Jahrestag der Machtergreifung der Taliban in Afghanistan

Jahrestag der Machtergreifung der Taliban in Afghanistan

7 Minuten
Podcast
Podcaster
Reportagen aus dem Alltag von Muslimen, Berichte über innermuslimische Debatten und Kommentare von Gastautoren zu aktuellen Themen: Das alles bietet das Freitagsforum. Musliminnen und Muslime stellen hier ihre Sicht der Dinge dar.

Beschreibung

vor 9 Monaten
Die Lage der Frauen und Mädchen ist zwei Jahre nach der
Machtergreifung durch die Taliban in Afghanistan schlimmer denn je.
Ein Gespräch mit Christina Ihle, Vorsitzende des Afghanischen
Frauenvereins Hamburg. Vor zwei Jahren, Anfang August 2021, haben
die militant-islamistischen Taliban in Afghanistan wieder die Macht
übernommen. Tausende Menschen flohen damals aus dem Land, die
Bilder von Flüchtenden, die sich verzweifelt an startende Flugzeuge
hängten, sind uns noch allen in Erinnerung. Anders als vor 27
Jahren versprachen die neuen Machthaber zunächst, die
Menschenrechte, und damit auch die Rechte der Frauen und Mädchen zu
wahren. Doch die Situation ist heute schlimmer denn je: Frauen
werden aus der Öffentlichkeit verbannt, inhaftiert und gefoltert.
NDR Redakteurin Sabine Pinkenburg hat mit der Vorsitzenden des
Afghanischen Frauenvereins in Hamburg, Christina Ihle gesprochen.
Frau Ihle: In den ersten Monaten nach der Machtergreifung durch die
Taliban haben sich viele Frauen dagegen gewehrt, dass ihre Rechte
durch die Taliban beschnitten werden. Für ihren Protest mussten
viele von ihnen teuer bezahlen. Viele Frauen verschwanden, wurden
festgenommen und sogar gefoltert. Gibt es heute noch Frauen im
Land, die sich öffentlich gegen die Taliban zur Wehr setzen?
Christina Ihle: Es ist alles sehr schwierig und auch sehr
gefährlich. Das waren Proteste, die vor allem im städtischen Raum
erfolgten und Erfolg haben. 80 Prozent Afghanistans ist ländlich,
sehr konservativ und patriarchalisch strukturiert. Dort würde es
keine Wirkung haben, wenn eine Frau mit einem Plakat auf der Straße
protestiert. Da leisten die Frauen auf bewundernswerte Weise anders
Widerstand, indem sie zum Beispiel ihre Wohnzimmer öffnen und dort
Mädchen unterrichten. Ich kenne viele Frauen, die Schneidereien bei
sich zu Hause eröffnen, sich versammeln, um dann Einkommen zu
erwirtschaften, um Ideen zu entwickeln, wie sie sich untereinander
helfen können. Das ist auf praktische Weise sehr mutig und
großartig. Seit Ende letzten Jahres dürfen junge Frauen nicht mehr
studieren. Mädchen ist der Schulbesuch ab der siebten Klasse
verboten. Was bedeutet das für die jungen Frauen? Ihle: Ja, das ist
natürlich der drastischste Einschnitt in das Leben von jungen
Frauen. Das ist der stärkste Erlass, der die dramatischsten
Konsequenzen hat und vielen jungen Mädchen und jungen Frauen die
Hoffnung auf Zukunft komplett genommen hat. Viele Frauen, viele
Schülerinnen an unseren Schulen, sind zutiefst deprimiert und
wissen nicht, wie es für sie weitergehen kann. Denn alle, die die
Schule besuchen, haben den Traum, ihr Land zu gestalten. Also jedes
Schulmädchen, welches man fragt, sagt: "Ich möchte Lehrerin werden,
Ärztin werden, Rechtsanwältin werden, um Afghanistan zu gestalten".
Dass ihnen dieser Traum genommen wird, ist fatal.

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15
:
: