Kointegrierte Prozesse

Kointegrierte Prozesse

Modellansatz 099
25 Minuten
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Beschreibung

vor 7 Jahren
Markus Scholz hat gerade seine Dissertation Estimation of
Cointegrated Multivariate Continuous-Time Autoregressive Moving
Average Processes an der KIT-Fakultät für Mathematik verteidigt.
Gudrun ergriff die Gelegenheit, mit ihm über die Idee und
Anwendungsmöglichkeiten von Zeitreihen-Modellen zu sprechen.

Prinzipiell stehen Zeitreihen einerseits für zeitlich geordnete
(Mess-)Daten, die z.B. durch Abtasten (wiederholtes Messen) eines
Vorgangs in der Realität entstehen. Andererseits werden sie in
der Statistik als Ergebnis eines Stochastischen Prozesses
interpretiert, der diese Zeitreihe als eine seiner Realisierungen
erzeugt. Der stochastische Prozess ist hierbei ein Modell und
soll die wichtigsten Eigenschaften der Daten erfassen. Er soll
auch dazu dienen, zuverlässige Schätzungen zu liefern, wie sich
die Zeitreihe wahrscheinlich in die Zukunft fortsetzt. Mitunter
interessieren hier sogar nur so oberflächliche Informationen wie
Saisonalität und Trends.


Ein Aspekt, der im Titel der Arbeit von Markus Scholz als "Moving
Average" beschrieben ist, ist die Eigenschaft, dass die Werte der
Zeitreihe vor allem durch die letzten davor liegenden Meßpunkte
beeinflusst sind und die "Erinnerung" an weiter in der
Vergangenheit liegende Zustände abklingt. Im Modell ist hier
stets eine Zufallsquelle integriert, die man sich wie ein
Auswürfeln pro Zeitpunkt vorstellen kann.


Wie erfolgt hier die Zuordnung zwischen Datenreihe und
stochastischem Modell? In der Regel basiert die Wahl auf der
Erfahrung über zuvor benutzte Modelle in ähnlichen Zusammenhängen
und auf den bekannten Eigenschaften der Modelle. Anschließend
müssen jedoch stochastische Tests belegen, dass die Zuordnung
tatsächlich korrekt ist.


Markus Scholz hat sich mit stochastischen Prozessen beschäftigt,
die kontinuierlich in der Zeit sind statt - wie bisher
beschrieben - diskret. Sie eignen sich z.B. zur Modellierung von
Temperaturverläufen. Prinzipiell nimmt man dabei an, dass eine
hoch genug gewählte Abtastrate den Übergang von diskreten
Messungen zu einem als stetig angesehenen Prozess unkritisch
macht. Der Aspekt, der ihn hier vor allem beschäftigt hat, war
die Erweiterung bekannter Modelle um die Eigenschaft der
Nicht-Stationarität. Das heißt kurz gesagt, die
Grundeigenschaften des Prozesses können sich über die Zeit
ändern. Das kennen wir ja auch von der Temperatur: Einerseitzs
durchlaufen tägliche Tiefst-, Höchst- oder Mittelwerte der
Temperatur im Jahresverlauf eine typische Kurve für eine
betrachtete Region. Andererseits kann im konkreten Jahr ein
untypischer Verlauf vorliegen und es ist gar nicht so leicht zu
quantifizieren, ob es sich um eine untypische Beobachtung handelt
oder sich z.B. die Mittelwerte tatsächlich statistisch
signifikant ändern. Anders gesagt führt die Nicht-Stationarität
im Modell auf Probleme bei zugehörigen Schätzungen, die in der
Regel schwer zu lösen sind.


Deshalb hat Markus Scholz zunächst einen handhabbaren Spezialfall
ausgewählt, die sogenannten kointegrierte Prozesse. Als
stochastische Quelle - dienen ihm Lévy-Prozesse, die Sprünge
zulassen. Die einfachste Zufallsquelle wären Brownsche
Bewegungen, die aber nur stetig (d.h. ohne Sprünge) möglich sind.
Lévy- Prozesse sind flexibel haben jedoch nützliche
Eigenschaften, die ihre Behandlung erleichtern, wie z.B.
stationäre Inkremente.


Grundidee der Arbeit war es, vorhandene Resultate für
zeitdiskrete nicht-stationäre Modelle und zeitstetige stationäre
Modelle so zu vereinen, dass ein neues zeitstetiges und
nicht-stationäres Modell mit gut studierbaren Eigenschaften
entsteht. Hierbei wurden Zustandsraummodelle verwendet, welche
durch Matrizen charakterisiert werden, die die Eigenschaften des
Modells bestimmen. Eine entscheidende Beweisidee beruht darauf,
dass die Matrizen so transformiert werden können, dass ein
Entkopplung in stationäre und nicht-stationäre Anteile erfolgt
und die Benutzung der jeweils bekannten Resultate auf den
zusammengesetzten Prozess möglich wird.


Besonders wertvoll sind hier die entwickelten Schätzverfahren für
kointegrierte Prozesse. In der Praxis haben die Zeitreihen meist
einen ungefähren Gleichlauf über die Zeit, damit sind sie
gemeinsam integriert, also kointegriert. Der Begriff Integration
bedeutet, dass die nicht-stationären Zeitreihen durch
Differenzenbildung auf neue stationäre Zeitreihen zurückgeführt
werden können. Die Schätzmethode baut auf
derMaximum-Likelihood-Schätzung auf, welches anschließend mit
Hilfe eines numerisches Optimierungsverfahren gelöst wird. Für
die Schätzmethode konnte die Konsistenz nachgewiesen werden, d.h.
Schätzfolgen mit immer mehr Daten werden immer besser (Konvergenz
in Wahrscheinlichkeit gegen wahren Wert).
Referenzen

C. Granger: Nobel Prize Lecture, 2003.

R. Stelzer: CARMA Processes driven by Non-Gaussian Noise,
TUM-IAS Primary Sources - Essays in Technology and Science, 1
no.1, 2012.

E. Schlemm and R. Stelzer: Quasi maximum likelihood
estimation for strongly mixing state space models and
multivariate Lévy-driven CARMA processes, arXiv, 2012.

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