Reguläre Strömungen

Reguläre Strömungen

Modellansatz 113
46 Minuten
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Beschreibung

vor 7 Jahren

Strömungen beobachten wir fast jeden Tag. Die Meeresbrandung
fasziniert uns und eine gut funktionierende Klimaanlage ist ein
wunderbarer Luxus, egal ob sie wärmt oder kühlt. Strömungen zu
beherrschen ist aber auch in vielen verfahrenstechnischen
Zusammenhängen wichtig. Insofern haben Gleichungen, die
Strömungen beschreiben, eine große praktische Relevanz und
gleichzeitig eine fast emotionale Anziehungskraft. Das einfachste
mathematische Modell, das auch für viele Computersimulationen
genutzt wird, sind die inkompressiblen Navier-Stokes Gleichungen
(INS). Hier ist die strömende Substanz dem Wasser ähnlich genug,
dass nur in der Materialkonstante Viskosität verschiedene
Fließfähigkeiten unterschieden werden. Als Lösungen des Systems
von partiellen Differentialgleichungen suchen wir das
Geschwindigkeitsfeld und den Druck als Funktionen von Raum und
Zeit . Im 3d-Fall ist das ein System von vier Gleichungen. Drei
davon sind eine Vektorgleichung, die aus der Impulserhaltung
abgeleitet wird und die vierte ist die Erhaltung der Masse. Im
inkompressiblen Fall vereinfacht sich diese aus die Forderung,
dass die Divergenz des Geschwindigkeitsfeldes verschwindet. Die
komplexer aussehende Gleichung ist die Vektorgleichung, weil hier
die zweiten räumlichen Ableitungen des Geschwindigkeitsfeldes,
der Druckgradient, die zeitliche Ableitung der Geschwindigkeit
und ein nichtlinearer Term vorkommen. Die Gleichungen müssen im
Strömungsgebiet gelten. Die Lösungen müssen sich aus dem
Anfangszustand entwickeln (Anfangsbedingung) und am räumlichen
Rand vorgeschriebenen Werten, den Randwerten (meist fordert man,
dass die Geschwindigkeit Null ist) genügen.


Dieses Modell ist in einem längeren Prozess entwickelt worden.
Ein großer Durchbruch bei der mathematischen Analyse gelang dem
französischen Mathematiker Leray im Jahr 1934. Er hatte die
geniale Idee, sich von dem Wunsch zu verabschieden, für diese
komplizierte Gleichung eine punktweise zutreffende Lösung zu
konstruieren. Statt dessen verallgemeinerte er den Lösungsbegriff
und führte den Begriff der schwachen Lösung ein. Diese erfüllt
die Gleichung nur im Sinne eines ausgeklügelten Systems von
unendlich vielen Integralgleichungen. Er zeigte mit Hilfe von
abstrakten Argumenten, dass die INS immer solche schwachen
Lösungen haben.


Heute ist bekannt, dass


falls eine punktweise Lösung existiert (sogenannte starke
Lösung), diese eindeutig ist (also insbesondere mit der schwachen
übereinstimmt),

es in 2d immer eine punktweise Lösung gibt, die für alle
Zeiten existiert (unter geringfügigen Bedingungen an den Rand),
und

es unter Kleinheitsbedingungen an die Daten und bei glattem
geometrischen Rand des Gebietes auch in 3d punktweise Lösungen
gibt.



Wir wissen jedoch in 3d nicht, ob die gefundenen schwache Lösung
regulär bzw. stark ist (d.h. eine punktweise Lösung ist.)


In Vorbereitung auf den Jahrtausendwechsel gab es in der
Mathematik die Bestrebung, so wie dies 100 Jahre zuvor von
Hilbert geschehen war, die wichtigsten mathematischen
Problemstellungen in den Fokus zu nehmen. Das Ergebnis waren
sieben sogenannte Milleniumsprobleme der Clay Foundation, für
deren Lösung jeweils ein Preisgeld von einer Millionen Dollar
ausgelobt wurde. Eines dieser für so wichtig angesehenen Probleme
ist die offene Frage der Regularität der schwachen Lösungen der
INS.


Woran liegt das? Eine Eigenschaft der INS, die sie schwierig
macht, ist ihre Nichtlinearität. Sie ist nur quadratisch und hat
eine besondere Struktur. Diese Struktur verdanken wir es z.B.,
dass die schwache Theorie erfolgreich ist. Es besteht Hoffnung,
dass wir auch die Lücke zur starken Theorie unter Ausnutzung der
Struktur schließen können.


Der Standardweg im linearen Fall (z.B. beim Laplace-Problem) ist
es, für die schwachen Lösungen mit einem Münchhausen-Prinzip
(Elliptic Bootstrapping) Stück für Stück mehr Regularität zu
zeigen. Man kann so zeigen, dass die Lösung immer so gut ist, wie
die es Daten erlauben. Man nennt das maximale Regularität.


Leider ist für die INS das Wachstum in der Nichtlinearität zu
schnell, um im 3d-Fall mit diesen Standardmethoden zu
argumentieren (im 2d Fall geht es aber).


Im 3d-Fall geht es aber unter bestimmten Zusatzbedingungen, z.B.
einer höheren Integrierbarkeit des Geschwindigkeitsfeldes als die
schwachen Lösungen von vornherein haben. Man fand dies über
Skalierungs-Eigenschaften der Gleichung heraus. Grob gesagt, muss
man fordern dass die Lösung zu einem Raum gehört, der
Skalierungsinvariant ist. Eine weitere zusätzliche Forderung ist
die Gültigkeit der Energiegleichung (Erhaltung der kinetischen
Energie), denn leider weiß man bisher von schwachen Lösungen nur,
dass sie eine Energieungleichung erfüllen.


Eine zweite Schwierigkeit der INS ist der Zusammenhang zwischen
Druck und Divergenzgleichung.


Ein Trick der schwachen Theorie ist, dass wir uns von Anfang an
auf Funktionen beschränken, die schwach divergenzfrei sind (also
die Gleichung in Integralmittel erfüllen. Was in der Theorie sehr
gut funktioniert, ist blöd für die Numerik, weil man
Divergenzfreiheit immer wieder herstellen muss wegen der
Rechenfehler im Prozess.


Unter den Forschern gibt es zwei Richtungen: Entweder man sucht
nach Blow-up Lösungen, also schwachen Lösungen, die keine
punktweisen Lösungen sein können, oder man versucht die
Zusatzforderungen aufzuweichen (um sie am Ende ganz weglassen zu
können). Dabei gibt es ständig kleine Fortschritte.


Es gibt auch zwei Wege, für allgemeinere Modelle Theorien zu
entwickeln, die dann im Spezialfall auch etwas über INS sagen.
Ein durch O.A. Ladyzenskaya vorgeschlagener Zugang geht über den
p-Laplace-Operator. Hier findet man starke Lösungen für alle
p>2,5, die INS ist jedoch der Fall p=2. Als Materialgesetz
interessant für Ingenieure ist aber der noch schwierigere Fall
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