Podcaster
Episoden
26.09.2022
40 Minuten
Die Bestsellerautorin Isabel Bogdan ist inzwischen weit mehr als
eine Diskokugel in der Hamburger Literaturszene. Sie glänzt
allumfassend. Auch bei der Beantwortung schwieriger Fragen, zum
Beispiel wie Corona und Kunst zusammengehen. Muss ja. Aber es
gibt Hoffnung und irgendwann Sekt, versprochen.
Texte: Kurt Tucholsky Zweifel, Wilhelm Busch Auch
er
Autorinnen-Foto: Heike Blenk
Diese Folge wurde unterstützt durch die Dorit &
Alexander Otto Stiftung "Kultur hält zusammen".
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25.11.2021
14 Sekunden
Überall ist Wunderland, Folge 12
Mir reicht’s. Jetzt lasse ich die Glöckchen klingeln.
Kinder, Corona, Klimakrise – das kann doch nicht mein Leben
sein!
Ich starte umgehend das Weihnachts-Hardcoreprogramm:
Bienenwachskerzen, Oratorium und Zucker. Dominosteine,
Marzipankugeln, Vanillekipferl – ich bin zu Großem in der Lage.
Wenn nichts Süßes mehr geht: Riesengarnelen in Knoblauchsahne
küsst Brot von glücklichem Sauerteig.
Diese Trennkost halte ich mindestens eine Woche durch. Zum
Abschluss wird eine Rakete zum Mond geschossen, mit den drei
Königen drauf. Dann beginnt schon die Fastenzeit, radikaler
Entzug und täglich vier Runden um die Alster, herrlich! Ich
schätze am 24.12. bin ich schon beim Osterfest angekommen.
Narzissen, Eier, Spazieren mit Goethe. Pfingsten fällt dieses
Jahr auf Neujahr, endlich wird das mal gebührend befeuert, äh
gefeiert! Und dann habe ich auch schon Geburtstag und wünsche mir
einen liebevoll gebastelten Adventskalender von der ganzen
Familie. Und Weihnachten beginnt Ende Januar von vorn.
Ich feiere den Exzess. Alternative Ideen, wie man durch diese
Zeit kommt, habe ich ausprobiert, aber die maßvolle Mitte macht
für mich einfach keinen Sinn mehr.
Aktives Zuhören: Masochismus.
Autogenes Training: Innen sieht’s aus wie Draußen.
Achtsamkeit: „Süß“, knirschen die Wölfe und zerfetzen das
Lämmlein.
Und die Strategien der Mitmenschen? Manche rüsten auf und drohen
wutschnaubend in Richtung der Gegner – wo auch immer sie diese
vermuten. Viele wollen alles richtig machen und wühlen sich
verunsichert durch das wandelbare Regelwerk. Und nicht wenige
kämpfen intensiv ums Überleben. Wir haben keinen Krieg, aber es
klingt so.
Während ich das hier schreibe, stehe ich im Bücherregal. Der
Laptop ist eingeklemmt zwischen „Männerabend“ und „Unterleuten“.
Auf meinem Rücken schläft Kind 2 in der Trage – und
sollte ich es wagen eine andere Position als die Stehende
einzunehmen, ist es aus mit MeTime und diesem
Text.
Es geht mir gut. Ich liebe, und wie!
Mir fehlt eigentlich nur eines: Mehr Licht.
„Damit bin ich doch in guter Gesellschaft“, säusele ich
beruhigend und zünde zu Weihnachtsklängen die Tannenbaumkerzen
an. „Goethe ging es bis zuletzt genauso.“ Dann greife ich
verträumt in den Putzeimer mit Vanillekipferln. Schon fast leer,
morgen früh backe ich neue. Kind 2 rülpst zärtlich in meinen
Nacken. Alles wird gut.
Ich wälze nicht schwere Probleme
und spreche nicht über die Zeit.
Ich weiß nicht, wohin ich dann käme,
ich weiß nur, ich käme nicht weit.
