«Führt die Krise der deutschen Autoindustrie zur Senkung der Umweltziele?» - mit Jürgen Trittin und Heike van Hoorn

«Führt die Krise der deutschen Autoindustrie zur Senkung der Umweltziele?» - mit Jürgen Trittin und Heike van Hoorn

44 Minuten

Beschreibung

vor 2 Monaten

Der frühere Umweltminister Jürgen Trittin sorgt sich, «dass man
es versäumt hat, rechtzeitig die richtigen Weichen zu stellen, um
eine Automobilindustrie am Standort Deutschland
aufrechtzuerhalten. (..) Ich kann der deutschen Industrie nicht
ihr altes Geschäftsmodell zurückbringen. Mit billigem Russengas
zu produzieren und dann in die Welt zu exportieren, das ist halt
vorbei. (..) Die Märkte der Welt sind nicht mehr offen (..) und
werden gerade in den USA durch Trump zugemacht.» Und auf die
Frage, ob die Strukturanpassung gelingt, antwortet Trittin: «Ich
glaube, dass es möglich ist, das setzt aber voraus, dass sich in
der Industrie selber die Orientierung ändert, (.. um) die
schnelle Entwicklung von preiswerten E-Fahrzeugen auf den Weg zu
bringen.» Ziel der Politik sollte sein, «Investitionen am
Standort Deutschland steuerlich (dadurch zu) begünstigen, (..)
dass alle, die in Deutschland investieren, eine entsprechende
Investitionsprämie kriegen, (..) Investitionszuschuss, ein
entsprechender Fonds und Klimageld, was die Nachfrageseite der
Konsumenten stärkt. (..) Ich glaube, dass wir in dieser
Aufholjagd nicht die Flinte ins Korn werfen müssen».


Die Leiterin des Deutschen Verkehrsforums Heike van Hoorn
argumentiert ähnlich: «Also die Strukturkrise ist in jedem Fall
da. (..) Wir haben seit 2018 einen Rückgang der
Industrieproduktion in Deutschland (..) Zum Strukturwandel
besteht keine Alternative. (..) Wir müssen Mittel generieren aus
einem CO-2-Preis, der ambitioniert ist und auch ansteigend sein
muss.» Bezüglich der Umweltziele fordert van Hoorn aber
Flexibilität: «Ich glaube schon, dass der Druck da sein wird,
dass wir bestimmt Zwischenziele lockern, vielleicht gehen wir
auch statt 2045 in Deutschland auf das EU-weite 2050 Ziel.
(..Dabei gelte es,) eine Umgebung zu schaffen, in der die
Unternehmen und auch die Gesellschaft in der Lage sind, diese
Ziele zu erreichen.(..) Die Frage ist halt nur, ob es der
Transformation hilft, wenn Konzerne wie VW nächstes Jahr 1,5 Mrd
Euro Strafe wegen der verfehlten Flottengrenzwerte bezahlen muss.
(..) Das kann einem Konzern wie VW nicht helfen, diese Ziele dann
so voranzutreiben, wie sie das gerne würden. (..) Wir werden
natürlich immer ein hochpreisiger Standort bleiben. (..) Die
deutschen Hersteller brauchen auch diese grossen Fahrzeuge, weil
die Gewinnmargen da so hoch sind, damit sie im Prinzip auch
andere Segmente dadurch querfinanzieren können.» 


Dem hält Trittin entgegen: «Genau mit dieser Strategie sind sie
jetzt in die Krise gefahren, (..und fordert deshalb) weniger
Porsche mehr Dacia, (..) eine preiswerte Marke von Renault in
Rumänien, die überaus erfolgreich ist, (..) was Volkswagen auch
machen könnte. (..) Ich glaube den Autoindustrien nicht alles,
was sie erzählen.». Und zur Flexibilität der Umweltziele
argumentiert Trittin: «In Zeiten von Disruption ist es völlig
falsch, zu verzögern und Handeln hinten rauszuschieben. (..) Es
geht darum, wo gehen Investitionen hin. Wenn ich den Eindruck
erwecke, machen wir noch ein bisschen länger Verbrenner und
ähnliches, dann bindet das Mittel, die ich an anderer Stelle
nicht habe. (..) Das ist das Gegenteil von Rechtssicherheit, das
ist der Versuch, zu glauben, dass die Politik einfach die
Standards abräumt, wenn man die Ziele nicht erfüllt. (..) Ihnen
den Druck wegzunehmen, das hielte ich gerade im Interesse eines
schnellen Transformationsprozesses für falsch.» Und Trittin fügt
ein weiteres Argument an: «Wenn ich konfrontiert bin mit einem
Präsidenten in den USA, der erklärt, er wolle Oel und Gas als
geostrategische Waffe einsetzen, auch gegen Europa, das er als
kleines China bezeichnet, dann muss ich mich doch aus dieser
Abhängigkeit so schnell wie möglich befreien. Das ist eine Frage
der geostrategischen Autonomie Europas. (..) Wenn ‘Europe united‘
die Antwort auf ‘Amerika first‘ sein soll, (..) dann muss ich
gerade diesen Transformationsprozess eher beschleunigen als
verlangsamen.»

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