburtstag lag erst einige Monate
zurück. Er war krebskrank. Seit 10 Jahren war er offiziell in
Pension. Das Unternehmen hatte er an seine Tochter und an seinen
Sohn übergeben. Die beiden führten das Haus in gutem Einvernehmen
weiter zum Erfolg. Das freute ihn natürlich. Trotzdem fühlte er
sich amputiert, wie er mir öfter bei Veranstaltungen erzählte.


 


Der Ruhestand füllte ihn nicht aus. Seither war er intensiv
ehrenamtlich tätig. Er spielte Zugposaune in einem Blasorchester.
Dort musizieren die meisten Bläser nebenberuflich, einige waren
Musiklehrer, einige spielten zusätzlich in anderen Formationen.
Das Niveau war ausgesprochen hoch. Jeder gab sein Bestes. Die
Konzerte waren immer ausverkauft und genossen einen
hervorragenden Ruf. Doch irgendwie wirkte er unzufrieden. Er
griff immer häufiger zum Glas.


 
Ich bin der Chef

 


Mir fiel auf, dass er auf die Frage, was er denn so mache, immer
mit einer Position antwortete. Ich bin zwar nicht mehr der
Firmenchef, rutsche es ihm hin und wieder heraus, aber ich bin
Posaunist. Ich bin auch Leiter des örtlichen
Amateurfilmer-Verbandes. Demnächst verreisen wir nach Island.
Dort drehen wir einen aufsehenerregenden Naturfilm.


 
Ich bin wichtig

 


Doch eines Tages erhielt er die Diagnose Lungenkrebs. „Die Kinder
führen die Firma prima. Aber es ist schon hart, nicht mehr der
Verantwortliche zu sein. Ich will ihnen auch nicht zu oft meinen
Rat aufdrängen, sonst gehe ich ihnen womöglich noch auf die
Nerven. Also schluck ich halt meine guten Ideen hinunter.“ Sein
Seufzen war nicht zu überhören.


 


Seine Frau war pensionierte Lehrerin. Sie hatte ihn während all
der Ehejahre nur sehr unregelmäßig zu sehen bekommen. Er hatte
sich auch noch politisch engagiert. Sie war mit den beiden
Kindern in der freien Zeit viel allein zu Hause. Sie besuchte mit
ihnen kulturelle Veranstaltungen, sie unternahmen Ausflüge und
trafen sich mit Freunden. Oft fuhren sie auch ohne ihn auf
Urlaub. Seit seiner Pensionierung hatte er sein Verhalten kein
bisschen verändert. Zum Glück war sie es gewohnt, ein
selbstständiges Leben zu führen. Sie hatte eine umfangreiche
Bibliothek, besuchte weiterhin viele kulturelle Veranstaltungen.
Ausflüge und Urlaube mit Freundinnen und allein war sie
schließlich gewohnt. Zu den Kindern hatte sie ein sehr herzliches
Verhältnis. 


 


Das Spielen der Posaune fiel Jakob Zauner zunehmend schwerer. Das
machte ihm psychisch sehr zu schaffen. Als er schließlich
aufhören musste zu spielen, brach eine Welt für ihn zusammen.
Obwohl er sich gezwungenermaßen mehr Ruhe gönnte, verschlechterte
sich die Krankheit. Die Atemnot wurde immer anstrengender.
Trotzdem verbrachte er noch viele Abende in Diskussionsrunden und
bei Stammtischen. Dort fühlte er sich wichtig. Er wurde gesehen,
gehört und mit Applaus geehrt.


 
Wer bin ich wirklich und wie lange?

 


Als dann klar war, dass er auch die Islandreise nicht antreten
kann, verfiel er schnell und deutlich sichtbar. Wie sehr hatte er
sich darauf gefreut. Wie gerne wollte er danach über diese Reise
in vielen Vorträgen berichten. Es war ihm sehr wichtig, die Fäden
in der Hand zu haben. Er hatte bereits den gesamten Ablauf der
Reise bestimmt. Er legte schon fest, welche Sequenzen wann
gefilmt werden sollten und in welcher Reihenfolge er darüber
vortragen wollte. Der Applaus schien ihm sicher.


 


Doch es kam nicht mehr dazu. Man konnte ihm fast zuschauen beim
Verfallen, meinten einige Verwandte und Bekannte. Sobald er auch
noch sein zweites Ehrenamt verloren hatte, fehlte ihm der Sinn
seines Lebens.


 
Ich bin

 


Seine Tochter und sein Sohn sind ihrer Mutter sehr zugewandt. Sie
führen das Unternehmen seit sie es übernommen haben mit agilen
Führungsmethoden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen
sich eingebunden in den notwendigen Prozess der Digitalisierung.


 


Sie führen mit Freude und Begeisterung, identifizieren sich aber
nicht mit ihrer Rolle als Firmenchefs. Selbst auf die Frage „Wer
bist du?“ antworteten sie nie mit ihrer Position. Immer häufiger
sagen sie „Ich bin präsent.“ Und das sind sie auch. Sie widmen
sich ganz den Menschen, denen sie gerade gegenüberstehen. Sie
unterscheiden sehr bewusst zwischen der Aussage „Ich bin“ und
„Ich arbeite“ oder „Ich plane gerade…“


 


Auf Nachfrage erzählen sie, warum ihre Arbeit sie so sehr
erfüllt.


 


Das haben sie von ihrer Mutter gelernt, verrieten sie mir. Sie
hat nie gesagt „Ich bin Mutter“, sondern „Ich freue mich über
meine beiden Kinder“. Wenn jemand nachfragte, ob die beiden ihr
auch Ärger bereiteten, meinte sie schelmisch: „Klar tun sie das
immer wieder. Aber das gehört doch dazu. Das ist ganz normal.“
Sie meinte auch nie „Ich bin Lehrerin,“ sondern „Ich unterrichte
Jugendliche in den Fächern Englisch und Geschichte“. Sie war
sowohl als Mutter wie auch als Lehrerin engagiert, identifizierte
sich aber nicht mit diesen beiden Aufgaben. Sich identifizieren
würde bedeuten, sich voll und ganz für jedes Handeln der eigenen
Kinder und der Schülerinnen und Schüler verantwortlich zu fühlen.
Das wäre erstens prinzipiell unmöglich und außerdem ein
unsagbarer Stress. Ein solches Verhalten würde sowohl ihr als
auch den anderen Beteiligten die Luft zum Atmen nehmen. Menschen
brauchen Inspiration und Freiraum war ihr klar. Sie verfügt über
Lebensweisheit. 


 
Wann bist du wichtig?

 


Jakob Zauner wollte wichtig sein. Doch ganz nüchtern betrachtet
fehlt er nach seinem Tod weder in der Firma noch seiner Frau.
Sohn und Tochter führen das Unternehmen engagiert und kompetent.
Seine Frau musste bis jetzt schon ohne ihn auskommen und hat sich
bestens damit arrangiert. Für sie ändert sich nichts zum
Schlechteren.


 


Wie antwortest du auf die Frage: „Wer bist du?“


 


Ich freue mich auf Deine Kommentare und Erfahrungen zu diesem
Thema im Kommentarfeld unter diesem Podcast, per eMail oder auch
auf www.facebook.com/erfolgsorientiert

Herzlich grüßt Dich Deine
Edith :)


 


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