Heinz Erhardt
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30.09.2021
66 Sekunden
Überall ist Wunderland, Folge 11
Rennt! Oder: Friedhof der Küchentiere
Wir haben Motten. Sie kriechen wurmartig die Decke entlang,
versammeln sich zum Gelage in den Schränken, kopulieren auf
unseren Türrahmen und machen uns madig. Stimmt nicht, madig gilt
dem Kalauer, in Wahrheit machen sie uns völlig verrückt. Wir
springen hektisch hoch beim Essen, schlagen verzweifelt um uns
und brüllen Urlaute, wenn wir wieder eines der Tiere mit bloßen
Händen erschlagen haben. Mit Fortschreiten der Plage werden wir
aggressiver, die Klatscher bersten wie Schüsse durch die Luft und
manchmal erwische ich mich, wie ich ein totes Tier mit dem Fuß zu
Staub zermalme.
Die Motten wehren sich durch Masse. Sie werden größer und einfach
immer mehr. Sie verstecken ihre Eier in den Löchern und Ritzen
unserer jahrzehntealten Mietwohnungsküche und übernehmen durch
Megapopulation den Raum. Chapeau, könnte man sagen, aber so neu
ist das Prinzip nicht. Machen wir ja ähnlich. Was den Motten die
Altbauküche, ist dem Menschen die Erde.
Wir haben jetzt Feinde im Internet bestellt. Schlupfwespen. Die
sind winzig, hungrig und fungieren als Spürhunde der
Küchenschränke. Sie finden die Eier, nisten sich ein und die
Mottenbabys haben keine Chance auf Leben. Es scheint zu
funktionieren, wir können wieder in Ruhe essen und der Pfeifton
in meinem Ohr ist verstummt. Wenn die Schlupfwespen ihre Arbeit
gemacht haben, sind alle Motteneier weg und sie verhungern.
Einmal die Schränke durchwischen – und alle Spuren des Lebens und
Sterbens sind beseitigt.
Wer oder was ist eigentlich der natürliche Feind der menschlichen
Megapopulation?
Es gibt keine riesige Hand, die uns bei der Paarung erschlägt,
dass hätten wir mitbekommen. Auch unsere Eier werden nicht
systematisch befallen.
„Der größte Feind des Menschen ist der Mensch selbst“, sagt ein
Sprichwort. Wir sind so schlau, dass wir uns selbst schlupfwespen
können. Krankheiten raffen uns nieder, auch solche, die wir
selbst verschuldet haben. Aber mehr geht immer: unter anderem
indem wir äußerst effizient und rasend schnell unsere
Lebensgrundlage zerstören.
Wir brauchen wieder natürliche Feinde!
Verstecken wir Skorpione in Schuhgeschäften, setzten Krokodile in
Kanäle, und holen Grizzlybären in unsere Grünanlagen. Was
Paintball für die Projektgruppe ist, sind Raubtiere für unser
Rudel. In kürzester Zeit werden wir ein super Team, saugen Gift
aus fremden Beinen, zerren Kinder aus tödlichen Klauen, und sind
allgemein viel zu beschäftigt, um dem Planeten endgültig den
Garaus zu machen.
Auch wenn die Idee erst einmal unkonventionell klingt: Medien
lieben Fressen und gefressen werden, die Politik wird
heilfroh sein, wenn sie die Windräder los ist und der Rest von
uns: rennt.
Zu anstrengend? Dann warten wir gemütlich auf die Hand, die uns
beim Liebesspiel erschlägt.
Alles wahrscheinlicher, als Tempo 130 auf der Autobahn.
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18.08.2021
36 Sekunden
Überall ist Wunderland, Folge 10
Prinzip Tauschbörse, oder: Einen Stern fürs
Universum
Beruflich ist Flaute. Es gibt wieder Veranstaltungen, aber
wenige mit mir, coronabedingt. Wer weiß schon, was zu welcher
Zeit wirklich stattfinden kann. Trotzdem war und bin ich
radikal ausgebucht. Jede Sekunde meiner Lebenszeit im
Fastwachzustand ist quasi verkauft. Ohne Geldfluss versteht
sich, Prinzip Tauschbörse. Es wird sich schon ausgehen, Kinder
geben ja so viel zurück … dafür sorge ich.
