
«Das Elend Afghanistans unter der Herrschaft der Taliban – Fühlen wir uns verantwortlich oder interessiert uns nur noch die Abschiebung von Geflüchteten?» – mit Almut Wieland-Karimi und Botschafter Markus Potzel
47 Minuten
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Beschreibung
vor 1 Monat
Hat der überstürzte Abzug des Westens vor vier Jahren Afghanistan
ins Elend gestürzt? Die Afghanistanspezialistin Almut
Wieland-Karimi konstatiert, dass «Trump 1 das Land einfach den
Taliban übergeben hat». Sie sprach aber unlängst in einem
NZZ-Interview von unserem Zerrbild des Landes. Sie hatte auf dem
Land Bauersfrauen gefragt: «Welche Zeit war für euch besser,
jetzt mit den Taliban» oder in den zwanzig Jahren zuvor? «Die
Bauersfrauen haben unisono gesagt, dass es jetzt besser sei. (..)
Das Wort Zerrbild beschreibt für mich, dass wir während der 20
Jahre ein Land haben sehen wollen, was es nicht gewesen ist. (..)
Wir haben etwas auf das Land projiziert, was wir gerne so gehabt
hätten.»
Potzel bestätigt, dass «die Sicherheitslage besser geworden ist.
(..) Ich habe viel Resilienz der Bevölkerung gesehen». Er räumt
gleichzeitig ein, dass er selbst mitverantwortlich war für das
westliche Desaster und ruft in Erinnerung, dass der «Krieg Frauen
und Kinder am härtesten trifft. Und das Land hat nun mal seit
1978/79 Krieg erlebt, praktisch ununterbrochen. (..) Es ist
schwierig, wenn man versucht, in einem Land, was man nicht
besonders gut kennt und versteht, seine eigenen Vorstellungen
aufzuzwingen. (..) Ich habe daran geglaubt, dass das funktioniert
und war dann letzten Endes überrascht (..) darüber, wie wenig
Wurzeln das geschlagen hatte in der Bevölkerung». - Dazu
Wieland-Karimi: «Wir sind auch nicht mehr in der Zeit, in der wir
mit erhobenem Zeigefinger andern Menschen erklären können, was
gut und richtig für sie ist. Daran sind wir genau in Afghanistan
gescheitert.»
Berlin anerkennt das Taliban-Regime nicht an, braucht aber
offizielle Kontakte für deutsche Anliegen. Wie geht das? -
Potzel: «Es ist nicht so, dass Deutschland keine Gespräche mit
den Taliban führt, wir haben einen Geschäftsträger, der betreibt
die Geschäfte von Doha aus. (..), reist hin und wieder nach Kabul
und führt Gespräche. Ich wäre auch dafür, eine dauerhafte Präsenz
dort einzurichten (..), um die eigenen Interessen zu vertreten
(..): Terrorismusbekämpfung, Migration, Rauschgift» -
Wieland-Karimi: «Ich stimme Markus zu (..), es wäre gut, wie die
Schweiz zB ein Verbindungsbüro vor Ort zu haben. (..) Es würde
uns gut zu Gesichte stehen, genau zu wissen, dass Frauenrechte
für uns wichtig sind und zugleich aber auch, dass wir den
Menschen im Land nicht helfen, indem wir sie isolieren.»
Ist Afghanistan ein sicheres Rückkehrland geworden? – Potzel:
«Das mag ich nicht beurteilen, dafür braucht es eine Botschaft
vor Ort, die das besser einzuschätzen vermag. (..) Es gibt keine
systematische Verfolgung von ehemaligen Soldaten der afghanischen
Armee, von Geheimdienstmitarbeitern. Was nicht ausschliesst, dass
es einzelne Racheakte gibt.» - Wieland: «aus meiner Sicht ist es
kein sicherer Rückkehrstaat. (..) Da glaube ich müssten wir vor
Ort bessere Analysen haben, die haben wir aber nicht. Wir wissen
von Einzelfällen (..) wir wissen, dass keine systematische
Verfolgung passiert.»
Was ist die Zukunft des Landes ? – Wieland sieht, «dass es in
dieser weltpolitischen Veränderungslage einen Wettlauf gibt um
Länder im sogenannten globalen Süden. (..) Da geht es viel um
Rohstoffe, um Verbindungswege. Insofern kann das für Afghanistan
positiv sein, es kann aber auch negativ sein, indem es einen
neuen Stellvertreterkrieg dort gibt. (..) Die Chinesen kümmern
sich ganz gezielt um Transportinfrastruktur, um diese Rohstoffe
und seltenen Erden ausbeuten zu können. (..) Es geht ganz klar um
den Zugang zu seltenen Erden, zu Rohstoffen. Afghanistan ist
gesegnet damit oder auch verflucht.» - Potzel: «ich bin nicht
sehr optimistisch. (..) Ich sehe keine Oppositionskraft (..) Ich
glaube eher an evolutionäre Schritte von innen heraus. (..) Aber
generell sehe ich eine düstere Zukunft für Afghanistan, denn wenn
man die Hälfte der Bevölkerung von weitergehender Bildung
ausschliesst, dann kann die Zukunft dieses Landes nicht rosig
sein.»
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