L-Funktionen

L-Funktionen

Modellansatz 055
60 Minuten
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Beschreibung

vor 8 Jahren

Eine alte Fragestellung lautet, was die Summe der Kehrwerte aller
natürlicher Zahlen ist. Mit anderen Worten: existiert der
Grenzwert der Harmonischen Reihe ? Die Antwort, die man im ersten
Semester kennenlernen ist: Diese Reihe ist divergiert, der Wert
ist nicht endlich. Über die spannenden Entwicklungen in der
Zahlentheorie, die sich daraus ergaben, berichtet Fabian
Januszewski im Gespräch mit Gudrun Thäter.


Eine verwandte Fragestellung zur harmonischen Reihe lautet: Wie
steht es um den Wert von ? Diese Frage wurde im 17. Jahrhundert
aufgeworfen und man wußte, daß der Wert dieser Reihe endlich ist.
Allerdings kannte man den exakten Wert nicht. Diese Frage war als
das sogannte Basel-Problem bekannt.


Eine ähnliche Reihe ist


Ihr Wert läßt sich elementar bestimmen. Dies war lange bekannt,
und das Basel-Problem war ungleich schwieriger: Es blieb fast
einhundert Jahre lang ungelöst. Erst Leonhard Euler löste es
1741:
Die Riemann'sche -Funktion

Die Geschichte der L-Reihen beginnt bereits bei Leonhard Euler,
welcher im 18. Jahrhundert im Kontext des Basel-Problems die
Riemann'sche -Funktion' entdeckte und zeigte, dass sie der
Produktformel genügt, wobei die Menge der Primzahlen durchläuft
und eine reelle Variable ist. Diese Tatsache ist äquivalent zum
Fundamentalsatz der Arithmetik: jede natürliche Zahl besitzt eine
eindeutige Primfaktorzerlegung.


Eulers Lösung des Basel-Problems besagt, daß und diese Formel
läßt sich auf alle geraden positiven Argumente verallgemeinern: ,
wobei die -te Bernoulli-Zahl bezeichnet.


Im 19. Jahrhundert zeigte Bernhard Riemann, dass die a priori nur
für konvergente Reihe eine holomorphe Fortsetzung auf besitzt,
einer Funktionalgleichung der Form genügt und einen einfachen Pol
mit Residuum bei aufweist. Letztere Aussage spiegelt die Tatsache
wieder, dass in jedes Ideal ein Hauptideal ist und die einzigen
multiplikativ invertierbaren Elemente sind. Weiterhin weiß viel
über die Verteilung von Primzahlen.


Setzen wir


dann zeigte Riemann, daß die so definierte
vervollständigte Riemann'sche -Funktion auf ganz holomorph
ist und der Funktionalgleichung genügt. Da die -Funktion Pole bei
nicht-positiven ganzzahligen Argumenten besitzt, ergibt sich
hieraus die Existenz und Lage der sogenannten "trivialen
Nullstellen" von : für .


Konzeptionell sollte man sich den Faktor als Eulerfaktor
bei vorstellen. John Tate zeigte in seiner berühmten
Dissertation, daß dies tatsächlich sinnvoll ist: Die endlichen
Eulerfaktoren werden von Tate als Integrale über interpretiert,
und der "unendliche" Eulerfaktor ist ebenfalls durch ein
entsprechendes Integral über gegeben. Er legte damit den
Grundstein für weitreichende Verallgemeinerungen.


Die Riemann'sche -Funktion ist der Prototyp einer -Funktion,
einem Begriff, der langsam Schritt für Schritt verallgemeinert
wurde, zunächst von Richard Dedekind, Lejeune Dirichlet und Erich
Hecke und weiter von Emil Artin, Helmut Hasse, André Weil,
Alexander Grothendieck, Pierre Deligne, Jean-Pierre Serre und
Robert Langlands et al. -Funktionen spielen in der modernen
Zahlentheorie eine zentrale Rolle, und bis heute ranken sich
fundamentale Vermutungen um diesen Begriff.


Selbst die Mysterien der Riemann'schen -Funktion sind auch heute
bei weitem nicht vollständig ergründet. Die berühmteste Vermutung
in diesem Kontext ist die Riemann'sche Vermutung. Riemann zeigte
1859 nicht nur, daß die Riemann'sche -Funktion eine holomorphe
Fortsetzung auf besitzt, sondern stellte auch einen engen
Zusammenhang zwischen der Verteilung der Primzahlen und den
Nullstellen von her. Eulers Produktenwicklung von für zeigt, dass
stets für . Aus der Funktionalgleichung von ergibt sich, dass für
natürliche Zahlen . Die sind die sogenannten trivialen
Nullstellen der -Funktion. Riemann vermutete, dass sämtliche
nicht-trivialen Nullstellen auf der Geraden liegen.


