Systembiologie

Systembiologie

Modellansatz 039
1 Stunde 33 Minuten
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Beschreibung

vor 9 Jahren
Auf den Vorschlag von Henning Krause verbreiteten viele Forschende
unter dem Hashtag #1TweetForschung ihr Forschungsthema in Kurzform.
So auch Lorenz Adlung, der in der Abteilung Systembiologie der
Signaltransduktion am Deutschen Krebsforschungszentrum in
Heidelberg die mathematische Modellbildung für biologische Prozesse
erforscht.

Bei der Anwendung einer Chemotherapie leiden Krebspatienten oft
unter Blutarmut. Hier kann neben der Bluttransfusion das Hormon
Erythropoetin, kurz EPO, helfen, da es die körpereigene Erzeugung
von roten Blutkörperchen (Erythrozyten) unterstützt. Leider ist
EPO als Dopingmittel bekannt, und um dem Doping noch deutlicher
Einhalt zu gebieten, wurde im November 2014 in Deutschland ein
Entwurf eines Anti-Doping-Gesetz vorgelegt.


Trotz gängigem Einsatz und erprobter Wirkung von EPO ist die
genaue Wirkung von EPO auf Krebszellen nicht bekannt. Daher
verfolgt Lorenz Adlung den Ansatz der Systembiologie, um im
Zusammenwirken von Modellbildung und Mathematik, Biologie und
Simulationen sowohl qualitativ und quantitativ analysieren und
bewerten zu können.


Vereinfacht sind rote Blutkörperchen kleine
Sauerstoff-transportierende Säckchen aus Hämoglobin, die auch die
rote Farbe des Bluts verursachen. Sie stammen ursprünglich aus
Stammzellen, aus denen sich im Differenzierungs-Prozess
Vorläuferzellen bzw. Progenitorzellen bilden, die wiederum durch
weitere Spezialisierung zu roten Blutkörperchen werden. Da es nur
wenige Stammzellen gibt, aus denen eine unglaubliche große Anzahl
von Trillionen von Blutkörperchen werden müssen, gibt es
verschiedene Teilungs- bzw. Proliferationsprozesse. Das Ganze
ergibt einen sehr komplexen Prozess, dessen Verständnis zu neuen
Methoden zur Vermehrung von roten Blutkörperchen führen können.


Den durch Differenzierung und Proliferation gekennzeichnete
Prozess kann man mathematisch beschreiben. Eine zentrale
Ansichtsweise in der Systembiologie der Signaltransduktion ist,
Zellen als informationsverarbeitende Objekte zu verstehen, die
zum Beispiel auf die Information einer höheren EPO-Konzentration
in der Umgebung reagieren. Von diesem Ansatz werden durch
Messungen Modelle und Parameter bestimmt, die das Verhalten
angemessen beschreiben können. Diese Modelle werden in Einklang
mit bekannten Prozessen auf molekularer Ebene gebracht, um mehr
über die Abläufe zu lernen.


Die erforderlichen quantitativen Messungen basieren sowohl auf
manuellem Abzählen unter dem Mikroskop, als auch der
Durchflusszytometrie, bei der durch Streuung von Laserlicht an
Zellen durch Verwendung von Markern sogar Aussagen über die
Zelloberflächen getroffen werden können. Zusätzlich kann mit der
Massenspektrometrie auch das Innere von Zellen ausgemessen
werden.


In diesem Anwendungsfall werden die mathematischen Modelle in der
Regel durch gekoppelte gewöhnliche Differenzialgleichungen
beschrieben, die Zell- oder Proteinkonzentrationen über die Zeit
beschreiben. Die Differenzialgleichungen und deren Parameter
werden dabei sowohl mit Messungen kalibriert, als auch mit den
Kenntnissen in der Molekularbiologie in Einklang gebracht. Die
Anzahl der Parameter ist aber oft zu hoch, um naiv auf geeignete
zu den Messungen passende Werte zu gelangen. Daher wird unter
anderem das Latin Hypercube Sampling verwendet, um schnell nahe
sinnvollen Parameterwerten zu gelangen, die durch
gradienten-basierte Optimierungsverfahren verbessert werden
können. Die Basis für diese Art von Optimierungsverfahren ist das
Newton-Verfahren, mit dem man Nullstellen von Funktionen finden
kann. Ein wichtiger Aspekt im Umgang mit Messergebnissen ist die
Berücksichtigung von Messfehlern, die auch vom Wert der Messung
abhängig verstanden werden muss- denn nahe der Messgenauigkeit
oder der Sättigung können die relativen Fehler extrem groß
werden.


Die Bestimmung der Modellparameter ist schließlich auch ein
Parameteridentifikationsproblem, wo insbesondere durch eine
Sensitivitätsanalyse auch der Einfluss der geschätzten Parameter
bestimmt werden kann. Sowohl die Parameter als auch die
Sensitivitäten werden mit den biologischen Prozessen analysiert,
ob die Ergebnisse stimmig sind, oder vielleicht auf neue
Zusammenhänge gedeuten werden können. Hier ist die
Hauptkomponentenanalyse ein wichtiges Werkzeug, um zentrale
beeinflussende Faktoren erfassen zu können.


Ein wichtiges Ziel der Modellbildung ist die numerische
Simulation von Vorgängen, die als digitale Experimente sich zu
einem eigenen Bereich der experimentellen Forschung entwickelt
haben. Darüber hinaus ermöglicht das digitale Modell auch die
optimale Planung von Experimenten, um bestimmte Fragestellungen
möglichst gut untersuchen zu können.


Die Umsetzung auf dem Computer erfolgt unter anderem mit Matlab,
R (The R Project for Statistical Computing) und mit der
spezialisierten und freien Software D2D - Data to Dynamics.
Literatur und Zusatzinformationen

M. Boehm, L. Adlung, M. Schilling, S. Roth, U. Klingmüller,
W. Lehmann: Identification of Isoform-Specific Dynamics in
Phosphorylation-Dependent STAT5 Dimerization by Quantitative Mass
Spectrometry and Mathematical Modeling, Journal of Proteome
Research, American Chemical Society, 2014. (PubMed)

Studium der Systembiologie

D2D-Software

L. Adlung, C. Hopp, A. Köthe, N. Schnellbächer, O. Staufer:
Tutorium Mathe für Biologen, Springer Spektrum, 2014.

Science: NextGen Voices zur globalen wissenschaftlichen
Zusammenarbeit- mit Lorenz Adlung

Lorenz Adlung auf Twitter

L. Adlung, et. al: Synbio meets Poetry, CreateSpace, 2013.

Kollaborationspartner: U.a. Thomas Höfer, Heidelberg, Jens
Timmer, Freiburg i. B., Fabian Theis, München

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