Newton-Verfahren

Newton-Verfahren

Modellansatz 084
31 Minuten
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Beschreibung

vor 8 Jahren

Mathematik mit Kunst und Design erklären - das war ein Ziel des
Cooking Math-Projekts.


Robert Winkler forscht an der Fakultät für Mathematik zu
numerischen Verfahren für schlecht gestellte Probleme. Das hilft
z.B. Elektrische Impedanztomographie genauer und schneller zu
machen. Seine Teilnahme am Cooking Math Projektes hat uns zum
jetzigen Zeitpunkt zusammengeführt.


Die Aufgabenstellung der Elektrischen Impedanztomographie ist es,
aus Messungen auf der Oberfläche eines Körpers Rückschlüsse auf
die Zusammensetzung im Inneren zu ziehen. Dazu dient bei der
Elektrische Impedanztomographie die elektrische Leitfähigkeit im
Innern, die Auswirkungen auf gemessene elektrische Potentiale an
der Körperoberfläche hat. Aus physikalischen Zusammenhängen (hier
Ohmsches Gesetz und Kirchhoffsche Regeln) lassen sich partielle
Differentialgleichungen herleiten, die aus der Leitung im Innern
die Oberflächenpotentiale berechenbar machen. Das nennt man
Vorwärtsproblem. In der Praxis braucht man aber genau die andere
Richtung - das sogenannte inverse Problem - denn man hat die
Werte auf dem Rand gemessen und will unter den gleichen
physikalischen Annahmen auf den Ablauf im Inneren schließen.


Der Zusammenhang, der so modellhaft zwischen Leitfähigkeit und
Potential am Rand entsteht, ist hochgradig nichtlinear. Außerdem
ist er instabil, das heißt kleine Messfehler können dramatische
Auswirkungen auf die Bestimmung der Leitfähigkeit haben. Daher
müssen bei der numerischen Bearbeitung Verfahren gefunden werden,
die die partielle Differentialgleichung numerisch lösen und dabei
diese Nichtlinearität stabil behandeln können.


Etabliert und sehr effektiv ist dabei das Newtonverfahren. Es ist
weithin bekannt zur Nullstellensuche bei Funktionen von einer
Variablen. Die grundlegende Idee ist, dass man ausgehend von
einem Punkt in der Nähe der Nullstelle den Tangenten an der
Funktion folgt um sich schrittweise der Nullstelle zu nähern.
Durch die Information, die in der Tangentenrichtung verschlüsselt
ist, entsteht so ein Verfahren zweiter Ordnung, was in der Praxis
heißt, dass sich nach kurzer Zeit in jedem Schritt die Zahl der
gültigen Stellen verdoppelt. Großer Nachteil ist, dass das nur
dann funktioniert, wenn man nahe genug an der Nullstelle startet
(dh. in der Regel braucht man zuerst ein Verfahren, das schon
eine gute erste Schätzung für die Nullstelle liefert). Außerdem
gibt es Probleme, wenn die Nullstelle nicht einfach ist. Wenn man
das Newtonverfahren zum finden von Optimalstellen nutzt (dort wo
die Ableitung eine Nullstelle hat), kann es natürlich nur lokale
Minima/Maxima finden und auch nur dasjenige, das am nächsten vom
Startwert liegt.


Im Kontext der inversen Probleme wird das Newtonverfahren auch
eingesetzt. Hier muss natürlich vorher eine geeignete
Verallgemeinerung gefunden werden, die so wie die Ableitungen im
eindimensionalen Fall eine Linearisierung der Funktion in einer
(kleinen) Umgebung des Punktes sind. Der Kontext, in dem das
recht gut möglich ist, ist die schwache Formulierung der
partiellen Differentialgleichung. Der passende Begriff ist dann
die Fréchet-Ableitung. Betrachtet man das Problem mathematisch in
einem Raum mit Skalarprodukt (Hilbertraum), kann die
Linearisierung mit dem Verfahren der konjugierten Gradienten
behandelt werden. Dieses Verfahren findet besonders schnell eine
gute Näherung an die gesuchte Lösung, indem es sich Eigenschaften
des Skalarprodukts zunutze macht und die aktuelle Näherung
schrittweise in besonders "effektive" Richtungen verbessert.


Um das lineare Problem stabiler zu machen, nutzt man
Regularisierungen und geht von vornherein davon aus, dass man
durch Fehler in den Daten und im Modell ohnehin in der
Genauigkeit eingeschränkt ist und in der numerischen Lösung nicht
versuchen sollte, mehr Genauigkeit vorzutäuschen. Eine typische
Regularisierung bei der Elektrische Impedanztomographie ist die
Erwartung, dass die Leitfähigkeit stückweise konstant ist, weil
jedes Material eine zugehörige Konstante besitzt.


Im zugehörigen Cooking Math-Projekt soll der Modellerierungs- und
Lösungsfindungsprozess visualisiert werden. Eine Idee hierfür ist
das Spiel "Topfschlagen".
Literatur und weiterführende Informationen

R. Winkler, A. Rieder: Model-Aware Newton-Type Inversion
Scheme for Electrical Impedance Tomography, Preprint 14/04 am
Institut für Wissenschaftliches Rechnen und Mathematische
Modellbildung, KIT, 2014. (Eingereicht zur Veröffentlichung in
Inverse Problems 31, (2015) 045009).

O. Scherzer: Handbook of Mathematical Methods in Imaging,
Springer Verlag, ISBN 978-0-387-92919-4, 2011.

Podcasts

S. Hollborn: Impedanztomographie, Gespräch mit G. Thäter im
Modellansatz Podcast, Folge 68, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2015.
http://modellansatz.de/impedanztomographie

J. Enders, C. Spatschek: Cooking Math, Gespräch mit G. Thäter
und S. Ritterbusch im Modellansatz Podcast, Folge 80, Fakultät
für Mathematik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016.
http://modellansatz.de/cooking-math

J. Eilinghoff: Splitting, Gespräch mit G. Thäter im
Modellansatz Podcast, Folge 81, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016.
http://modellansatz.de/splitting

P. Krämer: Zeitintegration, Gespräch mit G. Thäter im
Modellansatz Podcast, Folge 82, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016.
http://modellansatz.de/zeitintegration

D. Hipp: Dynamische Randbedingungen, Gespräch mit G. Thäter
im Modellansatz Podcast, Folge 83, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016.
http://modellansatz.de/dynamische-randbedingungen

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