Euler bestimmte im wesentlichen die Werte für positives . Bis
heute wissen wir sehr wenig über die Werte an positiven ungeraden
Argumenten. Ein Satz von Apéry besagt, daß irrational ist. Wir
haben allerdings keine einfache Formel für diesen Funktionswert.
Konzeptionell unterscheiden sich die ungeraden von den geraden
positiven Argumenten darin, daß der in auftretende Faktor der
-Funktion für ungerades positives dort einen Pol besitzt, was
ebenfalls das Verschwinden von zur Folge hat.


Über die Werte an negativen ungeraden Argumenten wissen wir aus
der Funktionalgleichung, daß . Insbesondere gilt . Dieser Wert
kann in gewissen Kontexten als Grenzwert (der divergierenden!)
Reihe


interpretiert werden (formal ergeben diese Identitäten natürlich
keinen Sinn). In gewissen Situationen ist der Funktionswert ein
sinnvoller endlicher Ersatz für den nicht existierenden Grenzwert
der Reihe . Derartige Phänomene treten in Zahlentheorie an vielen
Stellen auf.
Literatur und Zusatzinformationen

Haruzo Hida, Elementary theory of -functions and
Eisenstein series, Cambridge University Press, 1993.

Jean-Pierre Serre, "Cours d'arithmétique", Presses
Universitaires de France, 1970.

Goro Shimura, "Introduction to the arithmetic theory of
automorphic functions." Princeton University Press, 1971.

Jürgen Neukirch, Algebraische Zahlentheorie, Springer
Verlag, 1992.

André Weil, Basic Number Theory, Springer Verlag,
1973.

Podcast Modellansatz 036: Analysis und die
Abschnittskontrolle

Bernhard Riemann, Über die Anzahl der Primzahlen unter
einer gegebenen Grösse, Monatsberichte der Königlich
Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1859

John T. Tate, "Fourier analysis in number fields, and Hecke's
zeta-functions", Algebraic Number Theory (Proc. Instructional
Conf., Brighton, 1965), Thompson, 1950, S. 305–347.

Andrew Wiles, "Modular Elliptic Curves and Fermat’s Last
Theorem." Annals of Mathematics 142, 1995, S.
443–551.

Richard Taylor, Andrew Wiles, "Ring-theoretic properties of
certain Hecke algebras." Annals of Mathematics 142,
1995, S. 553–572.

Brian Conrad, Fred Diamond, Richard Taylor, "Modularity of
certain potentially Barsotti-Tate Galois representations",
Journal of the American Mathematical Society 12,
1999, S. 521–567.

Christophe Breuil, Brian Conrad, Fred Diamond, Richard
Taylor, "On the modularity of elliptic curves over Q: wild
3-adic exercises", Journal of the American Mathematical
Society 14, 2001, S. 843–939.

Frobeniushomomorphismus

Galois-Darstellungen

Weil-Vermutungen

Standard-Vermutungen

Automorphe Formen

Das Langlands-Programm

Wikipedia: Automorphe L-Funktionen

Emil Artin, Über eine neue Art von -Reihen, Abh.
Math. Seminar Hamburg, 1923.

Armand Borel, "Automorphic L-functions", in A. Borel, W.
Casselman, "Automorphic forms, representations and
L-functions" (Proc. Sympos. Pure Math., Oregon State
Univ., Corvallis, Oregon, 1977), Teil 2, Proc. Sympos. Pure
Math., XXXIII, American Mathematical Society, 1979, S. 27–61.

Robert P. Langlands, "Problems in the theory of automorphic
forms", in "Lectures in modern analysis and applications
III," Lecture Notes in Math 170, 1970, S. 18–61.

Robert P. Langlands, '"'Euler products", Yale University
Press, 1971.

Wikipedia: Spezielle Werte von L-Funktionen

Pierre Deligne; "Valeurs de fonctions L et périodes
d’intégrales." , in A. Borel, W. Casselman, "Automorphic forms,
representations and L-functions" (Proc. Sympos. Pure
Math., Oregon State Univ., Corvallis, Oregon, 1977)'', Teil 2,
Proc. Sympos. Pure Math., XXXIII, American Mathematical Society,
1979, S. 313–346.

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