Wenn ich krank bin, werden sie mich pflegen, wenn ich pleite
bin, werden sie mich durchfüttern und wenn mir langweilig ist,
reiten sie mit mir durch die Mongolei. So steht es im
Generationenvertrag. Den habe ich gestern Abend aufgesetzt,
zusammen mit dem Getreidemilchbrei. Ohne Druck, das ist mir
ganz wichtig. Wenn meine Kinder nicht wollen, können sie sich
rauskaufen. Für 2,8 Millionen sind sie frei. Die Summe ist
abgerundet, ich bin ja kein Unmensch. Ich habe meinen
Coaching-Stundenlohn angesetzt und konservativ gerechnet.
Morgen wird unterschrieben, mit Kind 1 übe ich
schon eine Weile, für Kind 2 unterschreibe ich
als Bevollmächtigte. Als Mutter hat man eine riesige
Verantwortung. Ich glaube, darüber werde ich schreiben. Meine
Posts, Videos, Podcasts, Bücher und Vorträge werden anderen
Mütterinnen und Müttern Mut machen. Kinder und Karriere passen
unter einen Hut. Zumindest unter einen Stormtrooper.
Trotz heruntergezogenem Visier muss man alles im Blick
behalten. Auch diesen ganzen Haushaltskram. Uns fehlten ein
paar elementare Dinge, ich habe online bestellt. Um das
monetäre Machtgefüge auszugleichen bei mehreren Unternehmen.
Wassersprudler beim Marktführer, Regenzeug bei Kleinanzeigen
und mütterliche Perfektion beim Universum. Der Wassersprudler
kam kaputt hier an, das Regenzeug war zu warm, aber wirklich
enttäuscht hat mich nur das Universum: gar keine Lieferung. Ich
habe gestern Nacht den Kundenservice angerufen – nichts als
Schweigen in der Dauerwarteschleife. Verständlich, dass frau da
mal etwas lauter wird. Die Nachbarn (diverse) waren erst
weniger erfreut über den Lärm am Fenster, aber als sie
mitbekamen, dass ich versuche eine Verbindung zum Universum
aufzubauen, haben sie sich alle drangehängt. Scheint ja
gewaltig was schiefzugehen in der universalen Logistik. Bekommt
eigentlich irgendwer hier unten eine korrekte Lieferung?!?
Verehrtes Universum, der Tag der Abrechnung kommt. Und ich
werde garantiert nicht zahlen. Wenn überhaupt etwas bei mir
ankommt, hat es mindere Qualität und entspricht nicht meinen
Vorstellungen. Auch die Parkplätze reichen gerade mal für
E-Roller. Konsumenten, bestellt woanders.
Von mir gibt es trotzdem einen Stern – ich möchte damit das
Universum zu besserer Leistung motivieren. Jeder kann seine
Leistung steigern, wenn er wirklich will - fragen Sie mal
meinen Mann.
Hilde Domin
Zärtliche Nacht
Es kommt die Nacht
da liebst du
nicht was schön -
was hässlich ist.
Nicht was steigt -
was schon fallen muss.
Nicht wo du helfen kannst -
wo du hilflos bist.
Es ist eine zärtliche Nacht,
die Nacht da du liebst,
was Liebe
nicht retten kann.
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08.07.2021
56 Sekunden
Überall ist Wunderland, Folge 9
MUFOs, oder: Elfen hinterm Kompost
Raider heißt schon lange Twix und UFOs heißen
jetzt UAPs.
Das also macht die amerikanische Task-Force aus geheimnisvollen
unbekannten Flugobjekten: UAPs (Unidentified Aerial Phenomena)
gibt es jetzt offiziell, mit Brief und Siegel der amerikanischen
Regierung. Nur woher die Himmelsphänomene kommen, ob Putin oder
Alf sie verursachen, die Chinesen oder Mr. Spock – dazu machen
die Spezialisten keine Aussage. Für weitere Untersuchungen will
die Einsatzgruppe erstmal mehr Geld.
