
„The West and the Rest: The West is broken and is no longer the role model for the Rest. Have liberal democracy, the rule of law and human rights failed as global values?” – mit Ivan Krastev und Gilda Sahebi
46 Minuten
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Beschreibung
vor 4 Monaten
Brachte das Jahr 1989 die globale Wende hin zu westlichen Werten?
Für den bulgarischen Politologen Ivan Krastev hat das Jahr 1989
je nach Ort eine ganz unterschiedliche Bedeutung: „Ich sehe 4-5
verschiedene 1989. (..) Aus osteuropäischer Sicht hatten viele
Menschen den Eindruck, die Geschichte hat uns betrogen. (..)
Tian’anmen schien damals nur eine Fußnote der Geschichte zu sein,
aber heute mit dem Aufschwung von China können wir verstehen,
dass Tian’anmen vielleicht wichtiger war als der Fall der
Berliner Mauer. (..) Nach einer Umfrage in Russland war das
wichtigste Ereignis von 1989 der Rückzug von Sowjetrussland aus
Afghanistan; das Ende des Reiches war wichtiger als das Ende des
Kommunismus. Wir haben das nicht bemerkt, weil wir nur im Auge
hatten, was in unserem Teil der Welt passiert.“
Die deutsch-iranische Journalistin und Autorin Gilda Sahebi
stimmt dem zu, „weil wir die Tatsache nicht akzeptiert haben,
dass wir nicht das Zentrum der Welt sind. (..) Aber wir haben
immer noch die Perspektive, dass wir die einzigen Hauptfiguren
dieser Welt seien, aber wir sind es nicht. (..) Es war lustig,
wie die westlichen Regierungen so irritiert waren, dass der Rest
der Welt nicht auf ihrer Seite war, als Russland die Ukraine
überfiel. (..) Mir selbst gefällt das Bild aus englischen
Kohleminen, wo Kanarienvögel in die Minen gebracht wurden, weil
sie sehr sensibel sind, wenn der Sauerstoff in der Luft
zurückgeht. Dann werden sie laut: ‘hei, etwas läuft hier falsch
‘. Du kannst immer gewisse Menschen (..) fragen, läuft etwas
falsch? Viele Menschen sind erstaunt über den Aufschwung des
Populismus, wie konnte das so rasch passieren? (..) Sie hätten
nur anderen Menschen zuhören müssen. (..) Jegliche Art von
Minderheiten, Migranten, Flüchtlinge, das sind die kleinen Vögel,
die heute schon laut werden. Und wir haben es seit vielen Jahren
gespürt.
“Fordert der Protest der iranischen Frauen individuelle
Menschenrechte ein, die Werte der westlichen Aufklärung? -
Sahebi: „Das ist ein altes Märchen, dass Aufklärung und
Menschenrechte ein Produkt des Westens seien. (..) Menschen sind
grundsätzlich gleich, sie wollen sicher, ernährt und geliebt
sein. (..) Und Frauen in allen Gesellschaften haben am meisten zu
gewinnen, weil sie gewöhnlich tiefer gestellt sind bezüglich
Sicherheit und der Möglichkeit, frei zu sein. (..) Deshalb sind
sie an vielen Orten die Kraft hinter der Veränderung. (..) Sie
spüren es, wie die erwähnten Vögel, weil sie sich um die Kinder
kümmern, einkaufen gehen. Sie spüren es, wenn die Wirtschaft
schlecht läuft.“
Gibt es ein Zurück zu einer regelbasierten internationalen
Ordnung? - Krastev: „Regeln sind die Sprache der Mächtigen. Nach
dem 2. Weltkrieg gab es eine Machtkonstellation, die es dem
Westen erlaubt hat, die Regeln zu schreiben. (..) Aber von außen
gesehen war diese Ordnung vor allem eine Heuchelei. (..)
Die Mächtigen glauben, dass sie machen können, was sie wollen.
Aber sie werden entdecken, dass sie das nicht tun können. (..)
Mächtige Staaten wie die USA intervenieren in Afghanistan. Du
kannst nicht mehr bombardieren, weil es nichts mehr zu
bombardieren gibt, (..) aber du kannst sie nicht mehr
kontrollieren. Und plötzlich bist du gezwungen zu verhandeln. Und
dann verhandelst du auch über gewisse Regeln. (..) Wir sind in
einem Übergang, in dem die Menschen gezwungen sind, die
Notwendigkeit von Ordnung (wieder) zu entdecken, indem sie die
Kosten von Unfrieden und Unordnung bezahlen müssen. (..) Nur
braucht das 10 oder 20 Jahre von Unfrieden und Krise, bis die
Menschen wieder entdecken, was gestern als selbstverständlich
vorausgesetzt wurde.“
Unordnung und Krise überall – was müsste man tun? – Sahebi:
„Wahrheit, die Wahrheit gegen die Macht auszusprechen, das ist
alles, was wir brauchen“. – Krastev: „In einem Moment wie diesem,
ist Neugierde sehr wichtig und zu sagen: Vielleicht verstehe ich
nicht, was gerade passiert, aber ich möchte es wirklich
verstehen“.
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