Ob irgendjemand einen Dollar dafür aus der Hand geben wird? Ich
finde, schlaue Experten sollen sich um handfeste Dinge kümmern,
Internet auf dem Land, Biofleisch für alle, selbstputzende Bäder,
sowas.
Aber die großen Erzählungen, Mythen und Wunder analysieren? Bitte
nicht. Falls Jesus möglicherweise doch nicht so richtig übers
Wasser gelaufen ist, wird kein Tiefgläubiger deswegen vom Glauben
abfallen. Und durch den Beweis einer beischlaffreien Empfängnis
vor 2000 Jahren wird wahrscheinlich keine Atheistin plötzlich zu
Kreuze kriechen. Wir glauben, was wir glauben wollen.
Besserwissenschaft mit Lupe und Statistik ist ein Spielverderber
für jede gute Geschichte. Entmystifizierung tut weh und
macht selten froh, das weiß jedes Kind. Da stehen nicht
jeden Abend leibhaftig 14 Engel um mein Bett? Enttäuschend. Papa
spielt den Nikolaus? Ein schmerzhaftes Erkennen. Bis heute
weigere ich mich zu glauben, dass meine Mutter die Edelsteine für
die Elfen selbst wieder eingesammelt hat. Wahrscheinlich hat ein
Igel sie in der Nacht verschluckt. (Dass Elfen sich ausgerechnet
die Hecke hinterm Kompost neben den Bahnschienen aussuchen um
ihren Reigen zu tanzen, scheint mir dann doch etwas
unrealistisch. Die zarten Wesen flirren doch um Regenbögen am
Amazonas oder gondeln mit glockenhellem Lachen durch die
menschenleeren Vollmondnächte Venedigs.)
Ich habe etwas übrig für Fabelwesen und Außerirdische. Mit der so
genannten Realität halte ich es wie mit einer langweiligen
Beziehung in den Zwanzigern: „Das kann doch nicht alles sein!“
Ich mag die Idee von vielen Welten und Wesen, die parallel
existieren. Wir, dass einzige Leben im unendlichen All?
Unwahrscheinlich. Selbstverständlich kann es gut sein, dass ein
paar Alien-Kolleginnen/Kollegen/ganzDiverse mit
Gedankentransformationsmaterientechnik bei uns Probeflüge
veranstalten. Das sind aber keine UAPs, das sind mit Glück MUFOs
(moralisch unstrittige Flugobjektlenkende). Ich glaube an das
Gute im All.
Apropos moralisch unstrittig: Sollen die Milliardäre dieser
Welt doch von dannen fliegen, von mir aus dürfen sie sich alle
gemeinsam zum Mond schießen lassen. Dann machen wir hier mal
alleine weiter.
Obwohl, nach diesen ganzen Reisebeschränkungen muss ich auch mal
kurz raus. Der schnellste Weg ins Universum: ein
Segelboot in der Nacht. Auf schwankenden Planken liegen, unter
der Nussschale Wassermassen, und über einem tausende Sterne –
kann man schöner reisen in die unendlichen Weiten?
Und kann man leichter den Boden verlieren?
Fritz Philippi
Halt mich!
Nachthimmel, hin durch den endlosen Raum
breitet sich dein Kleid
königlich. Deines Gewandes Saum
ist ein Perlengeschmeid.
Und ein Sternlein heißt Erde.
Erde, ich suche dein Ende;
nimmer greifen es meine Hände.
Gewaltige Erde, wie heiße ich? ...
Halt mich! Ich seh’ rings mit Gewalt
Unendlichkeiten winken.
Halt mich! Ich müsste ohne Halt
als Nichts im All versinken.
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Über diesen Podcast
"Überall ist Wunderland." Humorvoll, persönlich, philosophisch –
und immer ein rezitiertes Gedicht als klassisches Dessert.
Dichte Kolumne zu Zeitfragen zum Lesen und Hören.
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